Letztere nur im Ansatz, und die Menschen haben das wohl fast vergessen – oder es ist ihnen aberzogen worden. Schade, schade, denn ich freue mich über jeden Zweibeiner, mit dem ich sofort auch ohne viele Worte reden kann! Das ist doch viel wichtiger als die Schwemme von Wörtern, die gar nichts aussagen.
Zum Beispiel: Herrli ist unendlich lieb zu mir (so ein Herrli habe ich bestimmt noch nicht erlebt). Frauli ist auch unendlich lieb zu mir, UND sie weiß immer sofort, was ich meine oder brauche. Dabei hatte sie noch nie einen Hund als Gefährten (nur Wellensittiche), aber einen blinden Mann. Aber, um nicht abzuweichen, wer glaubt, ein Blinder sei nur blind und sehe nichts, der irrt gewaltig.
Meine Kleine, Kari, und ich –, wir sind blind UND wir sehen unsere Welt in allen erdenklich wohlklingenden Farben, ganz besonders bei uns daheim!!!
Blutiger Samstag
Der Tag war erst noch ganz normal, friedlich und gemütlich, wie immer. Die üblichen Spaziergänge, bei denen mich nur hier und da lärmende Menschen oder lästige Vierbeiner störten. Aber daran bin ich ja schon irgendwie gewöhnt. Zu Hause fühle ich mich natürlich erheblich wohler, weil hier keine Störung oder Gefahr droht. Als Blinder empfinde ich draußen halt alles erst mal als Gefahr, wenn ich es nicht zuordnen kann als bekannten Geruch oder vertrautes Geräusch.
Am Abend döste ich – wie oft – ganz friedlich so vor mich hin. Ich hörte wohl, dass meine Große im Flur noch etwas säuberte, aber das kenne ich ja.
Aber dann, ganz plötzlich, hörte ich ein lautes „Bumm“, Frauli schrie ganz kurz auf und lag am Boden. Herrli war ganz verwirrt und wurde dann hektisch und aufgeregt.
Kari war total besorgt und durcheinander. Sie hätte so gerne geholfen.
Mich klärte niemand auf, wie alles so hektisch war mit einem Mal.
Aber ich hatte verstanden. Den Geruch kannte ich irgendwoher.
Ein unheilvoller Geruch – er war überall am Boden … Irgendeine Erinnerung holte mich ein, aber ich konnte sie nicht näher erklären. Ich blieb ganz still, weil ich nicht stören wollte – und weil ich eine fremde und auch bekannte Angst hatte.
Diese Angst machte mir Angst. Herrli lief hin und her und holte Tücher, Frauli lief hin und her – und es roch nach Blut, so viel Blut, massenhaft Blut.
Schließlich telefonierte Herrli, und auf einmal war Frauli weg. Sie hatte sich gar nicht verabschiedet, das tut sie doch sonst immer. Sonderbar!
Ich blieb, wir blieben total verunsichert zurück, und ich konnte mir das ungute Ereignis gar nicht so recht erklären. Bestimmt war ich auch traurig, aber auch das weiß ich gar nicht so genau. Wir gingen dann schließlich schlafen. Ich hatte an dem Abend nicht einmal zum Trost meine „Nur-für-dich-Pax“ bekommen, also war alles, aber auch alles total unnormal an diesem Abend.
Na ja – so blieb ich halt liegen und versuchte einfach, zur Ruhe zu kommen.
Später, sehr viel später hörte ich den bekannten Schritt auf der Treppe, und dann den Schlüssel an der Wohnungstüre. Hui – meine Große war wieder da! Sie kam zu Herrli und Kari, um sie zu informieren. Aber dann hat sie sich richtig Zeit für mich genommen, um mich zu beruhigen und mir einen guten Schlaf zu wünschen.
Meine weit, weit aufgerissenen Augen haben meiner Großen wohl alle Not des Abends erzählt, ganze Romane: „Da bist du ja wieder“, „du lebst und redest lieb mit mir“, „kein Blut mehr“. Ich hatte mir ja solche Sorgen gemacht – auch wenn ich das niemals offen zugeben würde. Ich bin da nicht so mitteilsam wie die Kleine.
Schließlich bin ich ja schon ein großer Manndi.
Meine Große hatte alles mutig ausgehalten an diesem Abend und im Krankenhaus – um wieder bei uns zu sein!
