Fridolinskapelle
Kurz vor Schwyz, in Ried, besuche ich die Fridolinskapelle. Zum Dank für die gute Überquerung des Haggenegg möchte ich eine Kerze anzünden, habe jedoch keine passende Münze. Ich denke mir, die Bezahlung kann ich sicherlich auch an einem späteren Ort nachholen, der Herrgott wird das hoffentlich so akzeptieren.
Während des Gebets hat mich jedoch die Mutter Gottes so mitleidsvoll angesehen, dass ich als guter sparsamer Schwabe schweren Herzens eine 5-Franken-Münze in den Opferstock warf.
Als guter Schwabe habe ich jedoch nicht versäumt, sie ob dieser reichlichen Gabe auch gleich noch um gutes Wetter und Unterkunft für heute zu bitten! Und im Nachhinein kann ich sagen, diese fünf Franken haben sich gelohnt. Auf Mama Maria ist eben Verlass.
In Schwyz besuche ich die barocke Pfarrkirche St. Martin und bewundere dann die wunderschönen alten Gebäude im Stadtzentrum. Traumhaft schön. Der Blick auf die Speisekarte eines Restaurants wandelt beim Blick auf die Preise jedoch den Traum unverzüglich zum Albtraum. Ich werde hoffentlich heute Abend, egal wo ich mich auch befinde, ein pilgerfreundliches Restaurant finden. Wenn nicht, dann werde ich mich wohl oder übel einer Fastenkur unterziehen müssen.
Zahnwehkapelle
Von Schwyz aus geht’s durch Ibach nach Brunnen am Vierwaldstättersee. An den Wegen gibt es Dutzende kleiner Kapellen für jegliche Anlässe oder als Sühne für irgendwelche Mord- oder sonstige Untaten. Hier komme ich an der Zahnwehkapelle vorbei, welche angeblich die Schmerzen lindert, so man eines Gebetes mächtig ist. Im Hintergrund wachen der große und der kleine Mythen über das Land.
Brunnen – war eigentlich als mein heutiges Etappenziel vorgesehen. Ich gehe gleich zur Schiffsanlegestelle und erkundige mich nach der nächsten Verbindung hinüber nach Treib. Der Verkäufer meint, ich hätte Glück. In einer halben Stunde verkehrt das nächste Schiff. Es ist sogar der einzige noch im Betrieb befindliche Raddampfer auf dem Vierwaldstättersee. Nachdem es jetzt angenehm warm und sonnig ist, will ich die Schifffahrt entsprechend genießen und löse deshalb gleich ein Ticket weiter bis nach Beckenried.
Raddampfer
Bei einer kühlen Cola vom nahen Kiosk warte ich auf mein Schiff. Majestätisch und vorne am Bug reichlich mit Blumen geschmückt, fährt es vom See zur Anlegestelle herein. Beim Einsteigen kommen auch noch die zwei Pilgerinnen aus Tettnang angestürmt. Sie fahren aber nur hinüber nach Treib, um von dort weiterzugehen. Dann wird das voraussichtlich unser letztes Aufeinandertreffen. Wir verabschieden uns schon mal vorsichtshalber und wünschen uns „Buen Camino“. Und im nächsten Moment sind die zwei schon nicht mehr zu sehen.
Dampferfahrt
Ich genieße die Schifffahrt. Im Restaurant trinke ich zuerst eine gemütliche Tasse Kaffee und mache anschließend einen Schiffsrundgang, welcher bei der Größe des Schiffes entsprechend schnell beendet ist. Eigentlich kaum möglich, aber die zwei Pilgerinnen sehe ich nirgends. Erst als sie in Treib das Schiff verlassen, winken wir uns zum Abschied nochmals kurz zu. Ich glaube, die Ältere der zwei wäre am liebsten auch bis Beckenried gefahren.
