Sir Arthur Conan Doyle - Der Hund der Baskervilles

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"Nichts ist trügerischer als eine offenkundige Tatsache" (Sherlock Holmes).
"Im Jahr 1878 hatte ich meinen Doktor an der Medizinischen Fakultät der Universität London gemacht und im Royal Victoria Military Hospital Netley die für Militärärzte vorgeschriebene medizinische Spezialausbildung absolviert." – So beginnt ein Mythos. Sir Arthur Conan Doyles Detektivgeschichten wurden oft kopiert, vielfach verfilmt und mehr als einmal fürs Fernsehen adaptiert. Aber woher rührt eigentlich die Faszination für den kühlen Logiker Sherlock Holmes und seinen Kompagnon Dr. Watson?
Viermal ließ der britische Autor sein berühmtes Duo insgesamt auf Romanlänge ermitteln, jeder Band avancierte rasch zum Klassiker der Kriminalliteratur. Der dritte Fall mit dem Originaltitel The Hound of the Baskervilles – Another Adventure of Sherlock Holmes erschien zuerst von August 1901 bis März 1902 als monatlicher Vorabdruck im «Strand Magazine». Die erste Buchausgabe folgte am 25. März 1902 bei Georges Newnes, London.
Bei der vorliegenden Fassung handelt es sich um eine vollständige Neuübersetzung von Susanne Luber. Dazu gibt's ein Kompendium zum Holmes-Kosmos mit einem Who's who, einer Einführung in den Kriminalroman von Joachim Kalka und einer Doyle-Chronik.

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SIR ARTHUR CONAN DOYLE

Der Hund der Baskervilles

Der dritte Sherlock-Holmes-Roman

Leipziger Ausgabe

Vollständig neu übersetzt und mit Anmerkungen versehen von

Susanne Luber

neu gefasst und mit Anmerkungen versehen von

Gerd Haffmans

HAFFMANS VERLAG

BEI ZWEITAUSENDEINS

Die englische Originalausgabe The Hound of the Baskervilles erschien zuerst von 1901 bis 1902 im Strand Magazine, London, die Buchausgabe folgte 1902 bei Georges Newnes, London, und McClure, Phillips & Co., New York.

Die deutsche Erstausgabe erschien in der Übersetzung von Heinrich Darnoc im Verlag Richard Lutz, Stuttgart 1903.

Weiteres in der Editorischen Notitz am Schluss des Bandes.

1. Auflage, Winter 2021.

Alle Rechte vorbehalten. Alle Rechte an dieser Neuedition & Neuübersetzung vorbehalten.

Copyright © 2021 by Haffmans Verlag bei Zweitausendeins Versand-Dienst GmbH, Bahnhofstr. 30, 82340 Feldafing.

Gestaltung & Produktion: Zweitausendeins.

Umschlagsillustration: Christiane Nebel.

ISBN 978-3-96318-137-5

Inhalt

1. Kapitel: Mr Sherlock Holmes

2. Kapitel: Der Fluch der Baskervilles

3. Kapitel: Das Problem

4. Kapitel: Sir Henry Baskerville

5. Kapitel: Drei gerissene Fäden

6. Kapitel: Baskerville Hall

7. Kapitel: Die Stapletons von Merripit House

8. Kapitel: Dr Watsons erster Bericht

9. Kapitel: Das Licht im Moor (Dr Watsons zweiter Bericht)

10. Kapitel: Auszug aus Dr Watsons Tagebuch

11. Kapitel: Der Mann auf dem Black Tor

12. Kapitel: Tod auf dem Moor

13. Kapitel: Die Netze werden ausgelegt

14. Kapitel: Der Hund der Baskervilles

15. Kapitel: Ein Rückblick

ANHANG

Anmerkungen

Editorische Notiz

Kompendium

Bemerkungen zu Sherlock Holmes von Joachim Kalka

Eine Einführung in den Kriminalroman

Who’s Who

Kleine ACD-Chronik

1. Kapitel

Mr Sherlock Holmes

Mr Sherlock Holmes, der am Morgen normalerweise spät aufstand, sofern er nicht, was durchaus vorkam, die ganze Nacht wach blieb, saß am Frühstückstisch. Ich stand auf dem Kaminvorleger und nahm den Stock zur Hand, den unser Besucher am Abend zuvor hier vergessen hatte. Es war ein schönes, kräftiges Stück Holz mit kugelförmigem Knauf, ein Stock von der Sorte, die man als Penang Lawyer bezeichnet. Direkt unterhalb des Knaufes saß ein fast zollbreites silbernes Band. »Für James Mortimer, M. R. C. S. von seinen Freunden im C. C. H.« war darauf eingraviert, ergänzt durch das Datum »1884«. Es war der typische Stock eines altväterlichen Hausarztes – solide, würdevoll und vertrauenerweckend.

»Nun, Watson, was machen Sie daraus?«

Holmes kehrte mir den Rücken zu, und ich hatte durch nichts auf meine Beschäftigung schließen lassen.

