14
Gerade im Zusammenhang mit Blogs fällt eine juristische Beurteilung schwer. Hierbei handelt es sich um Inhalte auf einer Website, in denen eine oder mehrere Personen (Blogger) Inhalte jeder Art niederschreiben. 2015 entstand im Zusammenhang mit dem Internetportal netzpolitik.org ein gleichermaßen strafrechtlich wie medienrechtlich und politisch brisanter Konflikt. Nach Anzeigen des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde ein inzwischen eingestelltes Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber des Blogs eingeleitet. Durch die Veröffentlichung von Material mit Staatsgeheimniseigenschaft, das ihnen von einem sog. Whistleblower zugespielt wurde, hätten sich die Blogger u.a. wegen Landesverrats (§ 94 StGB) strafbar gemacht. In medienrechtlicher Hinsicht[52] stellte sich hier zum einen die Frage, welchen verfassungsrechtlichen Status Blogger einnehmen und zum anderen, wie das sog. Whistleblowing vor dem Hintergrund der Presse- und Meinungsfreiheit zu bewerten ist. Wenn und soweit ein Blogger seine Inhalte journalistisch-redaktionell gestaltet, schützt ihn regelmäßig neben der Meinungsäußerungsfreiheit auch die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 GG.[53] Werden ihm erkennbar rechtswidrig erlangte Informationen zugespielt, stellt sich die Frage, ob deren Publikation vom Auftrag des Mediums als Public Watch Dog[54] umfasst ist und auch die Veröffentlichung von Informationen, die als Verschlusssachen klassifiziert sind, von der Pressefreiheit gedeckt sind. Hierbei werden schon vor dem Hintergrund der vom BVerfG wiederholt als „konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung“[55] bezeichneten Medienfreiheit hinsichtlich einer Strafbarkeit und damit eines Zurücktretens der Pressefreiheit hohe Maßstäbe anzusetzen sein.[56] Um den Tatbestand des Landesverrats zu erfüllen, müsste es jedenfalls im Einzelfall um Staatsgeheimnisse gehen, deren Verrat mit einer möglichen Gefährdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik verbunden wäre.[57] Unabhängig davon stellte sich aber im Fall netzpolitik.org das Problem einer möglichen und bis heute nicht aufgeklärten Einflussnahmen des Justizministeriums auf den Generalbundesanwalt, die rechtsstaatlich besorgniserregend wäre.[58]
15
Print- und Telekommunikationsunternehmen experimentieren im Internet mit Formaten, deren Einordnung als Rundfunk oder Telemedien zum Teil umstritten ist.[59] So stellt sich z.B. bei dem auf der Plattform YouTube angebotenen linearen Videokanal „Live“ mit mehr als 500 „followern“[60] die Frage, ob dieser einfachgesetzlich im Sinne des RStV als Rundfunk oder als Telemedium zu qualifizieren ist.[61] Diese Abgrenzung wird allerdings mit Blick auf neue Erscheinungsformen in den Medien zunehmend hinterfragt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 in einer im Internet gestreamten Videokonferenz („Google Hangouts“) 500 Teilnehmer erreichte, wurde dies als Staatsfunk bezeichnet.[62] In der Folge beschäftigte sich – unabhängig vom Problem der Staatsfreiheit des Rundfunks – die ZAK mit der Frage der Kategorisierung des Formates und insbesondere mit der nach einer möglicherweise erforderlichen Rundfunklizenz. Laut Pressemitteilung der ZAK können Angebote – wenn sie linear verbreitet werden – zwar grundsätzlich zulassungspflichtigen Rundfunk darstellen. Im Fall des Google-Hangouts fehle es aber an einem Sendeplan, dem das Format folgt.[63] Im Umkehrschluss wäre eine Bewertung als Rundfunk demnach denkbar, wenn das Format journalistisch-redaktionell verbreitet würde.
