18
Ein abgeschlepptes Kfzist in Betrieb, wenn es noch selbstständig gelenkt und gebremst werden kann. Seine Betriebsgefahr geht nicht in der des abschleppenden Kfz unter.[20] Kann es nicht mehr gebremst und gelenkt werden, haftet der Abschleppende[21].
19
Fallen beförderte Gegenstände(Kisten, Fässer, Steine) von dem Kfz, so sind die hierdurch (auch später) eingetretenen Schäden dem Betrieb zuzurechnen.[22]
20
Verliert ein Anhängerwährend der Fahrt Ladegutoder einen Ersatzreifen, so ist ein hierauf zurückzuführender Unfall dem Betrieb der Zugmaschine zuzurechnen.[23] Gemäß § 7 Abs. 1 StVG haftet in diesen Fällen auch der Halter des Anhängers.
21
Springt ein Hund nach einem Verkehrsunfall aus dem Kfz und verursacht er hierdurch einen weiteren Unfall, so ist auch dieser Schaden auf den Betrieb des verunfallten Kfz zurückzuführen.[24] War jedoch das Kfz auf einer dem Verkehr nicht dienenden Fläche(z.B. Hofraum) abgestellt und tritt ein Schaden durch ein abzuladendes und entlaufenes Schaf ein, so ist der Schaden nicht beim Betrieb, sondern beim Gebrauch des Kfz eingetreten.[25]
22
Selbst ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion kann dem Betrieb eines Fahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat.[26] Dabei ist nicht erforderlich, dass die vom Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich für ihn als einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden. Die Frage, ob die Ausweichreaktion notwendig oder aber wenigstens subjektiv vertretbar war, ist in den Fällen, in denen es nicht zur Berührung mit einem anderen Kraftfahrzeug gekommen ist, unerheblich.[27]
d) Abgrenzung zwischen Betrieb und Gebrauch eines Kfz
23
Die Gefährdungshaftung des § 7 StVGtritt ein, wenn sich ein Unfall beim Betriebeines Kfz ereignet hat.[28] Weitergehend als der Betriebsbegriff ist der deckungsrechtliche Begriff des Gebrauchs ( A.1.1 AKB2015/2008; § 10 AKB-alt). Der Gebrauch des Fahrzeugs umfasst den Betrieb des Kfz. Für Schäden, die bei Gebrauch, nicht aber beim Betrieb des Kfz bzw. Anhängers eintreten, besteht eine Haftung nur bei Verschulden des Halters aus § 823 BGB bzw. des Fahrers aus §§ 18 StVG, 823 BGB.
24
Unter Gebrauch des Kfzist jeder Vorgang und jede Handlung zu verstehen, die mit dem Verwendungszweck des Kfz oder seiner Einrichtungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Auch der Einsatz des Kfz als Arbeitsmaschinefällt unter den Begriff Gebrauch. Liegt kein Gebrauch des Kfz/Anhängers vor, ist der Versicherer nicht eintrittspflichtig. In diesen Fällen kann Deckung über eine private Haftpflicht- bzw. Betriebshaftpflicht bestehen. Ausführlich zum Gebrauch s. Kap. 16 Rn. 14 ff.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers› I. Gefährdungshaftung› 3. Haftung des Kfz-Halters
3. Haftung des Kfz-Halters
25
Die nachfolgenden Ausführungen zum Halter eines Kfz gelten sinngemäß für den Halter eines Anhängers.
a) Halter i.S.d. § 7 StVG
26
Haltereines Kfz ist, wer das Kfz für eigene Rechnung in Gebrauchhat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die einen solchen Gebrauch voraussetzt.[29] Derjenige hat das Kfz in Gebrauch, der die Nutzung aus dem Betrieb zieht und die Kosten des Betriebes bestreitet. Kosten des Betriebes sind Ausgaben für Steuern und Versicherungen, Treibstoff, Reparaturen, ferner die Abschreibung für Abnutzung und Verzinsung des Anschaffungspreises. Der Umstand, dass ein Kfz auf den Namen einer Person zugelassen und haftpflichtversichert ist, hat für die Frage der Haltereigenschaft keine ausschlaggebende Bedeutung, ebenso nicht das Eigentum[30]. Die Haltereigenschaft endet, wenn dem Halter die tatsächliche Möglichkeit, den Einsatz des Kfz zu bestimmen, also die Verfügungsgewalt, für eine nicht nur vorübergehende Zeit entzogen wird.[31] Der Vater bleibt aber Halter des Gokarts, welches er seinem 9-jährigen Sohn schenkt, wenn er weiterhin die alleinige Verfügungsgewalt darüber ausübt, alle Kosten trägt und bei allen Fahrten des Sohnes dabei ist.[32]
27
Bestreiten mehrere Personen die Betriebskosten, so können sie gemeinsam Haltersein. Die Haltereigenschaft mehrerer kann aber nur dann angenommen werden, wenn bei jedem alle für die Haltereigenschaft wesentlichen Merkmale im Zeitpunkt des Unfalls vorlagen.[33] Benutzen Eheleuteein Kfz zur gemeinsamen Berufsausbildung, so sind beide Halter.[34]
28
Stellt der Fiskus einem Beamtenein behördeneigenes Kfz zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung und erlaubt ihm, dieses auch zu Privatfahrten zu verwenden, können beide Halter sein.[35] Verursacht ein Beamter mit seinem Pkw auf einer „Dienstfahrt“ einen Unfall, so kann er als Halter in Anspruch genommen werden, auch wenn die Haftung aus Amtspflichtverletzung die öffentliche Körperschaft trifft[36].
