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Herkömmlicherweise wird zwischen dem Außenwirtschaftsrecht im engeren und dem im weiteren Sinne unterschieden. Das Außenwirtschaftsrecht im engeren Sinneumfasst die Regelungsmaterien des AWG, der AWV und der korrespondierenden unionsrechtlichen Vorschriften.[2] Dies betrifft die Beschränkung oder Regulierung des grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehrs, vornehmlich zum Schutz von sicherheits- und außenpolitischen, aber auch militärischen Belangen, insbesondere zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation), aber auch zur Verhinderung der unkontrollierten Verbreitung konventioneller Rüstungsgüter, sowie dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Weitere Schutzgüter des Außenwirtschaftsrechts sind die einheimische Wirtschaft, die Sicherung lebenswichtiger Bedarfsdeckung im Inland und sonstige wirtschaftspolitische Belange. Das Außenwirtschaftsrecht ist damit stärker als andere Rechtsmaterien politisches Recht.
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Dem Außenwirtschaftsrecht im weiteren Sinnewerden die Regelungskomplexe zugeordnet, die außerhalb des AWG und der AWV geregelt sind, namentlich Restriktionen aus Gründen des Natur- und Artenschutzes, des Kulturgüterschutzes sowie zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung,[3] aber auch Regelungen mit statistischem Hintergrund, beispielsweise die Meldepflichten im Zahlungs- und Kapitalverkehr. Zum Außenwirtschaftsrecht im weiteren Sinne ist daher auch das Marktordnungsrecht zu zählen.
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Obgleich Vorschriften des Zoll- und Steuerrechts ebenfalls Reglementierungen des Außenwirtschaftsverkehrs zur Folge haben, werden sie üblicherweise nicht zum Außenwirtschaftsrecht gezählt.[4] Denn hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Abgabenrecht, da diese Bestimmungen vornehmlich, wenngleich auch nicht ausschließlich, der Erzielung von Staatseinnahmen dienen. Lediglich bei der Erhebung von Antidumping-Zöllen steht die Regulierung des Wirtschaftsverkehrs im Vordergrund.
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Die Systematisierung des Außenwirtschaftsrechts wird jedoch dadurch erschwert, dass eine Vielzahl von Rechtsakten der Europäischen Union Regelungen enthalten, die auch Beschränkungen des grenzüberschreitenden Warenhandels zur Folge haben, auch wenn vorrangig andere Regelungszwecke erreicht werden sollen. Zudem enthält eine Vielzahl sonstiger Gesetze Regelungen, die neben Inlandssachverhalten auch die Aus-, Ein- oder Durchfuhr von Waren betreffen.
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Wenngleich das Außenwirtschaftsrecht im Wesentlichen grenzüberschreitende Rechtsgeschäfte oder Handlungen betrifft, können auch reine Inlandssachverhalte davon umfasst sein, wie die Veräußerung von Waren im Inland an einen Nicht-Inländer (so zB bei § 2 Abs 2 S 2 AWG) oder im Bereich der personenbezogenen Embargos und Sanktionen.
II. Grundsatz der Außenwirtschaftsfreiheit
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Sowohl das deutsche als auch das europäische Recht gehen vom Grundsatz der Außenwirtschaftsfreiheitaus. Nach § 1 Abs 1 S 1 AWGist der Waren-, Dienstleistungs-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit fremden Wirtschaftsgebieten sowie der Verkehr mit Auslandswerten und Gold zwischen Gebietsansässigen grundsätzlich frei. Obwohl die Außenwirtschaftsfreiheit unionsrechtlich nicht als Grundfreiheit ausgestaltet ist,[5] wird sie sekundärrechtlich durch Art 1 VO (EU) Nr 2015/479 über eine gemeinsame Ausfuhrregelung gewährleistet. Danach sind Ausfuhren der Union in dritte Länder frei und keinen mengenmäßigen Beschränkungen unterworfen, sofern keine der in dieser Verordnung genannten Ausnahmen Anwendung finden. In diesem Umfang begründet die allgemeine Ausfuhrfreiheit auch ein subjektives Recht des Einzelnen.[6]
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Allerdings gilt die Außenwirtschaftsfreiheit nicht unumschränkt. Nach § 1 Abs 2 AWGbleiben nämlich Einschränkungen in anderen Gesetzen und Rechtsverordnungen, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, die in nationales Recht umgesetzt wurden oder durch Rechtsvorschriften zwischenstaatlicher Einrichtungen unberührt. So lassen die §§ 4 ff AWGEinschränkungen des Grundsatzes der Außenwirtschaftsfreiheit aus außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Gründen sowie aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu. Europarechtlich ergeben sich vergleichbare Beschränkungsmöglichkeiten aus Art 207 Abs 1, 346 AEUV. Von diesen Beschränkungsmöglichkeiten wird zum Schutz vor der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Rüstungsgüter, aber auch aus anderen Zwecken umfassend Gebrauch gemacht.
