Titel der Originalausgabe: Premeditated Myrtle
Erschienen bei Algonquin Young Readers, einem Imprint von
Algonquin Books of Chapel Hill, Post Office Box 2225, Chapel Hill,
North Carolina 27515-2225
A division of Workman Publishing, New York, New York 10014
Copyright © 2020 Stephanie Elizabeth Bunce
Published by arrangement with Erin Murphy Literary Agency
through Rights People, London
Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2021 von dem Knesebeck GmbH & Co. Verlag KG,
München
Ein Unternehmen der Média-Participations
Projektleitung und Lektorat: Theresa Scholz, Knesebeck Verlag
Übersetzung: Nadine Mannchen, Helmbrechts
Umschlaggestaltung: Felicitas Horstschäfer, Berlin
Satz und Herstellung: Arnold & Domnick, Leipzig
eISBN 978-3-95728-605-5
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise.
www.knesebeck-verlag.de
Elizabeth C. Bunce
Aus dem Amerikanischen
von Nadine Mannchen
Für Sophie: Sieh nur, was du in Gang gesetzt hast .
1 Corpus Delicti
2 Die Gräber von Redgraves
3 Geschworenengericht
4 Post Mortem
5 Actus reus
6 Hoher Giftgehalt und längere Exposition
7 Zeugenaussagen
8 Strafverstärkender Tatbestand
9 Verständigung im Strafverfahren
10 Erwerbstätigkeit
11 Res ipsa loquitur
12 Belastende Beweise
13 Begründete Zweifel
14 Lilium Febricula
15 Helfer nach der strafbaren Handlung
16 Unzulässige Beeinflussung
17 Interessenkonflikt
18 Motiv, Mittel und Gelegenheit
19 Der Anschein von ungebührlichem Verhalten
20 Ein Zeugnis von schlechtem Charakter
21 Aussage verweigert
22 Unmittelbarkeitsprinzip
23 Selektive Strafverfolgung
24 Urteil im Schnellverfahren
25 Forensische Schriftuntersuchung
26 Ausstehender Streit an anderer Stelle
27 In absentia
28 Selbstbezichtigung
29 Periculum in mora
30 Respondeat superior
31 Zusammenfassung und Schlussplädoyer
DANKSAGUNG
Ein wahrer Ermittler ist ein Meister in der Kunst des Beobachtens und schenkt seiner Umgebung höchste Aufmerksamkeit. Selbst das unscheinbarste Indiz könnte sich als Schlüssel zum Aufdecken der Wahrheit erweisen. H. M. Hardcastle: Die Grundlagen der Detektion — Ein Handbuch für Amateur- und Berufsermittler , 1893.
»Korrigiere mich, falls ich mich irre.« Die Stiefelabsätze meiner Gouvernanten, Miss Judson, klackerten laut wie ein Telegraf, als sie in den Unterrichtsraum lief. »Als ich deinen Vater dazu überredete, dieses Teleskop zu bestellen, hatten wir ihm ausdrücklich erklärt, du würdest damit den Nachthimmel beobachten.« Viel zu fröhlich zog sie an den Vorhängen und flutete das Zimmer mit Sonnenlicht.
Sobald ich das Teleskop einstellte, sah ich mein Ziel deutlicher vor mir. Früher Morgen: ausgezeichnet , schrieb ich neben meine vorigen Notizen. Leichter Regen über Nacht . »Ich beobachte Dinge aus der Ferne«, sagte ich. »Gemäß dem Zweck dieses Geräts.« Zielobjekt: Die Residenz (und deren Bewohner) im Gravesend Close 16, Swinburne. Gemeinhin bekannt als Redgraves-Anwesen .