Wunderbar ist der Blick über den See zurück nach Brunnen mit den zwei Mythen, meinen treuen Begleitern seit Einsiedeln. Kleine blaue Inseln in den Wolken lassen die Sonnenstrahlen auf dem Wasser aufblitzen und einzelne Berge um den See hell erstrahlen. Das gedämpfte und gleichmäßige Stampfen der Schaufelräder durch das Wasser hat eine beruhigende Wirkung und ist angenehm anzuhören. Ich setze mich auf eine Bank, schließe die Augen und genieße den Augenblick.
Jödelichor
Und wenn man denkt, diese Heimatfilmatmosphäre könnte nicht mehr getoppt werden, dann täuscht man sich gewaltig. Vorne im Schiff sitzt ein Schweizer Jödelichor und singt die schönsten Jodellieder.
Diese Ruhe, das leise Stampfen der Schiffsräder, der Chorgesang, der von einer traumhaft schönen Bergwelt eingebettete See. Für das Erlebte hier und jetzt könnte ich mir in keinem Theater der Welt den Eintritt leisten.
Bei herrlichem Sonnenschein komme ich in Beckenried an und beschließe, gleich hier nach einem Quartier zu suchen und den Tag gemütlich ausklingen zu lassen. Bei Familie Scheuber, direkt am See, Zimmer mit Balkon und Seeblick hab ich das große Los gezogen. Gemütlich, bezahlbar und mit herrlicher Aussicht.
Nach einer kurzen Pause und der Besichtigung der großen Kirche finde ich abends auf Empfehlung von Frau Scheuber gleich in der Nähe ein gutes Lokal. Ein wunderbarer Speisesaal mit Rundumblick auf den See und das Bergpanorama machen das wunderbare Essen zu einem Hochgenuss für Leib und Seele. Und ein frisch eingeschenktes Glas Bier, welches ich noch in aller Ruhe gemütlich genießen kann, runden einen wunderschönen Tag vollendet ab.
Abend am See
Beim abendlichen Blick von meinem Balkon über den See kann ich auf meine heutige Tagesetappe sehen, welche jenseits des kleinen und großen Mythen begonnen hat. An den zwei Bergen vorbei ging es über den Haggenegg und danach hinunter nach Schwyz und weiter nach Brunnen an den Vierwaldstättersee mit der romantischen Schifffahrt hierher nach Beckenried. Heute trägt die Zufriedenheit meinen Namen. Das ist ein schönes Gefühl.
18. Pilgertag, Dienstag, 05.05.2015
Beckenried–Gisigen: 24 km, Gesamt: 343 km
Nach einem wunderbaren ausgedehnten Frühstück starte ich in den heutigen Tag. Es geht zuerst am See entlang bis nach Buochs. Dort verlasse ich den Vierwaldstättersee und komme bald nach Stans mit der schönen Wallfahrtskirche St. Peter und Paul.
Frühling/Winter
Bis Stans war es eben, und ich konnte immer wieder den Blick vom Frühling hinauf in die winterlichen Berggipfel genießen. Neben mir auf den Streuobstwiesen stehen die ersten Obstbäume bereits voll in Blüte. Ich habe verschiedene Jahreszeiten im Blick.
Ab Stans wird es richtig hügelig. Keine großen Berge, aber trotzdem hab ich während des Tages sehr viele Höhenmeter zu überwinden.
Außerdem befinde ich mich offenbar wieder in der gastronomischen Diaspora. Ich komme immer mal durch kleine Weiler. Da erwarte ich gar keine Gastwirtschaft, aber leider finde ich nicht einmal einen kleinen Laden. Offensichtlich war ich in der Früh einfach nachlässig, als ich an einigen Supermärkten vorbeiging, ohne meinen Proviant wieder aufzufüllen. Diese Lektion lerne ich heute ausgiebig. Bequemlichkeit beim Einkaufen wird auf einem Pilgerweg zu Fuß gnadenlos mit Hunger und Durst bestraft. Auch das Gehen wird durch den Energieabfall nicht unbedingt zur Vergnügungsreise.
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