Mirko Krumbach
Der Hund seiner Nachbarin
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Inhaltsverzeichnis
Titel Mirko Krumbach Der Hund seiner Nachbarin Dieses ebook wurde erstellt bei
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
NACHTRAG
Impressum neobooks
Herr M. war nun maßlos enttäuscht. In diesem Augenblick saß seine Verbitterung tief und wurde, von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag immer beklemmender. Jener unbehagliche Gemütszustand wollte nicht so ohne weiteres von ihm weichen. Sich einfach Abwenden und dieser unerträglichen Lage den Rücken kehren, war undenkbar und schien zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen unmöglich. Deshalb musste in Bälde etwas geschehen!
Selbst ein gehöriges Fluchen, ab und an, brachte seinem Innenleben kein bisschen Erleichterung.
„Diese Unverschämtheit. Was für eine rücksichtslose Zumutung... Hör endlich auf zu jaulen. Dieser verfluchte Köter, wenn ich den erwische“, schimpfte er, und lief dabei zornig durch die Zimmer seiner bescheidenen Wohnung. Ab und an hämmerte er, aus purer Verzweiflung, mit der Faust an einige Zimmerwände, wenn die Störungen von Gegenüber zu ihm herüberdrangen. Geändert hat sich dadurch selbstredend nichts. Ganz im Gegenteil! Der tierische Unruhestifter fühlte sich durch das Klopfen in seinem Tun noch mehr bestätigt und antwortete heftiger, je mehr der Nachbar hämmerte.
So viel Rücksichtslosigkeit! Oder war es schlicht die Gedankenlosigkeit seiner Mitbewohnerin? Es machte ihn vollkommen fassungslos. Völlig schutzlos ergriffen Verzweiflung und pure Ohnmacht von ihm Besitz. Diese Situation war schon zu einem richtigen Dilemma geworden! Es musste unbedingt etwas geschehen! Denn es war, der Herrgott war sein Zeuge, kein erträgliches Leben mehr.
Dabei hatte alles so harmonisch seinen Anfang genommen!
Als die leerstehende Etagenwohnung durch eine nette Mieterin bezogen wurde, war die Freude und Erleichterung riesengroß. Über ein halbes Jahr hatten die Räume, neben seinem Quartier, freigestanden und waren seither vollkommen ungenutzt geblieben. Schlussendlich wurde aus der trüben Ungewissheit eine heitere Gewissheit. Und ein vorläufiges “Happy End“ gab es auch! Denn auf den ersten Blick passte alles auffallend gut zusammen. Die junge Frau, verhielt sich freundlich und zuvorkommend. Darüber hinaus erwies sich ihre Anwesenheit im Haus, in puncto Aussehen und Verhalten, als willkommene Ergänzung zur bestehenden Mieterschaft. Binnen weniger Wochen aber, schlug die frohe Gemütsverfassung von Herrn M., Stückchen für Stückchen, ins Gegenteil um. Dabei war die ruhige Frau nicht die alleinige Ursache für seine getrübte Stimmung, sondern ihr Untermieter auf vier Beinen. Ein Mischlingsrüde mit Rufnamen Bello! Und dem Namen, machte der tierische Gefährte, nach Leibeskräften alle Ehre. Diese Mischung aus Schäferhund und einem Schuss “Gute Laune der Natur“, besaß zuweilen eine äußerst unangenehme Eigenschaft. Die gelegentliche Abwesenheit seiner Halterin, erfüllte ihn mit fast grenzenlosem Unbehagen und einer ungeheuren Anspannung. Die Einsamkeit trieb ihn fast bis zum Wahnsinn. Und so folgte er seinem Instinkt, nach alter Tradition lautstark auf sich aufmerksam zu machen. Hierbei wechselten munter, je nach Stimmungslage ein Wimmern, Jaulen und ein dumpfes, kurzes Bellen einander ab.
