Ester öffnet die Tür, die nach hinten zum festlich geschmückten Garten führt, zur Sonne dieses Sommers. Dann dreht sie sich um, schließt sie wieder und geht auf Ettore zu, der noch steif dasteht, legt diesem von der geballten Abwesenheit auf diesen Bildern gebannten Mann die Hand ans Gesicht und streichelt ihn.
Ettore sagt nichts zu dieser ungewöhnlichen Geste, er lässt es zu, dass seine Schwiegermutter ihn an der Hand nimmt, ihn hinausführt.
Es ist heiß trotz des schattigen Laubengangs unter dem Ziegeldach, das sie in der Hoffnung auf solche Gelegenheiten gebaut haben. Im Garten blühen Blumen, es gibt Kletterpflanzen, die Magnolie, die sich überall ausbreitet mit ihren Ästen und ihren glänzenden Blättern, Ettore schaut sie an und denkt, wie schade es ist, dass ein so schöner Baum nur so kurz blüht. Er denkt, dass er gern eine in ihrem Garten pflanzen möchte, dann sagt er sich, lieber nicht.
Auf dem Tisch liegt eine makellos weiße Tischdecke, man hört den Gesang der Zikaden, wer weiß wo versteckt auf der anderen Seite der wenig befahrenen Straße, die den Garten von einem Feld voller Heuballen trennt.
Ettore setzt sich ans Kopfende des Tisches, Ester geht wieder ins Haus und kommt mit einer Flasche zurück, Weißwein, den mag Ettore nicht, doch er öffnet ihn schweigend, als Ester ihm den Korkenzieher reicht, sie haben noch kein Wort gewechselt. Er gießt sich ein Glas des kalten Weins ein und trinkt es in aller Ruhe, die Beine ausgestreckt, lauscht er der Stille, hört die Geräusche, die Ester bei den letzten Vorbereitungen in der Küche macht, die Worte, die Livio zu Pietro sagt, als sie näher kommen, das Knirschen von etwas, das den Gehweg entlangrollt; dann sieht er Pietro in einem Holzauto sitzen, die Füße von den Pedalen weggestreckt, die sich ins Leere drehen, während Livio ihn anschiebt.
Das Auto ist schön, mit vielen Extras, aufgemalte Scheinwerfer, das Lenkrad ein echtes Lenkrad, die Reifen echte Reifen, und Pietro lacht, rot im Gesicht, aufgeregt, glücklich.
Ettore hebt die Hände, ruft begeistert Bravo!, und Livio freut sich, auch er ist glücklich.
Toll, sagt Ettore, nachdem er einen Schluck Wein getrunken hat.
Ich bin ein Künstler, antwortet sein Schwiegervater.
Sie essen, Ester füttert das Kind, sie hat eine freundliche, alberne Stimme, spielt Flugzeug.
Achtung, Achtung, schwer beladener Frachter setzt zur Landung auf deinem Flughafen an, sagt sie.
Sie lässt den Löffel durch die Luft fliegen, ein paar Nüdelchen fallen auf die weiße, gar nicht mehr so makellose Tischdecke, man sieht jetzt Flecken vom Essen, Brotkrümel, Ringe vom Wein, der fast alle ist.
Ettore steht auf, will abräumen, Ester sagt, lass nur, ruh dich aus, und daraufhin setzt er sich wieder, mustert die Hecke, die das Haus von den anderen Häusern, den anderen Gärten, den anderen Familien trennt, und Livio, der sich mit der Serviette den Mund abwischt.
Ein Spatz landet auf der weißen Tischdecke, pickt mit dem Schnabel einen Krümel auf, fliegt davon, die Magnolienblätter bewegen sich, obwohl kein Wind geht, Sonne und Himmel sind verborgen, Pietro schwenkt die Hände, es sieht aus, als würde er singen, Livio kratzt sich am Arm und fragt Ettore, ob ihm der Wein schmeckt.
Ausgezeichnet, antwortet er.
Der Geburtstagskuchen ist mit Erdbeeren und Kiwi belegt, darunter eine Creme; Pietro sitzt auf den Knien seines Vaters und lacht, als Livio das blaue Kerzchen in der Mitte anzündet, klatscht in die Hände, als es ausgeht, als sie es wieder anzünden und dann wieder auspusten.
