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Die Möglichkeiten, gegen eine bereits erfolgte ungünstige Terminbestimmung vorzugehen, sind begrenzt.[5] Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Verlegung.[6] Die herrschende Meinung erachtet die Beschwerde zwar wegen § 305 S. 1 für unzulässig, macht aber bei Rechtswidrigkeit und dadurch eingetretener selbstständiger Beschwer eine Ausnahme.[7] Allerdings wird die Terminierung selbst nur auf Ermessensfehler hin überprüft. Bei der Ausübung seines Ermessens hat der Vorsitzende insbesondere Rücksicht auf die Interessen der Verfahrensbeteiligten, die Terminplanung des Gerichts und das Gebot der Verfahrensbeschleunigung zu nehmen.[8] Dabei hat das Gericht sich ernsthaft zu bemühen, Terminnöte des Verteidigers zu beseitigen.[9] Als zu berücksichtigender Grund für eine Verhinderung des Verteidigers gilt grundsätzlich dessen Urlaub,[10] in einer Haftsache jedoch nicht unbedingt die Teilnahme des Wahlverteidigers an einer Fortbildungsveranstaltung.[11] Gerade in Haftsachen gibt die Rechtsprechung grundsätzlich der VerfahrensbeschleunigungVorrang vor den Terminwünschen des Verteidigers.[12] Dem muss der Verteidiger allerdings in geeigneten Fällen entgegentreten. Denn als Grundrechtsträger sollte letztlich der Angeklagte selbst entscheiden, ob er eine Verfahrensverzögerung in gewissem Umfang zugunsten seines Rechts auf freie Verteidigerwahl hinnehmen will.[13] Dieser Grundsatz gilt freilich nur dann, wenn hierunter nicht Mitangeklagte zu leiden haben, insbesondere bei Haftsachen. Der Verteidiger muss daher bei der Übernahme des Mandats eine offenliegende Terminkollision bedenken.[14]
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Ermessensfehlerhaftist die Ablehnung eines Terminverlegungsantrags jedenfalls dann, wenn sie überhaupt keine nähere Begründung enthält,[15] oder wenn der Vorsitzende trotz der mehrfachen Bitte des Verteidigers um Terminabsprache keinen Versuch unternommen hat, eine Terminkollision zu vermeiden.[16] In einem solchen Fall kommt neben der Beschwerde auch ein Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheitdes Richters in Betracht.[17] Meist wird der Fall jedoch so liegen, dass der Verteidiger aufgrund der kurzfristigen Terminbestimmung keine Möglichkeit mehr hat, deren Rechtmäßigkeit vor der Hauptverhandlung überprüfen zu lassen. Bestand wegen des späten Zeitpunkts der Mandatierung keine Gelegenheit, auf die Terminierung Einfluss zu nehmen, oder hat das Gericht die Wünsche des Verteidigers nicht berücksichtigt, und ist ein daraufhin gestellter Verlegungsantrag entweder nicht rechtzeitig beschieden oder gar abgelehnt worden, bleibt bei nicht zu behebender Verhinderung häufig keine andere Möglichkeit, als dem Mandanten die Beauftragung eines Kollegen zu empfehlen. Will der Mandant dies nicht, und muss das Gericht von einem Nichterscheinen des Verteidigers ausgehen, läuft er allerdings Gefahr, dass ihm vom Gericht ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, der den Termin wahrnehmen kann. Ist die Verteidigung nicht notwendig i.S.v. § 140, muss der Angeklagte damit rechnen, dass das Gericht auch ohne Verteidiger verhandelt. Nicht selten geschieht dies sogar in Fällen notwendiger Verteidigung; nämlich dann, wenn das Gericht davon ausgeht, der Angeklagte werde das Urteil akzeptieren und womöglich ohne Beratung eines Verteidigers auf Rechtsmittel verzichten.
