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Bei Bewerbern um Einstellung in ein Wehrdienstverhältnis werden zur Feststellung der Eignung im weiteren Sinne nach Art. 33 Abs. 2 GG die z.B. aus Zeugnissen ableitbare Befähigung und körperliche und geistige Eigenschaften i.d.R. für die Auswahl vorrangig zu berücksichtigen sein. Auf fachl. Leistungen und auf Bewertungen zu charakterlichen Eigenschaften wird mangels dienstl. Vorverwendungen noch nicht zurückgegriffen werden können. Bei Soldaten als Bewerber um eine Ernennung oder Verwendung in einem Wehrdienstverhältnis spielt zur Eignungsfeststellung die umfassende dienstl. Beurteilungder Soldaten die entscheidende Rolle. Sie ist die wesentliche, am Leistungsgrds. ausgerichtete Basis für Personalentscheidungen der Soldaten.
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Ihre ausdrückliche materiellgesetzl. Grundlage findet die dienstl. Beurteilung in § 2 SLV. Nach Auffassung des BVerwG[155] ermächtigte § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV (Fassung 2002) das BMVg nur zum Erlass von Beurteilungsbest., die sich am herkömmlichenBild dienstl. Beurteilungen orientieren. Die Einführung eines – grds. zulässigen – bindenden Richtwertesystems, das grundlegend von der herkömmlichen Konzeption dienstl. Beurteilungen abweiche, bedürfe nach dem Grds. des Vorbehalts des Gesetzes einer normativen, zumindest verordnungsrechtl. Grundlage, aus der sich die wesentlichen Elemente des neuen Systems ergäben. Die BReg hat mit der 2. VO zur Änd. der SLV[156] in § 2 Abs. 5 – 9 SLV eine solche auf Richtwerte bezogene Ermächtigung geschaffen. Zugleich hat sie die zuvor nur rudimentäre Regelung des § 2 SLV durch weitere materiellrechtl. Vorgaben ergänzt[157] und so der Forderung entsprochen, dass die Ausgestaltung eines Rechtsbereichs, der wie das Beurteilungswesen der Bw materiellrechtl. wesentlich von dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG geprägt ist, grds. dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen muss.[158]
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Von der Ermächtigung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SLV hat das BMVg mit der ZDv A-1340/50[159] Gebrauch gemacht. Die Arten der Beurteilungen (insbes. planmäßige Beurteilungen, Sonder- und Laufbahnbeurteilungen), die Grds. und das Verfahren zum Erstellen von Beurteilungen werden in dieser Dienstvorschrift, der einschlägigen Rspr. folgend, ausführlich dargelegt. Auf diese Ausführungen wird grds. verwiesen.
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Der Vorgang des Beurteilens besteht sachlich darin, dass der Beurteiler seine Erfahrungen und Bemühungen mit Bezug auf den Beurteilten zu einem wertenden Ergebnis zusammenfasst.[160] Beurteilungen sollen ein aussagefähiges, aktuelles[161], möglichst objektives Bild der Persönlichkeitund der dienstlichen Eignung, Befähigungund Leistungdes Soldaten abgeben und Möglichkeiten für seine Entwicklungund Ausbildungaufzeigen. Sie sind für die Personalführung nur auswertbar, wenn die Aussagen und Wertungen für alle Soldaten konkret und genügend differenziert sind. Die Auswirkungen von Beurteilungen auf den Werdegang des einzelnen Soldaten stellen die beurteilenden Vorg. in eine besondere Verantwortung. Beurteilen ist eine Führungsaufgabe. Von den beurteilenden Vorg. wird erwartet, dass sie Eignung, Befähigung und Leistung ihrer Soldaten richtig erkennen und sachgerecht, auch im Eignungs- und Leistungsvergleich, bewerten.[162]
aa) Zuständigkeit zur Beurteilung; wichtige Schritte bei der Erstellung der Beurteilung
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Das mil. Beurteilungsverfahren ist im Wesentlichen zweistufig aufgebaut.
Beurteilungen werden grds. von den zum jew. Vorlagetermin zuständigen Vorg.erstellt. Dies sind im Regelfall die nächsten DiszVorg.der zu beurteilenden Soldaten (§ 2 Abs. 3 Satz 1 SLV).
