40
Nach zutreffender Ansicht ist § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG lex specialis zu § 160 AO, weil letztere Vorschrift abziehbare Betriebsausgaben gerade voraussetzt.[79] Deshalb muss nach der Systematik des Gesetzes zuerst geprüft werden, ob es sich um Betriebsausgaben handelt, die nicht abgezogen werden dürfen, weil die Zuwendung ein Strafgesetz erfüllt. Da das im Einzelfall schwierige Ermittlungen einer Korruptionsstraftat voraussetzt, geht die Finanzbehörde oft verfahrensökonomisch vor und wendet in Zweifelsfällen § 160 AO an, ohne vorher die Voraussetzungen des Abzugsverbots geprüft zu haben. Aus verfahrensökonomischen Gründen ist dies nachvollziehbar, weil die Finanzbehörde mit der Feststellungslast der Nichtabziehbarkeit wegen eines Korruptionsdelikts belastet ist.[80]
III. Umsatzsteuerhinterziehung
41
Die Geltendmachung von Vorsteuern für Leistungen setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Rechnung voraus. Liegt diese nicht vor oder handelt es sich um eine Scheinrechnung, ist ein Vorsteuerabzug nicht zu gewähren und die Geltendmachung mit unrichtigen Angaben bzw. unter Vorlage einer Scheinrechnung eine (versuchte) Steuerhinterziehung. Dem Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1a UStG unterfallen die Vorteilszuwendungen dagegen nicht, weil § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG in dem genannten Katalog nicht enthalten ist. Das beruht auf Art. 176 MwStSysRL, die vorsieht, dass nur Ausgaben ausgeschlossen werden, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben.
D. Steuerstrafverfahren
42
Im Steuerstrafverfahren stehen der Finanzbehörde die Aufgaben und Befugnisse nach § 386 Abs. 1 S. 2 AO zu, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt oder zugleich andere Strafgesetze verletzt und deren Verletzung Kirchensteuer oder andere öffentlich-rechtliche Aufgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen oder Steuerbeträge anknüpfen. Damit der Steuerhinterziehung durch Geltendmachung von Betriebsausgaben entgegen § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG grundsätzlich eine Strafbarkeit eines Korruptionsdelikts einhergeht, bleibt es bei der allgemeinen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, die sich dann auch auf die Steuerstraftat bezieht. Die Finanzbehörde nimmt in diesen Verfahren die Rolle der Ermittlungsbeamten ein.
II. Durchbrechung des Steuergeheimnisses durch Mitteilungspflichten
43
Die Finanzbehörde verfügt über ein beträchtliches Wissen über die wirtschaftlichen und zum Teil auch persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen, wobei die gesammelten Erkenntnisse zu einem wesentlichen Teil von den Steuerpflichtigen selbst herrühren, da sie nach § 90 Abs. 1 S. 1, 2 AO zur Mitwirkung verpflichtet sind. Das kann aber nicht zur Abschwächung des Schutzes der Daten führen, auch nicht, wenn der Steuerpflichtige die Angaben gemacht hat, um eine Besserstellung, beispielsweise eine Steuerbefreiung oder Minderung seiner Steuerschuld zu bewirken.[81] § 30 AOschützt diese Informationen vor unbefugter Weitergabe, auch wenn sie sich auf Straftaten beziehen. § 355 StGB sichert die Einhaltung des Verbots der Offenbarung und Verwertung auch strafrechtlich ab.
44
Lückenlos ist der Schutz jedoch nicht, weil § 30 Abs. 4–6 AO Mitteilungspflichtenenthält, die auch bei Korruptionssachverhalten einschlägig sein können. Bei Korruptionssachverhalten bestehen konkurrierende Mitteilungspflichten und -befugnisse.[82] Zum einen enthält § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 3 AO eine originäre Mitteilungspflicht.[83] Da die Geltendmachung nicht abzugsfähiger Zuwendung unter unrichtiger Angabe ihrer Natur als andere Betriebsausgaben auch eine Steuerstraftat darstellt, ist auch die Mitteilungspflicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO i.V.m. § 10 BpO begründet, die aber neben der erstgenannten kaum einen eigenständigen Anwendungsbereich hat. Umstritten ist, ob eine Mitteilungspflicht nur besteht, wenn die Zuwendung unrichtig als Betriebsausgabe geltend gemacht worden ist. Richtigerweise ist das abzulehnen.[84]
[1]
Schmidt CCZ 2012, 121.
