I. I. Gegenstand der Untersuchung 1 Die Suche nach Grund und Grenzen des Strafrechts ist ebenso zeitlos wie aktuell und bringt seit jeher die unterschiedlichsten Ergebnisse hervor. Naturgemäß werden die Fragen nach der Legitimation des Strafrechts dabei von der gesellschaftlichen Entwicklung beeinflusst, so dass sie nicht nur im Rahmen des „klassischen Kernstrafrechts“ gestellt werden, sondern darüber hinaus stets aktuelle Bedeutung erlangen. So sind es auch und gerade die hochkomplexen Strukturen der Wirtschaftsordnung, die sowohl das Selbstverständnis als auch die Wahrnehmung des Strafrechts oftmals zweifelhaft und sein Potential zur Verhaltenssteuerung nicht selten fraglich erscheinen lassen. 2 Die Bildung des Begriffs eines Marktwirtschaftsstrafrechts mag befremdlich wirken, erfreut sich doch „das Wirtschaftsstrafrecht“ seit mehreren Jahrzehnten nicht nur wachsender gesellschaftlicher Bedeutung, sondern bildet auch den Bereich des Sanktionen auferlegenden Rechts, der wohl der stärksten Kritik unterworfen ist. Dabei werden oft am Einzelfall zunächst die richterliche Entscheidung, dann prozessuale Unzulänglichkeiten und letztlich grundlegende konzeptionelle Mängel im System des (Wirtschafts-)Strafrechts gerügt. Die entsprechenden Äußerungen erfolgen regelmäßig in Momenten großer öffentlicher Erregung und rein punktuell, weshalb es nach Kurzem zu einem Nachlassen des Entsetzens in der breiten Öffentlichkeit kommt. Bisweilen entsteht überdies der Eindruck, dass das Strafrecht Wirtschaftsstraffälle gern selbst derartig handhaben und allein der wirtschaftlichen Selbstregulierung überlassen würde. Abseits der oft unsachlichen medialen Diskussionen zeigt dies aber nur, wie schwer der Strafrechtswissenschaft ein angemessener Umgang mit dem Wirtschaftsstrafrecht fällt. Schwierigkeiten werden jedoch nicht erst in streitbaren Einzelfallentscheidungen, strafprozessualen Hindernissen, Problemen bei der Schaffung neuer Tatbestände oder der Diskussion um die Einordnung bestimmter Normen in das Strafgesetzbuch ersichtlich. Viel schwerwiegender, weil das Wirtschaftsstrafrecht erheblich lähmend, ist die noch immer bestehende und weitreichende Unklarheit seines dogmatischen Fundaments. Der Jahrzehnte währende Kampf um die Klärung des Begriffs selbst und der stete Versuch, dem Rechtsgutsbegriff Herr zu werden, machen letztlich nur deutlich, dass es die grundlegenden Überlegungen sind, die im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zunächst zu Ende oder besser zu einem neuen Anfang geführt werden müssen. Teil 1 Einführung › II. Ziel der Untersuchung
Gegenstand der Untersuchung I. Gegenstand der Untersuchung 1 Die Suche nach Grund und Grenzen des Strafrechts ist ebenso zeitlos wie aktuell und bringt seit jeher die unterschiedlichsten Ergebnisse hervor. Naturgemäß werden die Fragen nach der Legitimation des Strafrechts dabei von der gesellschaftlichen Entwicklung beeinflusst, so dass sie nicht nur im Rahmen des „klassischen Kernstrafrechts“ gestellt werden, sondern darüber hinaus stets aktuelle Bedeutung erlangen. So sind es auch und gerade die hochkomplexen Strukturen der Wirtschaftsordnung, die sowohl das Selbstverständnis als auch die Wahrnehmung des Strafrechts oftmals zweifelhaft und sein Potential zur Verhaltenssteuerung nicht selten fraglich erscheinen lassen. 