„Aber Toni, ich dachte, du willst etwas von mir?“
„Das ist tatsächlich so, aber ich habe einen bestimmten Plan, den kein Mensch erfahren soll.“
„Also können wir nicht …?“
„Nicht auf diesem Schiff!“
„Ich will nicht, dass du mit Paul etwas anfängst.“
„Aber es ist nur ein böses Spiel.“
„Was für ein Spiel?“
„Das kann ich dir jetzt nicht sagen, vielleicht später einmal. Ich habe deine Adresse und werde dir schreiben. Ich verspreche es dir.“
„Nur damit du‘s weißt: Paul ist uralt, der kriegt sein verrostetes Ding bestimmt nicht mehr hoch. Glaub mir!“
„Darum geht es mir überhaupt nicht. Du kannst es nicht verstehen, erst später.“
Diesmal küsste mich Toni in aller Öffentlichkeit mitten auf den Mund, aber da keiner aus unserer Reisegruppe in der Nähe war, war das kein Thema.
Dichtung ist, wenn man etwas verdichtet. Wollte ich dich verdichten oder war es nur ein Traum, in dem ich im Geiste herumwandelte? Warst du mein Dichtungsring am Abflussrohr meiner Träume und Gedanken, oder brach diese Abdichtung und meine Dichtung schoss unaufhaltbar hinunter in den Abwasserkanal?
Beim Abendessen hatte sich Toni den Teller vollgeladen und sagte mit vollem Mund kauend:
„Ich habe, glaub ich, schon drei Kilos abgenommen von dem Stress.“ Gisela schob mit der Gabel ein einziges Stück Gurke hin und her und erwiderte höhnisch:
„Auch wenn du dich noch so anstrengst, du bekommst keinen unserer Männer, und dein Richard, der ist tot! Du bist alleine! Und überhaupt, was willst du von Reiner oder Paul, die beiden sind uralt. Da geht nichts mehr im Bett!“
„Vielleicht bringt Reiner nur mit dir nichts im Bett zustande, weil du so eine Schreckschraube bist und die ganze Zeit wie ein Sauertopf dreinschaust.“
Ich saß da und schaute Paul an, als ob ich ihn fragen wollte: Stimmt das? Aber er schien gar nicht zugehört zu haben, wie immer war er in seine Ägyptologie-Welt abgetaucht.
Später stritten Paul und ich in der Kabine. Ich schrie ihn mit gebleckten Zähnen an. Ich wollte ihn jetzt endlich mal aus der Reserve locken. Schließlich hatte ich ja jetzt so was wie Toni im Hintergrund. Über meine Gefühle war ich mir nicht klar. Wollte ich mit Paul zusammen sein oder mit einer Frau? Was war ein Mann wert, der mich ständig betrog? Was sagte der Kuss einer Frau aus, die ich kaum kannte? Ich war am Rande eines Nervenzusammenbruchs, meine Hände zitterten und meine Mundwinkel zuckten, als ich sagte:
„Hast du dich jetzt auch noch mit dem „Toni-Virus“ infiziert?“
„Was soll das, Annika?“
„Meinst du, ich habe das nicht bemerkt, dass du die ganzen letzten Jahre immer fremdgegangen bist?“
Er wurde blass.
„Wie hast du das bemerkt?“
„Du hast nach Sex gerochen, obwohl du mich gar nicht angerührt hast.“
„Und warum sagst du erst jetzt etwas dazu?“
„Weil ich Toni kenne, deine anderen Weiber kannte ich nicht.“
„Das tut mir leid.“
„Das tut mir leid, das tut mir leid“, äffte ich ihn höhnisch nach. „Und was ist mit mir? Warum hatten wir all die Jahre keinen Sex mehr?“
„Das ist etwas anderes. Du bist meine Frau und ich will dir die Schweinereien ersparen.“
„Seit wann ist Sex eine Schweinerei? Das kann doch auch schön sein!“
„Das ist nicht das, was ich meine …“
„Was meinst du?“
„Das kann ich dir nicht sagen, das ist zu dreckig.“
„So dreckig, dass du es mit anderen Frauen machst?“
„Ja, genau.“
„Und jetzt auch mit Toni?“
„Ich weiß noch nicht.“
„Wenn ich euch erwische, ist Schluss.“
Er wurde kreidebleich.
„Aber Annika, Annika, das kannst du doch nicht machen!“
„Haha, spielst dich immer auf, als ob du alles wüsstest, aber gefühlsmäßig bist und bleibst du ein kleines Würstchen, das deine Mutter immer zur Sau gemacht hat.“
Um vier Uhr morgens erwachte ich. Die andere Bettseite war leer. Paul war nicht da. Ich wusste, dass er zu Toni gegangen war. Ich dachte, ich könnte noch mal schlafen, aber es klappte nicht. Ich wälzte mich hin und her. Gegen sechs Uhr kam Paul zurück. Ich sagte zu ihm: „Jetzt ist es aus!“
„Aber Annika, du bist doch meine Frau!“
„Ach ja?“
Er schlief sofort ein, aber ich wälzte mich so lange herum, bis ich aufstand und hoch an Deck ging. Toni saß alleine oben in einem Liegestuhl, in eine Decke gehüllt und starrte in das Morgengrauen. Morgengrauen sagte ich mir, nicht umsonst hieß das so. Es war eiskalt. Trotzdem setzte ich mich neben sie. Sie schaute mich nicht an und sprach:
„So habe ich mir das nicht vorgestellt.“
„Was?“
„Die Reise.“
„Stimmt etwas nicht?“
„Ja, ich habe Selbstmordgedanken.“
„Wegen mir?“
„Wegen allem. Wenn das morgen passiert, dann nicht wegen dir. Ich liebe und schätze dich, Annika. Ich glaube, wir wären ein gutes Paar. Aber die Männer? Pah!“
„Was ist dir in deinem Leben passiert?“
„Ich werde es aufschreiben und dir schicken, ich habe deine Adresse.“ Plötzlich stand sie auf, küsste mich wieder und verschwand.
Ich wollte ihr hinterhergehen, aber irgendetwas hielt mich zurück. Es war wahrscheinlich jene Mauer, die mir sagte, ein Kuss, aber nicht mehr. Es war für mich rein platonisch. Mehr würde ich ihr niemals geben können. Vielleicht hatte ich mich auch mit Paul in einem Sarg der platonischen Liebe begraben. Ich wusste keine Antwort auf meine Haltung zur Liebe. Irgendwo war sie mir in meiner Beziehung zu Paul völlig abhandengekommen. Wo war ich eigentlich noch? Ich trieb in einem Nowhere, irgendeinem Meer, das die körperliche Liebe nicht kannte.
Ich beobachte wieder die Bienen. Mittlerweile haben sie sich auch das zweite Loch im Tisch ausgesucht. Auch der Mensch braucht immer zwei Optionen. Wäre Toni auch eine Option? Einen Tag später war das Loch, das sich die Bienen als erste Option gesucht hatten, verschlossen. Soll ich mit Paul abschließen?
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