Wenige Tage nach den ersten tierischen Störungen, war Herr M., zuversichtlichen Sinnes, an die ahnungslose Hundehalterin herangetreten. Nicht zuletzt, weil sie bei ihm einen offenherzigen und verständnisvollen Eindruck hinterlassen hatte. Seine große Hoffnung dabei: “ In einer unverfänglichen Unterhaltung müsste sich das kleine Problem, ohne viel Lärm aus der Welt schaffen lassen“. Bei nächster Gelegenheit bat er, die völlig verdutzte Frau, die krankhaft lärmende Fellnase nicht alleine in ihrer Wohnung zurückzulassen. Nach seiner unbedarften Meinung hatte ihr Hund große Angst vor dem Alleinsein. Der Hinweis des älteren Herren wurde salopp zur Kenntnis genommen und insgeheim als Einmischung in innerer Angelegenheiten verbucht. So blieb denn auch, in den folgenden Tagen, alles beim Alten. Von einer erhofften Verhaltensänderung war leider nichts zu erkennen. Weder bei “Frauchen“ noch bei “Hundchen“. Frau Y. erledigte ihre Geschäfte nach altbekannter Verfahrensweise. Folglich ging das Gejaule, wenn “Fiffi“ solo war, in gleicher Art und bei gleicher Lautstärke, munter weiter. Leicht einzusehen, dass seine Enttäuschung groß und die Geduld mit Hund und Halterin, jetzt fürs Erste, vollkommen erschöpft war. Über dies war das Nervenkostüm des Nachbarn, durch das häufige Bellen, mehr als in Fetzen gerissen. Flatternd lagen sie, nahezu blank und schutzlos, danieder. Herr M. war sich in einem Punkt sehr gewiss: “Ein erneuter Kontakt geht, mit großer Wahrscheinlichkeit, in einen nimmer enden wollenden Streit über“! Und damit käme letztlich seine gewöhnliche Bitte, nach Rücksichtnahme, einem Gang auf dem Kraterrand eines aktiven Vulkans gleich. Jetzt war guter Rat sehr teuer!
- Bei Meinungsverschiedenheiten, ist die Diplomatie in einem Mietshaus immer eine heikle Angelegenheit! Wer in einem Areal auf engstem Raum lebt, weiß, dass die kleinsten Beschwerden, häufig als Nörgelei und Einmischung in die Privatsphäre empfunden werden. Dadurch droht nicht selten eine zuvor glänzende Stimmung, zwischen Menschen, gefährlich zu kippen. In einem Mehrfamilienhaus ist Verständnis füreinander erforderlich, wenn ein leidliches Miteinander möglich sein soll.-
Auf der einen Seite gab es bei Herrn M. das verständliche Bedürfnis nach Ruhe und ein wenig Rücksicht auf einander. Es besteht in uns allen und ist bei jedem verschieden stark ausgeprägt. Was dem Einen frommt und trefflich unterhält, empfindet der Nächste eventuell als störend. Aber auf der anderen Seite bestand der freundliche, distanzierte Kontakt zu seiner Nachbarin, der auch bitteschön so bleiben sollte. Doch wie erhält man sich den Respekt, bei einem lockeren Umgang, der mehr durch häufige Abwesenheit und Unwissenheit geprägt ist, als durch Nähe und Gemeinsamkeiten? Bei diesem zerbrechlichen und empfindlichen Sozialgefüge, konnte ein falsches Wort, ein Ton zu streng und reglementierend, die schönsten nachbarschaftlichen Beziehungen vollkommen ruinieren. Ganz davon abgesehen, dass man sich, mit solchen moralischen Attacken seine Wohnqualität erheblich mindert.
Das bis zu diesem Zeitpunkt ruhige Mehrfamilienhaus, verfügte über acht Wohneinheiten. In Größe und Ausstattung verschieden ausgelegt. Wochentags wirkte das Anwesen fast wie ausgestorben. Die Mehrheit der Bewohner gingen ihren verschiedenen Beschäftigungen, oder einem notwendigen Broterwerb nach. Nach Feierabend, sowie an den Wochenenden, kümmerte sich jede Mietpartei um seine eigenen, privaten Angelegenheiten. Damit blieben verbindende Sozialkontakte eine kostbare Seltenheit. Wenn sie denn einmal stattfanden, dann eher auf der unteren höflichen, immer noch distanzierten Weise. Ein lässiger Gruß, gefolgt von der Frage nach dem gegenseitigen Wohlbefinden. Abschließend rundeten Fachsimpeleien über das Wetter den zufälligen Kontakt gefühlvoll ab. Hernach ging jeder seiner Wege. Hier und da wurde, bei Abwesenheit des Anderen, bereitwillig ein Paket angenommen und abends bei seinem Nachbarn sittsam an der Tür abgegeben. Alsbald herrschte wieder die gewohnte Ruhe und Eintracht. So war es schon seit Jahren eingeübte Praxis.
Dieser lockere, oft zufällige und anspruchslose Sozialkontakt war Herrn M. wichtig. Um nicht zu betonen, sehr wichtig! Er hätte sich gerne mehr gewünscht. Aber das war unter den gegebenen Umständen, bisher leider nicht möglich gewesen. Jedoch diesen kleinsten, gemeinschaftlichen Grundkonsens galt es nun, beherzt zu verteidigen; bevor weitere Unholde und Störenfriede sich an dem Verhalten, der jungen Frau und ihrem Hund, ein schlechtes Beispiel nehmen konnten! Aber wie, um Himmels Willen, es am vernünftigsten anstellen, ohne das Gemüt des neu Zugezogenen empfindlich zu stören!?
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