Sie fanden schließlich eine Stelle, die zumindest einen langen Strand hatte, an dem die Boote anlegen konnten. Im Hinterland gab es viele Bäume und die Umgebung war flach genug, dass es nicht möglich war, von oben unter Beschuss genommen zu werden. Ein Boot nach dem anderen rutschte auf das sandige Ufer, und die Männer sprangen an Land. Einige Springmäuse suchten das Weite, und eine Familie Stinktiere verschwand erhobenen Schwanzes. Sofort brachen einige Trapper auf, um die Umgebung gegen Überfälle zu sichern. Sie besetzten zwei kleinere Hügel in der Ferne und gaben dann mit Winken zu verstehen, dass alles ruhig war. Erst einmal wurde nur die Ausrüstung für ein kleines Nachtlager ausgeladen, weil man prüfen wollte, ob der Standort wirklich geeignet war. Es wurde inzwischen sommerlich warm, sodass die Männer keine Lodges aufbauten, sondern nur ihre Decken am Boden ausbreiteten. Es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet, und so war der Lagerplatz trocken. Schnell wurden Feuer entzündet, Kessel darübergehängt, Wasser vom Fluss geholt und Essen gekocht.
Vazquez und Lisa waren bereits unterwegs, um noch ein wenig die Umgebung zu erkunden. Ihr erster Eindruck war nicht schlecht. Der Boden stieg schnell an, und die Wasserlinie zeigte, dass das höher gelegene Gelände nicht überflutet wurde. In der Umgebung gab es genug Holz, sodass ein Fort samt Häusern und Palisaden errichtet werden konnte. Für den Handel mit den Indianern war das optimal. In der näheren Umgebung fanden die Trapper keine Spuren von Bibern, aber in den vielen Buchten wären bestimmt welche zu finden.
In den nächsten Tagen waren die Männer emsig damit beschäftigt, Holz für das Fort zu schlagen. Die Voyageure entluden die Schiffe und stapelten die Waren unter den Planen, die über einfache Gerüste gezogen wurden. Erste Indianer trafen ein, die sich neugierig dem entstehenden Handelsposten näherten. Lisa verteilte großzügig Geschenke, um die Kunde verbreiten zu lassen, dass hier ein Handelsposten entstand. Sehr zufrieden rückten die Indianer ab und versprachen, mit Pelzen zurückzukehren.
Pierre besuchte bei seinen Erkundungen ein befestigtes Dorf der Hidatsa, die von William Clark seit seiner Expedition „Minnitari des Missouri“ genannt wurden. Sie lebten in Erdhütten wie die Mandan, sprachen aber eine andere Sprache. Die Frauen befanden sich bereits auf den Feldern, um den Mais anzubauen. Kinder rannten herum und beobachteten ihn mit ihren schwarzen Augen. Obwohl es noch recht frisch war, liefen sie fast nackt herum. Einige Männer saßen auf den Erdhütten in der Sonne und unterhielten sich.
Pierre hatte ein besonderes Anliegen, konnte sich aber in dieser Sprache nur mit Gesten verständlich machen. Er rauchte mit einigen Männern eine Pfeife und tauschte harmlose Neuigkeiten aus, ehe er mit seinem wahren Anliegen herausrückte. „Ich möchte eine Frau eintauschen!“, zeigte er in Zeichensprache, was die Männer aber kaum beeindruckte. Entweder gab es hier keine Mädchen im heiratsfähigen Alter, oder dieses Volk sah es nicht so gerne, wenn ihre Frauen weiße Trapper heirateten. Pierre war enttäuscht, denn für den Winter wünschte er sich eine Squaw an seiner Seite. Sie waren fleißig und wärmten einem im Winter das Bett. Er hatte nicht vor, sie eines Tages in die Zivilisation mitzunehmen, sondern wollte sie ihrem Volk zurückgeben, wenn er erst genug verdient hatte. Er hatte das schon bei anderen Trappern erlebt und empfand es als eine gute Sache. Ein Handel auf Zeit.
Unverrichteter Dinge kehrte er zum Fort zurück, bei dem immerhin schon die Palisaden standen. Manuel Lisa nannte es stolz „Fort Lisa“. Inzwischen waren die Männer dabei, das Haupthaus mit dem Handelsraum zu bauen. Es hatte zwei Stockwerke: unten den Handelsraum und oben mehrere Kammern, in denen die Anführer und einige der Trapper schliefen. Gleichzeitig entstanden weitere Hütten, in denen die anderen Männer untergebracht wurden. Das Schlagen der Äxte hallte durch das Tal und kehrte als Echo von den umliegenden Hügeln zurück.
Die Wochen vergingen schnell, und Pierre bekam den Auftrag, mit einigen Trappern zur Jagd zu gehen und die Vorräte aufzufüllen. Er nahm Shorty und Arnel, deren Gesellschaft er sehr schätzte. Der jungen Männer redeten nicht viel und taten, was man ihnen sagte. Schweigend machte sich der Trupp am frühen Morgen auf, um die Umgebung nach Wild zu erkunden. Als sie bis zum Mittag immer noch nichts gefunden hatten, runzelte Pierre sorgenvoll die Stirn. Keine Spuren von Hirschen oder Bisons. Selbst Weißwedelhirsche und Gabelbockantilopen ließen sich nicht sehen. Es war nicht gut, wenn sie einzig und allein auf die Lieferungen von Indianern angewiesen waren. „Wir sollten ein paar Pferde eintauschen!“, stellte er fest.