[2]
Spatscheck NJW 2006, 641.
[3]
Schmidt CCZ 2012, 121.
[4]
Schmidt CCZ 2012, 121.
[5]
Graf/Jäger/Wittig/ Rolletschke Wirtschaftsstrafrecht, § 370 AO Rn. 41; Joecks /Jäger/Randt § 370 AO Rn. 173.
[6]
Siehe aber auch MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO, Rn. 228, die darauf hinweisen, dass die konkludente Täuschung gerade wegen des formalisierten Verfahrens und der dadurch bedingten verkürzten Darstellungsweise von erheblicher Bedeutung ist.
[7]
Gehm S. 64.
[8]
BGH wistra 1987, 139, 142, NJW 2009, 2549, 2547.
[9]
Graf/Jäger/Wittig/ Rolletschke § 370 AO Rn. 19.
[10]
Differenzierend für Nr. 1 und Nr. 2 MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 16.
[11]
Graf/Jäger/Wittig/ Rolletschke § 370 AO Rn. 33.
[12]
MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 246.
[13]
BGH wistra 2000, 137.
[14]
Harms Stbg 2015, 12, 14.
[15]
MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 246.
[16]
MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 325.
[17]
Graf/Jäger/Wittig/ Rolletschke § 370 AO Rn. 52.
[18]
Ausführlich dazu MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 81.
[19]
Beckemper NStZ 2002, 518, 519; Blesinger wistra 2009, 294, 295; Hellmann FS Achenbach, S. 141, 149.
[20]
Klein/ Jäger § 370 AO Rn. 85.
[21]
Siehe aber zu einer Steuerverkürzung außerhalb des Festsetzungsverfahrens Klein/ Jäger § 370 AO Rn. 85.
[22]
MK-StGB/ Schmitz/Wulf § 370 AO Rn. 13.
[23]
Graf/Jäger/Wittig/ Bülte § 370 AO Rn. 352; Brüning FS Samson, S. 537, 544.
[24]
Klein/ Jäger § 370 AO Rn. 120; Joecks /Jäger/Randt § 370 AO Rn. 136.
[25]
Klein/ Jäger § 370 AO Rn. 130 ff.
[26]
BGH wistra 1982, 199; 1984, 183.
[27]
Klein/ Jäger § 370 AO Rn. 131, 139.
[28]
Zu der gesetzgeberischen Begründung ausführlich Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Bülte § 376 AO Rn. 8 ff.
[29]
Erbs/Kohlhaas/ Hadamitzky/Senge § 370 AO Rn. 41.
[30]
Erbs/Kohlhaas/ Hadamitzky/Senge § 370 AO Rn. 40.
[31]
Klein/ Ratschow § 40 Rn. 2; Koenig 3. Aufl. 2014, § 40 AO Rn. 15.
[32]
BGH NJW 1981, 1457; BFH NJW 2000, 2918.
[33]
Spatscheck NJW 2006, 641, 642.
[34]
BGH NStZ-RR 2004, 242.
[35]
Rotsch/ Beckemper § 12 Rn. 78; Spatscheck NJW 2006, 641, 642.
[36]
Klein/ Ratschow § 30 AO Rn. 1.
[37]
BGBl I 1995, 1250.
[38]
BGBl I 1999, 402.
[39]
Vgl. hierzu auch FG Köln NZWiSt 2012, 434; krit. zur Neuregelung Park DStR 1999, 1097, 1099 f.; Pelz WM 2000, 1567 ff.
[40]
Stapf DB 2000, 1092; Quedenfeld StraFo 1999, 253, 259; Dannecker/Leitner /Dannecker S. 159, 200.
[41]
Bürger DStR 2003, 1421 zu Zuwendungen an den Geschäftsführer und die Tatbestandsmäßigkeit nach § 299 StGB und das daraus folgende Abzugsverbot.
[42]
Spatscheck NJW 2006, 641, 644.
[43]
Dannecker/Leitner /Dannecker S. 159, 201.
[44]
Spatscheck NJW 2006, 641, 643 f.
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