»Woher wussten Sie, was ich gerade tue? Ich glaube wirklich, Sie haben Augen am Hinterkopf.«

»Jedenfalls habe ich eine blankpolierte silberne Kaffeekanne vor mir stehen«, antwortete er. »Aber sagen Sie, Watson, was lesen Sie aus dem Stock unseres Besuchers? Da wir ihn unglücklicherweise verfehlt haben und sein Anliegen nicht kennen, ist dieses zufällige Fundstück von gewisser Bedeutung. Lassen Sie hören, wie Sie sich den Mann vorstellen, nach seinem Stock zu urteilen.«

»Ich meine«, antwortete ich, indem ich mich nach besten Kräften bemühte, die Methoden meines Gefährten anzuwenden, »Dr Mortimer dürfte ein älterer Arzt mit gut gehender Praxis sein und überdies ein angesehener Mann, wenn ihm seine Freunde so ein Zeichen ihrer Wertschätzung schenken.«

»Gut«, sagte Holmes. »Ausgezeichnet!«

»Ferner denke ich, die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er ein Landarzt ist, der einen guten Teil seiner Krankenbesuche zu Fuß macht.«

»Weshalb?«

»Weil dieser Stock, der ursprünglich sehr edel war, jetzt so abgeschabt ist, dass ich ihn mir kaum in der Hand eines Londoner Arztes vorstellen kann. Die dicke eiserne Spitze ist stark abgenutzt, was zeigt, dass sein Besitzer tüchtige Märsche damit unternommen hat.«

»Sehr einleuchtend«, sagte Holmes.

»Und dann, die Inschrift ›Freunde im C. C. H.‹ Ich möchte annehmen, das ›H‹ bezieht sich auf ›Hetzjagd‹ und gemeint ist eine ländliche Jagdgesellschaft. Vielleicht hat er deren Mitgliedern ärztlichen Beistand geleistet, wofür sie sich mit diesem Präsent bedankt haben.«

»Wirklich, Watson, Sie übertreffen sich selbst«, sagte Holmes, indem er seinen Stuhl zurückschob und sich eine Zigarette anzündete. »Ich muss sagen, dass Sie in all den Geschichten, in denen Sie freundlicherweise von meinen bescheidenen Leistungen erzählen, Ihre eigenen Fähigkeiten immer unter den Scheffel gestellt haben. Sie mögen vielleicht kein brillanter Denker sein, aber Sie verhelfen anderen zur Erkenntnis. Es gibt solche Menschen, die selbst kein Genie besitzen, dafür aber die bemerkenswerte Gabe, es in anderen zum Leuchten zu bringen. Ich muss zugeben, mein Lieber, dass ich tief in Ihrer Schuld stehe.«

Nie zuvor hatte er so viel gesagt, und ich gebe zu, dass seine Worte mich tief berührten, denn seine gleichgültige Haltung gegenüber meiner Bewunderung für ihn und gegenüber meinen Bemühungen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf seine Methoden zu lenken, hatten mich oft verletzt. Auch machte es mich nicht wenig stolz, dass ich mir seine Denkmethode gut genug angeeignet hatte, um sie in einer Art und Weise anzuwenden, die seinen Beifall fand. Er nahm mir den Stock aus der Hand und betrachtete ihn eine Weile mit bloßem Auge. Sein Interesse schien geweckt, denn er legte die Zigarette weg, trat mit dem Stock ans Fenster und nahm in noch genauer unter die Lupe.

»Interessant, wenn auch elementar«, sagte er, während er zu seiner Lieblingsecke des Sofas zurückkehrte. »Zweifellos gibt der Stock uns ein paar Anhaltspunkte und damit die Grundlage für mehrere Deduktionen.«

»Habe ich etwas übersehen?« fragte ich ein wenig selbstgefällig. »Ich hoffe doch, mir ist nichts Wichtiges entgangen?«

»Ich fürchte, mein lieber Watson, Ihre Schlussfolgerungen sind zum größten Teil falsch. Als ich sagte, Sie würden mich anregen, meinte ich damit, ehrlich gesagt, dass gerade Ihre Trugschlüsse mich gelegentlich auf die richtige Spur bringen. In diesem Fall liegen Sie aber nicht völlig falsch. Ganz bestimmt ist dieser Mann ein Landarzt. Und er ist viel zu Fuß unterwegs.«

»Dann hatte ich doch recht!«

»In diesem Punkt, ja.«

»Aber das ist doch alles.«

»Nein, nein, mein lieber Watson, das ist nicht alles – bei Weitem nicht alles. Ich würde es für wahrscheinlicher halten, dass ein Geschenk für einen Arzt eher von einem Hospital kommt denn von einer Jagdgesellschaft, und wenn vor dem ›H‹ die Buchstaben ›C. C.‹ stehen, kommt einem sofort ›Charing Cross Hospital‹ in den Sinn.«

»Da könnten Sie recht haben.«

»Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür. Und wenn wir das als Arbeitshypothese nehmen, haben wir eine neue Basis für die Rekonstruktion unseres unbekannten Besuchers.«

»Nun denn, nehmen wir an, ›C. C. H.‹ steht für ›Charing Cross Hospital‹ – welche weiteren Schlüsse können wir denn daraus ziehen?«

»Finden Sie nicht, dass diese sich geradezu aufdrängen? Sie kennen meine Methoden. Wenden Sie sie an!«

»Mir fällt lediglich der naheliegende Schluss ein, dass der Mann erst in London praktiziert hat, bevor er aufs Land gezogen ist.«

»Ich glaube, wir dürfen ruhig noch ein wenig weiter gehen. Betrachten Sie die Sache aus folgendem Blickwinkel: Bei welcher Gelegenheit wird so ein Geschenk normalerweise gemacht? Wann tun Freunde sich zusammen, um jemandem als Zeichen ihrer Wertschätzung ein Präsent zu verehren? Vermutlich zu dem Zeitpunkt, als Dr Mortimer seinen Dienst im Krankenhaus quittiert hat, um eine eigene Praxis zu eröffnen. Wir wissen, dass der Stock ein Geschenk ist. Wir nehmen an, dass der Mann von einem Londoner Krankenhaus in eine Landarztpraxis gewechselt ist. Gehen wir in unseren Schlussfolgerungen zu weit, wenn wir annehmen, das Geschenk wurde ihm anlässlich seines Abschieds gemacht?«

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