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Auch wenn der Angeklagte grundsätzlich das Recht hat, sich von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen,[18] so hat er doch gemäß § 228 Abs. 2 keinen Anspruch auf Aussetzungder Verhandlung bei Verhinderung seines Verteidigers.[19] Hat sich der Mandant in einem solchen Fall entschieden, den Verhandlungstermin alleine wahrzunehmen, so sollte ihn der Verteidiger auf die Möglichkeit eines Antrags auf Aussetzung der Hauptverhandlung gemäß § 265 Abs. 4hinweisen[20] und einen solchen Antrag für seinen Mandanten vorbereiten. Zwar gebietet bereits die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts diesen Hinweis;[21] doch dürfte bei einem Gericht, das die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung nicht angenommen hat und überdies einen Verlegungsantrag des Wahlverteidigers abgelehnt hat, kaum damit zu rechnen sein, dass es sich mit dem Hinweis auf die Möglichkeit eines Aussetzungsantrags freiwillig zusätzliche Probleme schafft. Der Mandant sollte weiter dahingehend beraten werden, dass er seinen Antrag durch Gerichtsbeschluss entscheiden lassen sollte, auch wenn dies für die Revisionsrüge des unverteidigten Angeklagten zu Recht nicht als notwendig erachtet wird.[22] Die fehlerhafte Ablehnung eines Aussetzungsantrages stellt eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung gemäß § 338 Nr. 8[23] und eine Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts[24] dar.
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Ist die Ladungsfristdes § 217 Abs. 1 von mindestens 1 Woche für den Angeklagten (§ 216) oder den Verteidiger (§ 218) nicht eingehalten, so kann gemäß § 217 Abs. 2 bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache die Aussetzung der Verhandlungverlangt werden (vgl. hierzu Rn. 169 ff.). Das Unterbleiben der Ladung des Verteidigers, der sich rechtzeitig bei Gericht legitimiert hat, was nicht die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht voraussetzt,[25] begründet in der Regel die Revision,[26] wenn nicht der Verteidiger bei Beginn der Ladungsfrist zuverlässige Kenntnis vom Verhandlungstermin hatte.[27] Dies gilt auch, wenn von dem Verstoß nur einer von mehreren Verteidigern betroffen ist,[28] es sei denn, die Aufgaben des betroffenen Verteidigers seien erkennbar nach dem Willen des Angeklagten von dem erschienenen Verteidiger übernommen worden.[29] Bei Fortsetzung einer unterbrochenen Hauptverhandlung ist allerdings keine förmliche Ladung erforderlich, daher auch nicht die Einhaltung einer Ladungsfrist.[30]
[1]
Ausführlich hierzu Krumm StV 2012, 177.
[2]
Vgl. BGH NStZ 2007, 163; StV 2007, 169.
[3]
BGH StV 2009, 565; OLG Bamberg StraFo 2011, 232.
[4]
Vgl. OLG Oldenburg StraFo 2008, 26.
[5]
Vgl. Neuhaus StraFo 1998, 94 ff. und Kropp NStZ 2004, 668 ff.
[6]
Vgl. OLG Braunschweig StV 2008, 293.
[7]
OLG Dresden NJW 2004, 3196; OLG Hamm StV 2004, 642; OLG Nürnberg StV 2005, 491; OLG Stuttgart Justiz 2006, 8; LG Görlitz StraFo 2006, 315.
[8]
BGH NStZ-RR 2007, 81; OLG Hamm StV 2004, 642.
[9]
BGH B. v. 24.6.2009, 5 StR 181/09.
[10]
Vgl. OLG Frankfurt StV 1997, 402.
[11]
BGH StV 2007, 169; hier wird wohl im Einzelfall anderes zu gelten haben.
[12]
Vgl. hierzu BVerfG NStZ 2006, 460; StV 2007, 366; KG StRR 2008, 442; OLG Köln StV 2006, 463; OLG Hamburg NJW 2006, 2792; OLG Hamm NJW 2006, 2788.
[13]
Leipold Das strafprozessuale Beschleunigungsgebot, S. 636, 640.
[14]
OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 2014, 250.
[15]
LG Koblenz StV 1996, 254.
[16]
LG Berlin StV 1995, 239.
[17]
Vgl. hierzu LG Mönchengladbach StV 1998, 533; OLG Bamberg NJW 2006, 2341.
[18]
Vgl. BGH NJW 2006, 2788; OLG München NJW 2006, 711; LG Braunschweig StV 2014, 335.
[19]
So bereits BVerfG NStZ 1984, 176; vgl. auch OLG Braunschweig StV 2008, 293.
[20]
Meyer-Goßner/Schmitt § 229 Rn. 12.
[21]
OLG Düsseldorf StV 1982, 559.
[22]
OLG Stuttgart StV 1988, 145.
[23]
BGH StV 1995, 57.
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