Eins.: Wer ist denn deiner Mutter Mann gewesen?
Simpl.: Niemand.
Eins.: Bei wem hat denn dein Meuder des Nachts geschlafen?
Simpl.: Bei meinem Knan.
Eins.: Wie hat dich denn dein Knan geheißen?
Simpl.: Er hat mich auch Bub genennet.
Eins.: Wie hieß aber dein Knan?
Simpl.: Er heißt Knan.
Eins.: Wie hat ihm aber dein Meuder gerufen?
Simpl.: Knan, und auch Meister.
Eins.: Hat sie ihn niemals anders genennet?
Simpl.: Ja, sie hat.
Eins.: Wie denn?
Simpl.: Rülp, grober Bengel, volle Sau, und noch wohl anders, wenn sie haderte.
Eins.: Du bist wohl ein unwissender Tropf, dass du weder deiner Eltern noch deinen eignen Namen nicht weißt!
Simpl.: Eia, weißt dus doch auch nicht.
Eins.: Kannst du auch beten?
Simpl.: Nein, unser Ann und mein Meuder haben als das Bett gemacht.
Eins.: Ich frage nicht hiernach, sondern ob du das Vaterunser kannst?
Simpl.: Ja ich.
Eins.: Nun so sprichs denn.
Simpl.: Unser lieber Vater, der du bist Himmel, heiliget werde Nam, zu kommes d'Reich, dein Will scheh Himmel ad Erden, gib uns Schuld, als wir unsern Schuldigern geba, führ uns nicht in kein böß Versucha, sondern erlös uns von dem Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Ama.
Eins.: Bist du nie in die Kirchen gangen?
Simpl.: Ja, ich kann wacker steigen, und hab als ein ganzen Busem voll Kirschen gebrochen.
Eins.: Ich sage nicht von Kirschen, sondern von der Kirchen.
Simpl.: Haha, Kriechen; gelt es sind so kleine Pfläumlein? Gelt du?
Eins.: Ach dass Gott walte, weißt du nichts von unserm Herr Gott?
Simpl.: Ja, er ist daheim an unserer Stubentür gestanden auf dem Helgen, mein Meuder hat ihn von der Kürbe mitgebracht, und hingekleibt.
Eins.: Ach gütiger Gott, nun erkenne ich erst, was für eine große Gnad und Wohltat es ist, wem du deine Erkenntnis mitteilest, und wie gar nichts ein Mensch sei, dem du solche nicht gibst: Ach Herr verleihe nur deinen heiligen Namen also zu ehren, dass ich würdig werde, um diese hohe Gnad so eifrig zu danken, als freigebig du gewesen, mir solche zu verleihen: Höre du Simpl (denn anders kann ich dich nicht nennen) wenn du das Vaterunser betest, so musst du also sprechen: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiliget werde dein Nam, zukomme uns dein Reich, dein Will geschehe auf Erden wie im Himmel, unser täglich Brot gib uns heut, und -
Simpl.: Gelt du, auch Käs dazu?
Eins.: Ach liebes Kind, schweige und lerne, solches ist dir viel nötiger als Käs, du bist wohl ungeschickt, wie dein Meuder gesagt hat, solchen Buben wie du bist, stehet nicht an, einem alten Mann in die Red zu fallen, sondern zu schweigen, zuzuhören und zu lernen, wüßte ich nur, wo deine Eltern wohneten, so wollte ich dich gerne wieder hinbringen, und sie zugleich lehren, wie sie Kinder erziehen sollten.
Simpl.: Ich weiß nicht, wo ich hin soll - unser Haus ist verbrennet, und mein Meuder hinweggelaufen, und wieder kommen mit dem Ursele, und mein Knan auch, und unser Magd ist krank gewesen, und ist im Stall gelegen.
Eins.: Wer hat denn das Haus verbrennt?
Simpl.: Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die sind so auf Dingern gesessen, groß wie Ochsen, haben aber keine Hörner, dieselben Männer haben Schafe und Kühe und Säu gestochen, und da bin ich auch weggelaufen, und da ist danach das Haus verbrennt gewesen.
Eins.: Wo war denn dein Knan?
Simpl.: Ha, die eisernen Männer haben ihn angebunden, da hat ihm unser alte Geiß die Füß geleckt, da hat mein Knan lachen müssen, und hat denselben eisernen Mannen viel Weißpfennig geben, große und kleine, auch hübsche gelbe, und sonst schöne glitzerichte Dinger, und hübsche Schnür voll weißer Kügelein.
Eins.: Wann ist dies geschehen?
Simpl.: Ei wie ich der Schaf hab hüten sollen, sie haben mir auch mein Sackpfeif wollen nehmen.