„Vielleicht haben die Injuns hier alles weggejagt?“, überlegte Arnel.
Pierre nickte gedankenverloren. „Kann sein. Hier sind ja einige ihrer Dörfer. Aber ich wundere mich, dass hier keine Bisons sind.“
„Die kommen vielleicht später!“
Shorty spuckte einen Priem Kautabak auf den Boden. Er hatte eigentlich immer etwas im Mund. Wenn er keinen Priem in der Backe hatte, dann kaute er Jerky oder knabberte an einem Grashalm.
Pierre ließ seinen Blick über das Land schweifen und stützte sich auf seine Rifle. „Zum Fallenstellen müssen wir wohl ein ganzes Stück stromaufwärts und dort die kleinen Nebenflüsse absuchen.“
„Yep!“
„Lass uns zum Missouri zurückkehren, da erwischen wir wenigstens ein paar Enten.” Pierre raufte sich müde die Haare.
„Davon werden wir aber nicht satt! Wenn wir nicht auf ein paar Bisons stoßen, müssen wir Fleisch von den Indianern tauschen.” Für den schweigsamen Shorty war dies eine ziemlich lange Äußerung.
„Mit Pferden wird es besser!”, versprach Pierre. „Solange müssen wir halt angeln.” Es sollte wie ein Scherz klingen, aber in seiner Stimme lag eine gewisse Anspannung. Er wusste, dass die dreihundert Mann bald alle mitgebrachten Vorräte aufgebraucht hätten. Das war schlecht, denn die Expedition sah vor, dass sie sich selbst versorgten und Mehl und Mais erst im Winter erhielten. Hin und wieder schoss ein Trapper einen Hirsch, aber das reichte nicht für all die hungrigen Mäuler.
Sie kehrten tatsächlich ohne Jagdbeute zurück und berichteten über ihre Erfahrungen. „Wir sollten Pferde eintauschen, dann decken wir eine größere Umgebung ab.”
Lisa machte sich keine Sorgen. „Ach, bald kommen die Bisons, dann haben wir Fleisch genug! Ich schicke morgen einige Männer los, die Fleisch und Pferde von den Indianern eintauschen. Weiter südlich befindet sich ein Dorf der Minnitari des Südens – es wäre gut, wenn du sie begleitest!”
Pierre wackelte mit dem Kopf hin und her. „Warum tauschen wir nicht mit den Mandan? Wir könnten mit einer Barkasse dorthin fahren. Die waren uns doch bei der Herfahrt wohlgesonnen.”
Lisa lächelte. „Gute Idee. Ihr fahrt dort mit einer Barkasse hin, tauscht Fleisch und Vorräte und kommt dann wieder zurück.”
„Und die Pferde?”
„Ich verhandle mit dem Häuptling der Minnitari des Missouri. Wir werden schon ein paar Pferde bekommen.” Er machte eine beruhigende Handbewegung. „Alles klar?”, erkundigte er sich.
Pierre grinste. „Alles klar!”, antwortete er enthusiastisch. Er freute sich über den Auftrag, denn er kam seinen Wünschen entgegen: Er wollte noch etwas ganz anderes eintauschen! Er hoffte darauf, dass die Mandan seinen Wünschen eher entgegenkamen. „Vielleicht kommen ja auch bis dahin die Bisons“, meinte er, um von seinen wahren Gedanken abzulenken.
Lisa nickte. „Das wäre gut!
Sheheke shote
Spätsommer 1809 im Dorf der Mandan
Mato-wea erntete zusammen mit der Tante den Mais ihres kleinen Feldes. Auch auf den anderen Feldern waren Frauen zu sehen. Sie hatten den Maistanz getanzt und der Frau, die niemals stirbt und für alles Wachstum verantwortlich ist, für eine gute Ernte gedankt. Es war ein guter Sommer gewesen. Die erste Bisonjagd im Frühsommer hatte gutes Fleisch gebracht, und die Vorratsgruben waren schon gefüllt mit Bohnen und Kürbis; auch Beeren, wilde Zwiebeln und Prärierüben hatten die Frauen schon gesammelt. Der Mais würde ebenfalls helfen, den langen Winter gut zu überstehen. Mato-wea trug einen Korb aus Weiden am Rücken, in den sie die Kolben warf, die sie von den Stängeln brach. Ihre Cousine Sisohe-wea hütete im Dorf die Kinder. Es war zu gefährlich, die Kinder auf die Felder mitzunehmen. Zu leicht wären sie Opfer der vielen Überfälle der Feinde geworden. Zweimal waren sie schon angegriffen worden, sodass nun stets einige Krieger in der Nähe der Frauen blieben. Mato-wea schmerzte der Rücken, und sie streckte sich mit einem Seufzen.
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