16
Eine weitere Folge der Konvergenz zeigt sich bei Smart-TV-Portalen. 2017 können über zahlreiche Fernseher in Deutschland Internetinhalte abgerufen und dargestellt werden, sei es unmittelbar über einen eigenen Internetzugang am Gerät oder mittelbar über ein angeschlossenes Tablet, einen angeschlossenen TV-Stick etc.[64] Im Falle eines im Gerät verbauten Internetzugangs kann der Nutzer neben der vom Hersteller bereitgestellten Nutzeroberfläche auch über den sog. Red Button der Fernbedienung oder den Browser auf Internetinhalte zugreifen. So werden etwa beim sog. HbbTV TV-Programme mit umfangreichen Zusatzinformationen angereichert, wenn der Nutzer die Funktionalität über den sog. Red Button aktiviert hat. Dies können Informationen zum laufenden Programm oder auch Werbung im Splitscreen sein. Letztere kann dann, ähnlich wie bei den über das Smartphone, Tablet oder den Laptop abgerufenen Inhalten, auch personalisiert sein. Konkret bedeutet dies, dass Werbebotschaften auf Grundlage des vorherigen Konsumverhaltens auf den Nutzer zugeschnitten werden können. Für Werbetreibe ist dies von besonderer Relevanz, da hier eine Kombination zwischen der hohen Reichweite des klassischen Rundfunks und der zielgerichteten, personalisierten Online-Werbung möglich ist. Damit einhergehen jedoch erhebliche datenschutzrechtliche Probleme. Über die Internetverbindung fließen zahlreiche personenbezogene Daten vom Smart-TV an dessen Hersteller und werden von dort vermittelt oder möglichweise auch unmittelbar an Dritte, etwa Fernsehsender oder Vermarkter, weitergegeben. Personenbezogene Daten sind nach dem BDSG, und sinngemäß auch nach der Ende Mai 2018 wirkenden DSGVO, Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Hierbei geht es um Daten, die identifizierende oder beschreibende Informationen über den Betroffenen selbst oder über einen auf ihn beziehbaren Sachverhalt enthalten.[65] Bei HbbTV entstehen eine Vielzahl personenbezogener Daten, nur beispielhaft genannt seien etwa die gewöhnlichen Fernsehzeiten, die Rückschlüsse auf personenbezogene Informationen zu Arbeitszeiten bzw. eine mögliche Arbeitslosigkeit zulassen. Die gewählten Sendungen und das Umschaltverhalten geben Auskunft über Vorlieben und Abneigungen des Nutzers. Der Datenfluss erfolgt dabei schon vor und unabhängig von der Betätigung des Red Buttons ohne wirksame Einwilligung des Nutzers und ohne gesetzliche Ermächtigung, die eine Verwendung der Daten rechtfertigen könnten. Das Landgericht Frankfurt hat im Juni 2016 entschieden,[66] dass einHersteller von Smart-TV keine verantwortliche Stelle i.S.d. Datenschutzrechts ist, wenn er weder Kenntnis noch Verfügungsmacht über diejenigen IP-Adressen hat, die zwischen dem Nutzer und dem Anbieter des HbbTV-Dienstes ausgetauscht werden.[67] Zugleich betont das Gericht die aus §§ 5a Abs. 2, 8 UWG i.V.m. § 13 Abs. 1 TMG herzuleitende Verpflichtung, den Kunden darüber zu informieren, dass schon durch den Anschluss des Smart-TV an das Internet Daten über den Nutzer erhoben werden können, ohne dass zuvor eine entsprechende Information und Einwilligung erteiltwurde.[68] Hinsichtlich der Einwilligung in die Datenerhebung sei eine Datenschutzbestimmung, die 50 Bildschirmseiten umfasse schon wegen ihres Umfanges als Grundlage für eine Einwilligung in die Datenerhebung ungeeignet.[69]
17
Unter der ab 25.5.2018 geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung wird der Maßstab tendenziell noch strenger, vgl. Art. 5 ff. EU-DSGVO zur Datenverarbeitung sowie zu den Transparenz- und Informationspflichten Art. 12 ff. EU-DSGVO. Eine datenschutzkonforme Ausgestaltung der Angebote ist dringend geboten, damit Hersteller und Vermarkter nicht einer Haftung nach Art. 82 f. EU-DSGVO ausgesetzt werden.[70] Betrachtet man die neuen Werbeformen datenschutzrechtlich, so wird deutlich, dass die datenschutzrechtliche Regulierung datengetriebener Geschäftsmodelle im Rundfunkbereich schon heute eine besondere, eigene und neue Regulierung für Rundfunkveranstalter neben der Rundfunkregulierung ausmacht.