Miss Judson lehnte sich neben mir auf den Fenstersims und stützte das Kinn in ihre hellbraune Hand. »Oh. Wie töricht von mir. Kam ich doch glatt auf die Idee, du würdest die Nachbarn ausspionieren.«
»Das auch. Sehen Sie!« Ich zeigte (mit meiner eigenen eher blässlichen Hand) über die Straße, wo sich ein zierlicher blauer Schmetterling auf einer Hecke niedergelassen hatte. » Celastrina argiolus .«
»Versuch nicht, das Thema zu wechseln. Moment …« Sie stellte sich aufrecht und auf ihrer Stirn erschien eine Falte. »Ist das der Polizeiwagen?« Die Falte wurde zu einem richtigen Runzeln. »Myrtle?«
Ich deckte das Teleskop mit dem eigens dafür vorgesehenen Tuch ab. »Warum sehen Sie mich so an? Ich habe nichts getan!« Ich biss mir auf die Lippe. »Nun ja, womöglich habe ich die Polizei gerufen.«
»Und zu Miss Wodehouse geschickt? Warum in Gottes Namen?« Miss Judson griff nach ihrem Umhang und eilte zur Tür.
»Gehen wir rüber?« Ich rutschte von der Fensterbank und holte rasch meine eigenen Sachen: Notizbuch, Tasche, meine Lupe, meine Handschuhe und das kleine Set zum Entnehmen von Proben mit der Pinzette, den Nadeln und den winzigen Probengläschen darin.
»Das halte ich für das Beste. Schnapp dir deinen Mantel. Unterwegs kannst du mir erklären – damit ich es deinem Vater begreiflich machen kann –, was in aller Welt dich dazu veranlasst hat, die Polizei zu der Lady von nebenan zu schicken!« Auf der Schwelle hielt sie inne und warf mir einen misstrauischen Blick zu. »Es ging doch nicht schon wieder um ihre Katze?«
»Natürlich nicht!« Ich beeilte mich, zu ihr aufzuschließen. Miss Judson in Eile glich einer Naturgewalt. »Also, zumindest nicht direkt. Mit ihr hat nur alles angefangen.«
Eine Hand auf das polierte Geländer gelegt, drehte sie sich auf der Treppe zu mir herum. »Ich höre.«
Im Erklären hatte ich ungeheuer viel Übung. »Ich habe sie heute Morgen nicht gesehen«, fing ich an.
»Miss Wodehouse?«
»Nein, Peony – nun, Miss Wodehouse ebenso wenig. Und dann ist auch Mr Hamm nicht wie üblich erschienen.« Mr Hamm war der Gärtner von Redgraves, dessen tägliche Routine für gewöhnlich damit begann, dass er um 6 Uhr 15 mit Katze Peony im Schlepptau die Brunnen und Vogelbäder überprüfte. Um spätestens 6 Uhr 40 kümmerte er sich um den südlichen Rasen. Oft wurde er dabei von Miss Wodehouse beaufsichtigt, erntete von der spröden alten Dame allerdings nichts als Geringschätzung und Kritik. Räumen Sie das Laub da weg. Ich will nicht, dass der Rittersporn die Margeriten berührt. Und halten Sie mir diese verwünschte Katze vom Leib!
Eventuell habe ich sie ein- oder zweimal observiert.
»Und dann ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen.«
Miss Judson sah mich mit verschränkten Armen erwartungsvoll an, während ihre Finger auf dem Ellbogen ihres ordentlichen Tweedgewands herumtrommelten. Dieser Teil war etwas kniffelig zu erklären. Ich hatte mit dem Teleskop an diesem Morgen nämlich etwas anvisiert, das streng verboten war, und das war mir durchaus bewusst. Dabei war nur die Katze schuld. Als von Mr Hamm nichts zu sehen war, tat ich, was jede gute Ermittlerin tun würde. Ich hielt nach Hinweisen Ausschau – und fand welche.
»Der Blumentopf auf Miss Wodehouses Balkon war umgekippt – dieser große, schwere Pflanzkübel – und Peony hat darin gebuddelt. Sie wissen ja, wie sehr Miss Wodehouse es hasst, wenn die Katze etwas durcheinanderbringt, vor allem ihre Blumen, also habe ich versucht, sie zu verscheuchen.«
»Bitte sag mir, dass dieser Versuch Rauchsignale oder vielleicht Telepathie beinhaltete.«
»Jetzt werden Sie aber lächerlich. Ich habe meine Schleuder genommen.«
Miss Judson schloss die Augen. »Diese Geschichte wird besser und besser.«
»Ich habe die Balkontür getroffen und eine Scheibe ist zerbrochen – nur eine kleine! Ich werde sie von meinem Taschengeld bezahlen – Mr Hamm hat immer welche als Ersatz auf Vorrat. Aber niemand kam heraus .«
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