B. Rechtsquellen des Außenwirtschaftsrechts
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Das Außenwirtschaftsrecht ist eingebettet in ein Gefüge völkerrechtlicher Vereinbarungen und Verpflichtungen, die die jeweiligen Mitgliedstaaten der völkerrechtlichen Rechtsakte zu beachten und umzusetzen haben, durch Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, durch internationale Rüstungskontrollregime, durch Rechtsakte der EU oder Beschlüsse der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Durch dieses komplexe Zusammenspiel verschiedener ineinandergreifender und miteinander verzahnter Rechtsmaterien sind Beschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs nur insoweit zulässig, als dies durch völkerrechtliche Verpflichtungen erlaubt oder gerade eine Beschränkung des Verkehrs mit sensitiven Gütern geboten ist.
I. Völkerrechtliche Regelungen
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Sowohl Deutschland als auch die EU sind Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO). Das in diesem Rahmen geschlossene GATT-Abkommen (General Agreement on Tariffs and Trade) sichert das Prinzip des liberalisierten und freien Wirtschaftsverkehrs für Güter. Außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen, unabhängig davon, ob sie auf EU-Recht oder nationalem Recht beruhen, müssen daher in Einklang mit Vorschriften des GATT-Abkommens stehen.[7] Einschränkungen des Freihandels sind nach Art XIX GATT-Abkommen bei Notstandsmaßnahmen sowie nach Art XX oder XXI GATT-Abkommen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den dort enumerativ aufgeführten Fällen zulässig. Hierunter kann insbesondere der Handel mit militärischen Gütern oder mit Gütern zur Ausstattung militärischer Einrichtungen fallen.[8] Exportbeschränkungen dürfen daher auch in insoweit durch den Europäischen oder nationalen Gesetzgeber vorgeschrieben werden, als sich diese im Rahmen der Ermächtigungsgrenzen des GATT-Abkommens halten.[9]
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Weitere im Rahmen der WTO abgeschlossene Vereinbarungen sind das GATS-Abkommen (General Agreement on Trade and Services) über die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPs). Das GATS-Übereinkommen sieht jedoch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten vor, große Bereiche vom freien Dienstleistungsverkehr auszunehmen. Bemühungen um eine Überarbeitung des GATS-Abkommens sind ins Stocken geraten. Nach im Rahmen der WTO geschlossenen Abkommen sind Einschränkungen zum Schutz bestimmter hochrangiger Rechtsgüter zulässig. An den Vorgaben durch das GATT- und GATS-Abkommen müssen sich auch EU-rechtliche und nationale Außenwirtschaftsvorschriften messen lassen.
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Im Bereich des Zahlungsverkehrs sieht das IWF-Abkommen ein grundsätzliches Liberalisierungsgebot für Finanztransaktionen vor. Beschränkungen des Zahlungsverkehrs sind nur mit Zustimmung des IWF zulässig.
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Liegt eine Bedrohung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit vor, darf der UN-Sicherheitsrat von den in Art 24 der Charta der Vereinten Nationen erwähnten Befugnissen Gebrauch machen. Art 41 der Charta der Vereinten Nationen sieht die Möglichkeit vor, dass der UN-Sicherheitsrat wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen verhängen kann, um Staaten dazu anzuhalten, einen Friedensbruch zu beenden oder eine Friedensbedrohung nicht fortdauern zu lassen. Die Sanktionsmaßnahme kann in der Unterbrechung oder Einschränkung des zwischenstaatlichen Handels, aber auch in der Beschlagnahme von staatlichem Auslandsvermögen bestehen. Da Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zwar für die Mitgliedstaaten verpflichtend, nicht aber für die Bürger verbindlich sind, müssen diese jeweils in nationales Recht umgesetzt werden.
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