2.2.2 Onlinedienste als Rundfunk
18
Die Digitalisierung ermöglicht eine technische Konvergenz, in deren Rahmen sich die Verbreitungswege und Rezeptionsmöglichkeiten vervielfachen. Inhalte werden über verschiedene Verbreitungswege auf unterschiedliche Endgeräte übertragen. Die Besonderheit des Internets besteht darin, dass sowohl die Verbreitung individueller Kommunikationsinhalte an die Allgemeinheit ermöglicht wird als auch „massenkommunikative Inhalte mit der Tendenz zur Individualisierung“[71] verbreitet werden können. So verschmelzen Individual- und Massenkommunikation. Nach ihrer traditionellen Lesart schützt die Verfassung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Massenkommunikation durch Rundfunk, Presse und Film. Die Verbindung dieser Ausdrucksformen stellt sowohl den verfassungsrechtlichen als auch den einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff vor ein Strukturproblem. Dem angemessen Rechnung zu tragen ist Aufgabe des europäischen und deutschen Gesetzgebers. Auf Verfassungsebene könnte ein möglicher Lösungsansatz in der Schaffung eines einheitlichen Mediengrundrechts liegen, welches die bisherige Differenzierung zwischen den medialen Gattungen aufgibt.[72] Auf europäischer Ebene hat man sich der Herausforderung einer konvergierten Medienordnung mit der AVMD-Richtlinie[73] gestellt.[74] Diese stand auch im Mittelpunkt des Grünbuchs über die Vorbereitung auf die vollständige Konvergenz der audiovisuellen Welt, das die Europäische Kommission im April 2013 veröffentlicht und zugleich alle interessierten Kreise um Stellungnahme gebeten hat.[75] Ziel des Grünbuchs war die Anregung einer öffentlichen Debatte über die Auswirkungen des gegenwärtigen Wandels der audiovisuellen Medienlandschaft, die durch ein fortschreitendes Zusammenwachsen herkömmlicher Rundfunkdienste mit dem Internet[76] geprägt ist.[77] Nach der Vorstellung der Kommission soll die stetig fortschreitende Konvergenz genutzt werden, um allen Europäern einen möglichst umfassenden Zugang zu vielfältigen europäischen Inhalten zu bieten und eine möglichst große Palette hochwertiger Angebote zu gewährleisten. Häufig sei der Zugang zu solchen Diensten aufgrund geografischer Beschränkungen nicht oder nur eingeschränkt möglich, was, angesichts eines Zuschauerpotenzials von über 368 Mio. Internetnutzern in der EU, allein aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Änderung bedürfe.[78] Als wichtigste Faktoren für die Nutzung dieses durch den europäischen Binnenmarkt hervorgebrachten Potenzials nennt die Kommission einen für Wachstum hinreichend großen Markt, ein von Wettbewerb geprägtes Umfeld, die Bereitschaft zur Anpassung vorhandener Geschäftsmodelle, Interoperabilität, insbesondere im Hinblick auf Hybridfernsehgeräte, sowie eine geeignete Infrastruktur.[79] Insbesondere durch die EU-Wettbewerbsregeln müsse sichergestellt werden, dass in einer immer stärker konvergierenden Medienwelt ein flexibler, effektiver Markt möglich sei.[80] Dabei sei auch zu prüfen, ob es Anzeichen für Markverzerrungen gebe, die auf die Unterscheidung zwischen linearen und nichtlinearen Diensten[81] zurückzuführen sei.[82] Ferner sei auch den Veränderungen im Verbraucherverhalten hin zu nutzergenerierten Inhalten, welche von den Rundfunkveranstaltern in ihr lineares Programm integriert werden könnten, Rechnung zu tragen.[83] Besonders wichtig sei, dass der Zugang zu „Inhalten von allgemeinem Interesse“ gewährleistet bleibe. Dabei sei zu überlegen, ob angesichts zunehmender Filter- und Personalisierungsmechanismen weitergehende europäische Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Medienpluralität erforderlich seien.[84] Letztlich besteht das Anliegen der Kommission also darin, die Vorzüge der Konvergenz auf europäischer Ebene zu nutzen, ohne dabei die Achtung derjenigen Werte, die der europäischen Regulierung audiovisueller Mediendienste zugrunde liegen, zu vernachlässigen. So seien namentlich die Förderung der Meinungsfreiheit und des Medienpluralismus, die Förderung der kulturellen Vielfalt und der Schutz personenbezogener Daten sowie der Verbraucherschutz, u.a. schutzbedürftige Personen wie Minderjährige oder Personen mit Behinderungen durch angemessenes politisches Handeln zu fördern.[85]
Читать дальше