25
Soweit die EU Regelungen im Bereich der Handelspolitik durch Verordnungentrifft, handelt es sich hierbei nach Art 288 AEUV um unmittelbar anwendbares, für alle Bürger verbindliches Recht. Der Rat und das Parlament können die Kommission nach Art 290 AEUV ermächtigen, Delegierte Verordnungenzur Ausfüllung, Ergänzung oder Änderung nicht wesentlicher Gesichtspunkte sowie zu Detailregelungen zu erlassen, die in diesem Umfang ebenfalls unmittelbar anwendbar sind.
26
Hingegen entfalten Richtlinienkeine unmittelbaren Rechtswirkungen für die Bürger, sondern verpflichten lediglich die Mitgliedstaaten, diese in nationales Recht umzusetzen. Gleichwohl sind Richtlinien auch schon vor deren Umsetzung bei der Auslegung nationalen Rechts zu berücksichtigen.
27
Beschlüssedes Rats im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) nach Art 31 EUV binden ebenfalls lediglich die Mitgliedstaaten und bedürfen der jeweiligen Umsetzung in nationales Recht.
2. Aus- und Einfuhrfreiheit
28
Die Rechtsakte der EU, die Regelungen auf den Bereich des Außenwirtschaftsrechts im engeren oder im weiteren Sinne enthalten, sind zwischenzeitlich unübersehbar. Im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik hat die Union durch die Gemeinsame Ausfuhrregelung in VO (EU) Nr 2015/479[17] den Grundsatz der Ausfuhrfreiheitbetont und festgelegt, dass Lieferungen nach dritten Ländern keinen mengenmäßigen Beschränkungen unterworfen sind. Allerdings kann die EU Schutzmaßnahmen nach Kap III dieser Verordnung ergreifen, wenn einer durch einen Mangel an lebenswichtigen Güter bedingten Krisenlage vorgebeugt oder entgegengewirkt werden soll oder wenn dies erforderlich ist, damit die Union oder ihre Mitgliedstaaten internationale Verpflichtungen erfüllen können. Von dieser Ermächtigung wurde während der Corona-Pandemie in Bezug auf persönliche Schutzausrüstung durch DurchführungsVO 2020/402 und 2929/568, jeweils zeitlich begrenzt auf einen Zeitraum von 30 Tagen Gebrauch gemacht.
29
In vergleichbarer Weise enthält Art 1 Abs 2 der VO (EU) Nr 2015/478[18] den Grundsatz der Einfuhrfreiheit. Danach unterliegt die Einfuhr von Waren mit Ursprung aus einem Drittland keinen mengenmäßigen Begrenzungen. Davon ausgenommen sind nach Art 1 Abs 1 VO (EU) Nr 2015/478 Textilwaren, die unter die spezifische Einfuhrregelung der VO (EG) Nr 517/94 fallen, sowie Waren mit Ursprung in bestimmten Drittländern, die in VO (EG) Nr 625/2009 aufgeführt sind. Gleichzeitig sieht die Verordnung Überwachungs- und Schutzmaßnahmen vor, wenn Waren in derart erhöhten Mengen oder Bedingungen in den Binnenmarkt eingeführt werden, dass eine bedeutende Schädigung für Unternehmen entsteht oder zu entstehen droht. Insbesondere können in diesem Fall Einfuhrkontingente festgesetzt werden.
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Von der Einfuhrfreiheit ausgenommen sind bestimmte Textilwaren mit Ursprung in Drittländern, soweit es sich nicht um WTO-Mitgliedstaaten handelt und auch keine bilateralen Selbstbeschränkungsabkommen bestehen. Hierdurch soll die Textilindustrie in der EU geschützt werden. Ausgenommen sind ferner nach der VO (EG) Nr 519/94 Waren aus den früheren Staatshandelsländern der ehemaligen Sozialistischen Sowjetrepubliken und Chinas. Mit dem WTO-Beitritt Chinas und bilateraler Handelsabkommen hat die Bedeutung der Einschränkung deutlich abgenommen.
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Der Außenwirtschaftsverkehr ist eng mit dem Zollrecht verknüpft, da für Ausfuhren aus und für Einfuhren von Waren in die Union Zollanmeldungen abzugeben und Waren zu gestellen sind und sich das Ausfuhr- und das Zollverfahren insoweit überschneiden. In der VO (EG) Nr 428/2009 (Dual-Use-VO) sowie in den Vorschriften des AWG und der AWV wird vielfach auf zollrechtliche Verfahren Bezug genommen. Trotz der Parallelen und der verfahrensmäßigen Überlappung sind weder die Begrifflichkeiten identisch noch die Verfahren deckungsgleich. Die Modernisierung des Zollkodex durch den Unionszollkodex hat zwar zu einer stärkeren Angleichung zwischen Außenwirtschafts- und Zollrecht geführt, gleichwohl bleiben nicht unbeträchtliche Unterschiede erhalten. So wurde der dem Begriff des Ausführers zwar immer mehr angeglichen,[19] gleichwohl sind die Unterschiede weiterhin so beträchtlich, dass in nach § 12 Abs 3 S 3 AWV bei Ausfuhranmeldungen die Angabe des ausfuhrrechtlichen Ausführers erforderlich ist, wenn dieser vom zollrechtlichen Ausführer abweicht.
