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Die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Auswirkungen einer entdeckten Korruption müssen deshalb von Anfang an im betroffenen Unternehmens berücksichtigt werden.[3] Die Aufklärung begangener Straftaten darf sich nicht nur auf das Korruptionsdelikt beschränken, sondern es sind auch die dabei regelmäßig mitverwirklichten Steuerhinterziehungen in die Untersuchungen einzubeziehen.
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In einigen Fällen kann noch eine Selbstanzeige(§ 371 AO) abgegeben werden, die aber zügig erfolgen muss. Die Untätigkeit trotz der Aufdeckung einer vorangegangenen Bestechung kann aber sogar zu weiteren Straftaten führen. Selbst wenn die Unternehmensleitung weder von dem Bestechungsdelikt noch von der Steuerhinterziehung zum Tatzeitpunkt Kenntnis hatte, ist sie nach Entdeckung in der steuerlichen Pflicht, durch eine Berichtigung der Steuererklärung (§ 153 AO) tätig zu werden. Unterlässt sie dies, kommt eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Steuerhinterziehung durch Unterlassen in Betracht.[4]
B. Materielles Steuerstrafrecht
I. Grundlagen des § 370 AO
1. Täuschung über Besteuerungsgrundlagen
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Die Steuerhinterziehung kann durch unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begangen werden oder durch In-Unkenntnis-lassen der Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
a) Steuerhinterziehung durch unrichtige oder unvollständige Tatsachenangaben
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Die Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht im Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber einer Finanzbehörde oder einer anderen Behörde. Der Steuerpflichtige macht Angaben, wenn er durch ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten etwas bekundet,[5] wobei überwiegend aufgrund des formalisierten Verfahrens eine ausdrückliche Erklärung gemacht wird.[6] Entscheidend ist, dass die Angaben steuerlich erheblich sind.[7] Wegen der damit hergestellten Verknüpfung zum Steuerrecht betrachtet die h.M. § 370 AO als Blanketttatbestand.[8] Allerdings werden z.T. auch Einschränkungen gemacht. Teile der Literatur räumen ein, die Steuerhinterziehung sei kein Blankettstrafgesetz im klassischen Sinn, sondern habe nur Blankettcharakter.
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Nach zutreffender Ansicht ist die Steuerhinterziehung dagegen ein vollständiger Tatbestand und das Merkmal der steuerlichen Erheblichkeit ein normatives Tatbestandsmerkmal.[9] Der Steuerhinterziehungstatbestand bedarf also keiner Ergänzung durch das Steuerrecht, sondern beschreibt die Tathandlungen und den Taterfolg vollständig. Die Steuerpflicht und der Steueranspruch sind zwar für die Tathandlungen und für den Taterfolg relevant, das Steuerrecht füllt den Tatbestand deshalb aber nicht aus.[10]
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Umstritten ist, ob Angaben unrichtig sind, die zwar unter Zugrundelegung einer bestimmten Rechtsauffassung nichtzutreffend sind, bei Anwendung einer anderen Ansicht aber korrekt wären. Diese Frage spielt allgemein im Unternehmenssteuerrecht aufgrund der Komplexität des Steuerrechts eine zunehmend große Rolle. Zum Teil wird vorgeschlagen, auf den Empfängerhorizont der Finanzbehörde abzustellen, der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmt wird.[11] Eine unrichtige Angabe läge danach vor, wenn die Erklärung bei Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den konkreten Steuerfall mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt und der Steuerpflichtige nicht kenntlich macht, dass er seiner Erklärung eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat. Andere halten eine Erklärung, der irgendeine vertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt, dagegen für zutreffend.[12] Der BGH geht insoweit einen Mittelweg, als er es dem Steuerpflichtigen frei stellt, jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen. Er muss aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vortragen und es dem Finanzamt dadurch ermöglichen, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen.[13] Der Steuerpflichtige muss daher darauf hinweisen, welche Rechtsauffassung er zugrunde legt, wenn er von der Ansicht abweicht, welche die Finanzämter bekanntermaßen vertreten. Trotz der allgemeinen Bedeutung dieser Rechtsprechung für unternehmensbezogene Steuern ist der Anwendungsbereich in Korruptionsfällen wohl eher klein, da die Rechtslage hier wenig auslegungsbedürftig ist.
b) Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges In-Unkenntnis-lassen der Finanzbehörde, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
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Steuerhinterziehung kann auch durch Unterlassen begangen werden. Dies ist ein übliches Charakteristikum strafrechtlicher Tatbestände, die durch die Anwendung des § 13 StGB zu unechten Unterlassungsdelikten werden. Deshalb kann § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO durch Unterlassenbegangen werden, wenn die erforderliche Garantenstellungvorliegt.
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§ 370 AO enthält aber mit Abs. 1 Nr. 2 einen eigenständigen Tatbestand, der das Unterlassen einer Steuererklärung unter Strafe stellt. Es handelt sich dabei – anders als bei Nr. 1 – um ein Sonderdelikt, weil nur derjenige, der im konkreten Fall verpflichtet ist, der Finanzbehörde die steuerlich erheblichen Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, tauglicher Täter ist.[14] Das Nebeneinander der beiden Alternativen hat zu dem – eher akademischen – Streit geführt, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.[15] Der Disput soll an dieser Stelle nicht aufgegriffen werden, sondern es sei lediglich der Hinweis gegeben, dass nach h.M. § 370 Abs. 1 Nr. 2 in der im Wirtschaftsstrafrecht so wichtigen Konstellation Anwendung findet, in der die Unternehmensleitung erst nach der bereits vollendeten Steuerhinterziehung von ihr erfährt und nach § 153 AO verpflichtet ist, die Angaben zu berichtigen.[16] Das Unterlassen der steuerlichen Berichtigungspflicht ist eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.[17]
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Pflichtwidrig handelt, wer eine Rechtspflicht zur Offenbarungsteuerlich erheblicher Tatsachen verletzt. Solche Pflichten ergeben sich i.d.R. aus den allgemeinen Vorschriften der AO und/oder den Einzelsteuergesetzen. Körperschaften haben nach § 137 AO den Finanzbehörden und den für die Erhebung der Realsteuern zuständigen Gemeinden ihre Gründung und den Erwerb der Rechtsfähigkeit mitzuteilen. Nach § 149 AO i.V.m. § 31 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG sind sie verpflichtet, eine Steuererklärung über ihren Gewinn einzureichen.
2. Taterfolge der Steuerhinterziehung
a) Verhältnis von Steuerverkürzung und ungerechtfertigter Steuervorteil
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§ 370 AO erfordert den Eintritt eines der beiden in § 370 Abs. 1 AO genannten Taterfolge namentlich entweder eine Steuerverkürzung oder die Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils. Die Abgrenzung der beiden unterschiedlichen Taterfolge ist unklar und umstritten.[18] Die steuerrechtliche Terminologie hilft hier nicht weiter. Den Begriff des Steuervorteils verwendet die AO nur im Zusammenhang mit Rechtsfolgen, die sich aus dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerhinterziehung ergeben (§§ 70, 71, 150 Abs. 6 Nr. 5, 235 Abs. 2 AO), bzw. in Regelungen, die selbst steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechtlicher Natur sind (§§ 371 Abs. 3, 379, 398 AO). Anhaltspunkte für die Abgrenzung lassen sich nur der gesetzlichen Legaldefinition der Steuerverkürzung in § 370 Abs. 4 AO entnehmen. Danach sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Die zutreffende Ansicht entnimmt dieser Formulierung, dass eine Steuerverkürzung und ein ungerechtfertigter Steuervorteil nach dem Verfahrensstandvoneinander abzugrenzen sind, in denen die Besserstellung des Steuerpflichtigen eintritt. Eine Steuerverkürzung liegt danach immer nur im Festsetzungsverfahren vor, während alle gewährten Vorteile außerhalb davon als ungerechtfertigte Steuervorteile zu qualifizieren sind.[19]
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