Diese DiszVorg. haben beim Erstellen von Beurteilungen insbes. folgende inhaltl. Schritte einzuhalten:[163]
– |
Darstellung der im Beurteilungszeitraum wahrgenommenen dienstl. Aufgaben und weiteren dienstl. Tätigkeiten. |
– |
Bewertung der Leistungen des Soldaten auf dem im Beurteilungszeitraum wahrgenommenen Dienstposten. |
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Zeichnung eines individuellen Persönlichkeitsprofils des Soldaten anhand von fünf Persönlichkeitsmerkmalen. |
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Zuerkennung von Eignungsstufen für vorgegebene Verwendungsmöglichkeiten; freie Formulierung von Verwendungsvorschlägen für Folgeverwendungen und Verwendungen auf weitere Sicht bzgl. des Soldaten. |
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Stellungnahmen zu Beurteilungen als dienstaufsichtliche Aufgabe[164] geben grds. die zum Vorlagetermin zuständigen nächsthöheren Vorg.ab. Dies sind gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 SLV i.d.R. die nächsthöheren DiszVorg.[165] Sie dürfen als stellungnehmende Vorg. nach § 2 Abs. 8 Satz 1 und 2 SLV einzelfallbezogen Beurteilungen abändern, wenn sie entweder ausreichende eigene Kenntnisse über die beurteilte Person haben bzw. sich verschaffen oder in der Lage sind, die Beurteilung durch die beurteilende Person oder Beiträge Dritter verantwortlich einzuschätzen. Darüber hinaus hat ihnen nach § 2 Abs. 9 SLV das BMVg die Befugnis erteilt[166], alle Beurteilungen oder alle Stellungnahmen zu Beurteilungen aufzuheben, die Vorg. abgegeben haben, in deren Bereich trotz ausreichender Fallzahl verbindliche Richtwerte nicht eingehalten worden sind oder bei nicht ausreichender Fallzahl nicht in geeigneter Weise entspr. differenziert worden ist.
Schließlich haben die nächsthöheren DiszVorg. die Aufgabe, auf der Grundlage der Aussagen und Wertungen in der Beurteilung abschließend das Potenzialder Beurteilten zu beschreiben. Zusätzlich haben sie eine prognostische Einschätzungder künftigen Entwicklungabzugeben.[167]
bb) Rechtsschutz gegen dienstliche Beurteilungen
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Wegen der überragenden Bedeutung der dienstl. Beurteilung als wesentliche Grundlage für Auswahlverfahren zu Ernennungen und Verwendungen und damit für das berufliche Fortkommen der Soldaten ist verständlich, dass Soldaten oftmals nach erfolglosem Beschwerdeverfahren die Gerichte anrufen, um sich gegen ihre Beurteilung zu wehren. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der zu Beurteilende nicht die Rolle eines Beschuldigten eines Sanktionsverfahrens hat, sondern die Beurteilung im Wesentlichen der personellen Leistungsfähigkeit der SK dient[168] – dementsprechend sind die Verfahrensrechte von Beurteiler und Soldat nicht auf Anklage und Verteidigung, sondern wertender Meinungund etwaiger Stellungnahme gerichtet.
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Die dienstl. Beurteilung durch mil. Vorg.ist nach st. Rspr. des 1. WDS des BVerwG eine mit der Wehrbeschwerde anfechtbare truppendienstl. (d.h. im Verhältnis der mil. Über- und Unterordnung ergangene) Maßnahmei.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO.[169] Selbstständig und in gleichem Umfang anfechtbarwie Beurteilungen sind hierzu abgegebene Stellungnahmenhöherer Vorg., wenn sie sich z.B. nicht auf den Beurteilungszeitraum beziehen.[170] Wird die Beschwerde nicht fristgerecht (innerhalb eines Monats, § 6 Abs. 1 WBO) eingelegt[171], erwächst die dienstl. Beurteilung des Soldaten nach st. Rspr. des BVerwG[172] in Bestandskraft, sofern sie nicht ausnahmsweise gem. § 44 VwVfG nichtig ist. Wirkung der Bestandskraft i.d.S. bedeutet neben der formellen Unanfechtbarkeit der Beurteilung mit Rechtsbehelfen auch die materielle (Tatbestands-)Wirkung, dass der von der Bestandskraft erfasste Inhalt der Beurteilung zur Grundlage für andere Entscheidungen, insbesondere im Rahmen von Auswahlverfahren, genommen werden kann. Nach Eintritt der Bestandskraft kann die Beurteilung nur noch durch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG geändert oder aufgehoben werden.[173] Die Bestandskraft der Beurteilung kann auch nicht durch eine inzidente Überprüfung in anderen Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen werden.[174]
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