Eins.: Wann hast du der Schaf sollen hüten?
Simpl.: Ei hörst dus nicht, da die eisernen Männer kommen sind, und danach hat unser Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst würden mich die Krieger mitnehmen, sie hat aber die eisernen Männer gemeiner, und da sein ich weggelaufen, und sein hieher kommen.
Eins.: Wo hinaus willst du aber jetzt?
Simpl.: Ich weiß weger nit, ich will bei dir hier bleiben.
Eins.: Dich hier zu behalten, ist weder mein noch dein Gelegenheit, iß, alsdann will ich dich wieder zu Leuten führen.
Simpl.: Ei so sag mir denn auch, was Leut für Dinger sind?
Eins.: Leut sind Menschen wie ich und du, dein Knan, dein Meuder und euer Ann sind Menschen, und wenn deren viel beieinander sind, so werden sie Leut genennt.
Simpl.: Haha.
Eins.: Nun geh und iß.
Dies war unser Diskurs, unter welchem mich der Einsiedel oft mit den allertiefsten Seufzern anschauete, nicht weiß ich, ob es darum geschah, weil er ein so groß Mitleiden mit meiner Einfalt und Unwissenheit hatte, oder aus der Ursach, die ich erst über etliche Jahr hernach erfuhr.
Das 9. Kapitel: Simplicius wird aus einer Bestia zu einem Christenmenschen
Ich fing an zu essen und hörete auf zu papplen, welches nicht länger währete, als bis ich nach Notdurft gefuttert hatte, und mich der Alte fortgehen hieß: Da suchte ich die allerzartesten Worte hervor, die mir mein bäurische Grobheit immermehr eingeben konnte, welche alle dahin gingen, den Einsiedel zu bewegen, dass er mich bei sich behielte: Ob es ihm nun zwar beschwerlich gefallen, meine verdrießliche Gegenwart zu gedulden, so hat er jedoch beschlossen, mich bei sich zu leiden, mehr, dass er mich in der christlichen Religion unterrichtete, als sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu bedienen, seine größte Sorg war, mein zarte Jugend dürfte eine solche harte Art zu leben in die Länge nit ausharren mögen.
Eine Zeit von ungefähr drei Wochen war mein Probierjahr, in welcher eben S. Gertraud mit den Gärtnern zu Feld lag, also dass ich mich auch in deren Profession gebrauchen ließ, ich hielt mich so wohl, dass der Einsiedel ein sonderliches Gefallen an mir hatte, nicht zwar der Arbeit halber, so ich zuvor zu vollbringen gewohnet war, sondern weil er sah, dass ich ebenso begierig seine Unterweisungen hörete, als geschickt die wachsweiche und zwar noch glatte Tafel meines Herzens solche zu fassen sich erzeigte. Solcher Ursachen halber wurde er auch desto eifriger, mich in allem Guten anzuführen, er machte den Anfang seiner Unterrichtungen vom Fall Luzifers, von dannen kam er in das Paradeis, und als wir mit unsern Eltern daraus verstoßen wurden, passierte er durch das Gesetz Mosis, und lehrete mich vermittelst der zehen Gebot Gottes und ihrer Auslegungen (von denen er sagte, dass sie ein wahre Richtschnur seien, den Willen Gottes zu erkennen, und nach denselben ein heiliges Gott wohlgefälliges Leben anzustellen) die Tugenden von den Lastern zu unterscheiden, das Gute zu tun, und das Böse zu lassen: Endlich kam er auf das Evangelium, und sagte mir von Christi Geburt, Leiden, Sterben und Auferstehung; zuletzt beschloß ers mit dem jüngsten Tag, und stellet' mir Himmel und Höll vor Augen, und solches alles mit gebührenden Umständen, doch nit mit gar zu überflüssiger Weitläufigkeit, sondern wie ihn dünkte, dass ichs am allerbesten fassen und verstehen möchte; wann er mit einer materia fertig war, hub er ein andere an, und wusste sich bisweilen in aller Geduld nach meinen Fragen so artlich zu regulieren und mit mir zu verfahren, dass er mirs auch nicht besser hätte eingießen können; sein Leben und seine Reden waren mir eine immerwährende Predigt, welche mein Verstand, der eben nicht so gar dumm und hölzern war, vermittels göttlicher Gnad nicht ohn Frucht abgehen ließ, allermaßen ich alles dasjenige, was ein Christ wissen soll, nicht allein in gedachten dreien Wochen gefaßt, sondern auch ein solche Lieb zu dessen Unterricht gewonnen, dass ich des Nachts nicht davor schlafen konnte.
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