Ettore flüstert seinem Sohn Glückwünsche ins Ohr, und während die Sonne wandert und die Zweige der Magnolie sie nicht mehr vor der Sommerhitze schützen können, nimmt er das Stück Kuchen, das Ester ihm abgeschnitten hat, und isst es, als Einziger.
Die Schwiegereltern fischen Kirschen aus dem Korb in der Mitte des Tisches, und das Kind beobachtet sie, ihre Bewegungen, ihr Lächeln, wie hypnotisiert, ganz still, wie alles um sie herum.
Auch Ettore streckt die Hand aus, um eine Kirsche zu nehmen, die größte im Korb. Mit Mühe schneidet er sie entzwei, verschmiert seine Hände, löst den Kern heraus.
Pietro nimmt die Kirsche von der Tischdecke, führt sie an die Lippen, beginnt zu lutschen und langsam zu kauen.
Plötzlich stockt er, läuft rot an, die Hände zu Fäusten geballt, die Arme wie versteinert. Auch Ettore ist versteinert, starr, regungslos, entsetzt schaut er sein Kind an, das erstickt, ihm ist, als sei nichts mehr möglich, alles Angst und Schrecken, nichts zu machen.
Ihm ist, als könne Stillhalten den Augenblick ins Unendliche ausdehnen, und während er seinem Kind starr in die Augen sieht, es hat die gleichen Augen wie seine Mutter, reißt ihm jemand mit einem Ruck den kleinen Kinderkörper vom Schoß, und alles geht auf einmal schneller, bewegt sich rascher, so als müsste die Zeit wieder mit dem Rest der Welt in Einklang kommen.
In der reglosen Luft des Nachmittags hält Ester das Kind am Fußgelenk und schüttelt es mit aller Kraft, Ettore, der es nicht schafft aufzustehen, greift sich an den Kopf, krallt die Hände in die Haare und schaut, nur schauen kann er und hat keine Zeit zu hoffen, denn vor seinen Augen spuckt sein Sohn etwas aus, das im Bogen zu Boden fällt, und dann lacht Ester, dreht das Kind um, drückt es ans Herz und streichelt es; und Ettore, vielleicht aufgerüttelt von dem Ton, den das Etwas beim Aufkommen gemacht hat, erhebt sich, nimmt der Schwiegermutter sein Kind ab und presst es an sich.
Er umarmt es ganz fest, während er Ester sagen hört, er solle es atmen lassen, er drücke ihm ja die Luft ab; er lockert seinen Griff ein bisschen, hört aber nicht auf, es zu streicheln, weiß nicht, was er sagen soll, will nur so bleiben und still dem Weinen seines Sohns zuhören, der noch lebt, diesem heftigen, gesunden Weinen.
Rund um sie fahren Autos und Fahrräder vorbei, keiner der drei verjagt die Spatzen, die auf den Tisch zurückgekehrt sind, um die Krümel und das Obst vom Kuchen aufzupicken.
Keiner sagt ein Wort, kein Laut kommt aus den Nachbarhäusern oder von der Straße.
Ettore hört, wie sich jemand räuspert, es ist Livio, er will etwas sagen, seine Stimme klingt gepresst, seltsam, er räuspert sich noch einmal und setzt erneut an.
Lass ihn hier, sagt er, lass ihn bei uns, gönn dir ein paar Tage für dich.
Es klingt nicht anklagend, sondern freundlich und väterlich, Ettore fühlt, dass er aufatmen kann, dass er ihm vertrauen kann.
Wieder betrachtet er seine Schwiegereltern, ihre Gesichter, ihre Augen, betrachtet ihre Hände und dann seine, betrachtet seinen Sohn, die spärlichen Haare, die Augen, die ihn jetzt suchen, die Haut, die allmählich wieder die gewohnte Farbe annimmt, er betrachtet dieses Gesicht und begreift, dass er für immer sie darin sehen wird, sein Leben lang.
Jetzt lächelt sein Sohn, strengt sich an, die Augen offen zu halten, kämpft gegen den Schlaf, scheint alles vergessen zu haben, als gehöre die Angst von vorher zu einer Welt, die es nicht mehr gibt.
Ettore sieht ihn an und drückt ihn, steht auf und hält Ester das Kind hin. Sie lächelt.
Nimm du ihn, sagt er zu ihr.
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