2 Die Bildung des Begriffs eines Marktwirtschaftsstrafrechts mag befremdlich wirken, erfreut sich doch „das Wirtschaftsstrafrecht“ seit mehreren Jahrzehnten nicht nur wachsender gesellschaftlicher Bedeutung, sondern bildet auch den Bereich des Sanktionen auferlegenden Rechts, der wohl der stärksten Kritik unterworfen ist. Dabei werden oft am Einzelfall zunächst die richterliche Entscheidung, dann prozessuale Unzulänglichkeiten und letztlich grundlegende konzeptionelle Mängel im System des (Wirtschafts-)Strafrechts gerügt. Die entsprechenden Äußerungen erfolgen regelmäßig in Momenten großer öffentlicher Erregung und rein punktuell, weshalb es nach Kurzem zu einem Nachlassen des Entsetzens in der breiten Öffentlichkeit kommt. Bisweilen entsteht überdies der Eindruck, dass das Strafrecht Wirtschaftsstraffälle gern selbst derartig handhaben und allein der wirtschaftlichen Selbstregulierung überlassen würde. Abseits der oft unsachlichen medialen Diskussionen zeigt dies aber nur, wie schwer der Strafrechtswissenschaft ein angemessener Umgang mit dem Wirtschaftsstrafrecht fällt. Schwierigkeiten werden jedoch nicht erst in streitbaren Einzelfallentscheidungen, strafprozessualen Hindernissen, Problemen bei der Schaffung neuer Tatbestände oder der Diskussion um die Einordnung bestimmter Normen in das Strafgesetzbuch ersichtlich. Viel schwerwiegender, weil das Wirtschaftsstrafrecht erheblich lähmend, ist die noch immer bestehende und weitreichende Unklarheit seines dogmatischen Fundaments. Der Jahrzehnte währende Kampf um die Klärung des Begriffs selbst und der stete Versuch, dem Rechtsgutsbegriff Herr zu werden, machen letztlich nur deutlich, dass es die grundlegenden Überlegungen sind, die im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zunächst zu Ende oder besser zu einem neuen Anfang geführt werden müssen. Teil 1 Einführung › II. Ziel der Untersuchung
II. Ziel der Untersuchung
III. Gang der Untersuchung
Teil 2 Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts
I. Versuche einer Bestimmung des materiellen Verbrechensbegriffs
1. Verletzung eines subjektiven Rechts
2. Verbrechen als Interessenverletzung
3. Sozialschädlichkeitslehre
4. Lehre vom Vertrauensschutz
5. Normgeltungslehre
6. Kumulationsdelikte
7. Verhaltensdelikte
8. „Harm Principle“ und „Offence Principle“
9.Rechtsgutslehre
a) Begriff des Rechtsguts
b) Kollektive und mediatisierte Zwischenrechtsgüter
c) Personale Rechtsgutslehre
d) Defizite der Rechtsgutslehre
e) Gegenwärtige Lage des Rechtsguts im Wirtschaftsstrafrecht
II. Rechtsgutsbegriff als hemmender Faktor des Wirtschaftsstrafrechts
1. „Rechtliche“ Funktion des Rechtsgutsbegriffs
a) Schutz der Wirtschaft
b) Schutz der Wirtschaftsordnung
c)Schutz der Sozialen Marktwirtschaft
aa) Wettbewerb als Grundstein der Wirtschaftsordnung
bb) Soziale Komponente
cc) Schutzfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft
2. „Vorstrafrechtliche“ Funktion des Rechtsguts
3. Regel als Strafwürdigkeitskriterium
III. Regelmodell des Marktwirtschaftsstrafrechts
1. Grundzüge des Regelmodells
2. Regeln als Ausdruck gesellschaftlicher Wert- und Verhaltensvorstellungen
3. Regeln der Sozialen Marktwirtschaft
4. Voraussetzungen des Regelsystems
5. Reaktion auf Regelverletzungen
6. Affirmation marktwirtschaftlicher Regeln
IV. Umfang des Marktwirtschaftsstrafrechts
1. Abhängigkeit vom Wirtschaftssystem und Verortung in der Rechtsordnung
2.Legitimierbare Delikte
a) Tatbestand allgemeiner Wirtschaftsschädigung
b) Spezielle Deliktsgruppen
V. Zusammenfassung
Teil 3 Funktion des Marktwirtschaftsstrafrechts
I. Verhaltenssteuerung durch Strafrecht
1. Funktionen des Rechts
2. Grundzüge der sozialen Kontrolle
3. Strafrecht als Teilbereich der sozialen Kontrolle
4. Grundlagen der Verhaltenssteuerung
5. Verhaltenssteuerung durch Anreize
6. Steuerung der Wirtschaft
a) Historische Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts
b) Strafrecht und Wirtschaft in der Gegenwart
aa) Ausdehnung strafrechtlicher Steuerung
bb) Bestrebungen nach ökonomischer Selbstregulierung
cc) Positionierung eines modernen Wirtschaftsstrafrechts
c) Generalpräventive Anknüpfung des Wirtschaftsstrafrechts
II. Verhaltenssteuernde Funktion des Marktwirtschaftsstrafrechts
1. Theorie des psychologischen Zwangs
a) Begriff der Strafe
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