32
Regelungen über Güter mit doppelten Verwendungszweck(Dual-Use-Güter), dh solchen, die sowohl zur zivilen als auch zur militärischen Zwecken eingesetzt werden können, wurden erstmals durch die VO (EG) Nr 3381/94 getroffen und betrafen die Ausfuhr derartiger Güter aus dem Gemeinschaftsgebiet sowie die Verbringung nach anderen EG-Mitgliedstaaten. Öffnungsklauseln ermöglichten es den Mitgliedstaaten, nationale Sonderregelungen zu treffen.
33
Zum 28.9.2000 wurde die Dual-Use-VO durch die VO (EG) Nr 1334/2000 ersetzt und dem damals bestehenden hohen deutschen Kontrollniveau angenähert.[20] Geregelt waren weiterhin die Ausfuhr und das Verbringen von Dual-Use-Gütern, jedoch wurde unter Ausfuhr auch die Übertragung von Software oder Technologie mittels elektronischer Medien, Telefax oder Telefon mit erfasst. Weiterhin waren nationale Sonderregelungen möglich.
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Am 27.8.2009 trat die auch heute noch gültige Dual-Use-VO (VO (EG) Nr 428/2009) in Kraft. Sie enthält Regelungen über die Ausfuhr, die Verbringung, die Vermittlung und die Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Für die Ausfuhr von in Anh I der Dual-Use-VO aufgeführten Waren besteht grundsätzlich eine Genehmigungspflicht; Ausnahmen bestehen lediglich hinsichtlich der in Anhang IIa gelisteten Güter für die Ausfuhr in bestimmte privilegierte sichere Drittstaaten, namentlich Australien, Japan, Kanada, Liechtenstein, Neuseeland, Norwegen, Schweiz und die Vereinigten Staaten. Nach Art 4 Abs 5 und Art 8 Dual-Use-VOkönnen Mitgliedstaaten in den dort genannten Grenzen hinausgehend nationalstaatliche Regelungen treffen, hinsichtlich derer jedoch eine Notifizierung erforderlich ist. Im Geltungsbereich der Dual-Use-VO ist jedoch ein Rückgriff auf die allgemeine Ausfuhr-VO nicht möglich.[21]
35
Die Dual-Use-VO nimmt insbesondere bei Begriffsdefinitionen in Art 2 auf Bestimmungen des Zollkodex in der Fassung der VO (EWG) Nr 2913/92 Bezug. Dieser ist zwischenzeitlich durch den Unionszollkodex (VO (EU) Nr 952/2013) ersetzt. Die Neuregelungen des Unionszollkodex sind zwar inhaltlich vielfach, jedoch nicht völlig deckungsgleich mit denen des außer Kraft getretenen Zollkodex. Eine Anpassung der Dual-Use-VO an den seit 1.5.2016 vollständig in Kraft getretenen Unionszollkodex ist bislang noch nicht erfolgt. Allerdings bestimmt Art 286 Abs 3 UZK, dass Bezugnahmen auf den außer Kraft getretenen Zollkodex als Bezugnahmen auf den UZK nach der Entsprechungstabelle zu lesen sind.
36
Am 28.9.2016 hatte die Kommission einen Vorschlag zu einer Neufassung der Dual-Use-VOveröffentlicht.[22] Neben einer Modernisierung zentraler exportkontrollrechtlicher Begriffsdefinitionen sollten Beschränkungen für technische Unterstützung erstmals auf europäischer Ebene neu geregelt, Beschränkung für Überwachungssoftware und Technologie aufgenommen und verwendungsbezogene sowie weitere Beschränkungen im Falle der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen bzw terroristischer Aktivitäten eingeführt werden. Daneben sah der Vorschlag vor, dem Ausführer Due Diligence-Pflichten hinsichtlich der beabsichtigten Verwendung von Gütern durch den Empfänger aufzuerlegen und die Bedeutung interner Compliance-Systeme zu stärken. Wegen des Widerstands verschiedener Mitgliedstaaten kam es jedoch zu keiner Einigung.
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