Und obwohl ich in der Regel und normalerweise nicht sooo interessiert bin an Liebesbezeugungen und gar Knutschereien, habe ich es an diesem besonderen Abend sehr genossen. Meine Große hat mir wie immer gesagt, dass sie mich sehr, sehr lieb hat. Und auch den Kuss habe ich mit riesiger Erleichterung und mit Freude angenommen.
Nun war meine/unsere Welt wieder in Ordnung. Ich konnte nun ganz ruhig einschlafen, und schon beim Aufwachen war der unheimliche Geruch verschwunden wie weggewischt. Es roch wieder normal und vertraut – das habe ich sehr genossen.
Frauli war zwar sehr schwach, aber zu uns ganz lieb wie immer.
Wir mussten keine Angst mehr haben!
Drei Monate
Wie ich hörte, bin ich nun drei Monate bei meinen beiden – oh ja!
Das ist wohl fein!
Draußen auf der lauten Straße mit all den vierrädrigen Knatterbüchsen und den oft sonderbar lärmenden Zweibeinern habe ich oft noch so eine komische Angst.
Die kann ich mir gar nicht erklären, sie ist einfach plötzlich da, und dann zucke ich zusammen und will nach hinten, rechts, links, überall ausweichen.
Wenn aber Frauli oder Herrli sagen: „Damit haben wir gar nichts zu tun, Pax, es ist alles in Ordnung“, dann kann ich darauf auch vertrauen und werde gleich ruhiger.
Na ja, so nach und nach auf jeden Fall, denn darauf ist schließlich Verlass!
Herrli ist mittlerweile mein bester Freund, obwohl früher alle wussten, dass ich keine Männer mochte; das muss wahrscheinlich einen Grund gehabt haben …
Ich erinnere mich nicht.
Aber Herrli spricht immer so lieb zu mir und schimpft nie grob (auf ihn höre ich auch … na ja, halt recht oft). Am Nachmittag gehen wir meistens erst in unseren Garten und danach noch spazieren, dann manchmal auch ins Café.
Wenn wir dann zurückkehren, sagt Frauli bisweilen, dass ich so weiß um die Nase bin.
Ist eh klar, ich habe ja so manches erlebt: Autos, sausende Fahrräder, laufende Leute. Bei uns zu Hause komme ich dann aber schnell wieder zur Ruhe.
Und Frauli ist meine beste Freundin, sie ist immer da, wenn ich morgens aufwache und dann manchmal gaaaanz dringende Geschäfte zu erledigen habe.
Schwuppdiwupp ist sie dann schon bereit, fährt mit mir hinunter und geht mit mir wohin mich die Bedürfnisse tragen.
Danach springe ich gerne noch zu Herrli ins Betti (ganz geschickt, denn ich will ihm ja nicht wehtun – Frauli klopft auch auf die mögliche Sprungstelle) und schlafe noch ein wenig.
Tja, und wenn meine beiden Großen dann gemeinsam noch einen Cappuccino trinken, bin ich gerne mit dabei. Das ist gemütlich (ihr wisst?)!
Ich lasse mir dann gerne ein paar Stückchen Pax-Wurst schmecken, mjamm, lecker. Die fressen Frauli und Herrli nicht, die ist ganz alleine für mich. Ihr seht: hier bin ich König J!
Mit beiden ist es auch lustig zu spielen – da geht es dann ganz turbulent zu, beide singen und ich springe nach Herzenslust herum (schließlich kenne ich ja jeden Millimeter). Dann lachen wir alle drei und sind anschließend ganz außer Atem – huuch macht das Spaß!!!
Fürs Fressen und Leckerlis ist natürlich Frauli zuständig. Sie denkt auch immer an meine Zeiten.
Aber: Wenn ich schon mal früher was mag oder ein Extra – da bin ich mittlerweile schon mutig geworden:
Ich stupse sie einfach am Bein, und schon weiß sie Bescheid! Ich hab es ziemlich total gut, glaube ich. Hier will mir keiner was Böses und wir sind einfach eine Familie. Im Schlaf kann ich mich demzufolge auch immer ganz genüsslich ausstrecken und drehen, wie immer ich will.
Da nehme ich die ganze Länge von meinem Betti ein, manchmal sogar auf dem Rücken, halt so, wie es gerade gemütlich ist. Drei ist eine perfekte Zahl und mein Leben ist „Drei“!
Erwachsenwerden
Wir Erfahrenen wissen es schon: Erwachsen werden ist schwer.
Mit einem Mal erscheint alles Gewohnte ganz verändert und neu. Ich merke das in letzter Zeit ziemlich deutlich bei meiner Kleinen.
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