29
Hält ein Vertretereiner Firma auf eigene Kosten ein Kfz, so ist nur dieser Halter. Anders ist es, wenn die Firma die Kosten trägt[37].
30
Neben dem Vermieterkann der Mieter eines Kfz Halter sein, wenn er es für eigene Zwecke in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt. Kurzfristige Anmietung reicht hierzu nicht aus.[38]
Bei Leasing-Verträgenist i.d.R. wegen langfristiger „Mietzeit“ und fehlender Verfügungsgewalt des Leasinggebers der Leasingnehmer Halter.[39]
31
Bringt der Halter sein Kfz in eine Kfz-Werkstatt, so geht die Haltereigenschaft nicht auf diese über. Für Unfälle anlässlich einer Probefahrt oder während des Abholens oder Zurückbringens des Kfz durch einen Werkstattangehörigen haftet der Halter nach § 7 Abs. 1 StVG, der Fahrer nach § 18 StVG, die Werkstatt u.U. nach § 831 BGB.
32
Übergibt ein Kfz-Händlereinem Kaufinteressenten ein Kfz zur Probefahrt, bleibt er Halter.[40] Das Gleiche gilt bei einer Überführungsfahrt vom Werk zum Kunden, es sei denn, dass der Käufer das Kfz selbst abholt.[41] Ein Gebrauchtwagenhändlerist nicht verpflichtet, bei Aushändigung des Kfz an einen Kaufinteressenten zum Zwecke einer Probefahrt dessen Personalien festzuhalten und zu vermerken. Er kann nicht nach § 823 BGB für die vom Kaufinteressenten verursachten Schäden verantwortlich gemacht werden.[42]
b) Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG
33
Die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst Sach- und Personenschäden. Gemäß § 253 Abs. 2 BGB besteht auch im Rahmen der Halterhaftung (Gefährdungshaftung) ein Anspruch auf Schmerzensgeld (s. Rn. 51). Die Haftung entfällt, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird (s. Rn. 34).
c) Haftung des Halters bei höherer Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG)
34
Nach § 7 Abs. 2 StVG ist die Ersatzpflicht des Halters ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
35
Ziel des Gesetzgebers ist dabei, dass der Halter eines Kfz oder Anhängers unabhängig von Sorgfalts- und damit von Verschuldensgesichtspunkten für die Betriebsgefahr eintreten muss, wie es der Gefährdungshaftung von ihrem Wesen her auch entspricht. Die Ersetzung des unabwendbaren Ereignisses durch höhere Gewalt soll vor allem den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern – insbesondere Kindern – zugutekommen.[43]
Nach der für das Haftpflichtgesetz ergangenen Rechtsprechung ist höhere Gewalt ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.[44] Der Rechtsprechung ist überlassen, ob diese Definition uneingeschränkt auf den Straßenverkehr übertragbar ist und welche Fälle als höhere Gewalt anzusehen sind. Soweit der Begriff der höheren Gewalt eine Sorgfaltskomponente enthält, sind hier höchste Anforderungen zu stellen. Nicht gefordert ist „jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt“ (s. Rn. 326), sondern die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt. Dies bedeutet, dass man im Winter z.B. überall mit Glatteis (Blitzeis) rechnen muss, auch wenn die Straße noch frei erscheint, dass sich ein Fahrer auf Naturgewalten (z.B. Sturm) einstellt, ggf. auf das Fahrzeug als Fortbewegungsmittel verzichtet. Auch mit dem Fehlverhalten anderer, insbesondere mit dem von Kindern, ist stetig zu rechnen.
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