Hassan Blasim - Der Verrückte vom Freiheitsplatz

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Wie erzählt man von einem Land, das sich seit 35 Jahren im Krieg befindet? Von Geiselnehmern in Bagdad, der institutionalisierten Paranoia unter Saddam, dem Soldaten mit den hellseherischen Fähigkeiten, den Hasen in der Grünen Zone, dem Lied der Ziegen, den 1001 Messern und dem Mehlsack voller Köpfe? Wie erzählt man von der Psyche des Krieges, von dem alltäglichen Horror, der immer mehr Menschen zur Flucht zwingt? Und wie erzählt man von denen, die fliehen? Von den geheimen Pfaden der Emigration, von den Menschenhändlern in den Wäldern Serbiens, von Alis Tasche, von dem Massaker in einem LKW nach Berlin, von den Albträumen des Carlos Fuentes und vom fatalen Lächeln des Emigranten in der Nazi-Bar?
So wie Hassan Blasim. Seine Geschichten schildern den Irak der letzten Jahrzehnte als surrealistisches Inferno – den Krieg mit dem Iran, die Herrschaft und den Sturz Saddam Husseins, die Besatzungszeit, die Eskalation der Gewalt und die sich ausdehnende Wüste der Erinnerung – und sie erzählen von der Emigration, von den Grenzen und Zäunen, den Ämtern und Verstecken, der Einsamkeit und der Entfremdung, der die Flüchtlinge ausgesetzt sind. Vor allem aber erzählen sie von Menschen, von ihren Traumata und Albträumen, von ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, von ihrem Schmerz und ihren Strategien, in einer wahnsinnigen Wirklichkeit zu überleben.

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Als der zweite Golfkrieg ausbrach, wurde ich einberufen. Mein Vater und mein Onkel saßen da und überlegten, was zu tun sei. Mein Onkel hatte den Kriegshorror der Iran-Front nicht erlebt. Er arbeitete in der Direktion der Staatssicherheit im Stadtzentrum. Mein Vater beschloss, mich nicht in den Tod gehen zu lassen. »Sie können doch nicht meinen einzigen Sohn umbringen.« Mein Onkel stritt mit ihm. Er legte ihm seinen Standpunkt aus der Perspektive seines Büros dar. Der Sohn seines Bruders als Fahnenflüchtiger!? »Willst du, dass sie uns alle, samt unseren Frauen hinrichten?« Als mein Vater unerbittlich blieb, drohte mein Onkel, mich mit eigener Hand zu verhaften, wenn ich mich meiner Wehrpflicht entzöge. Da warf ihn mein Vater hinaus. »Hör zu«, rief er, »ich bin zwar ein friedlicher Mensch, aber das ist mein Sohn, Fleisch von meinem Fleisch. Wenn du das tust, werde ich dir den Kopf abschneiden.« Mein Onkel war an jenem Abend besoffen und wild wie ein Stier. Laute Beschimpfungen ausstoßend, verließ er unser Haus, während mein Vater aufstand, sein Gebet verrichtete und rasch seine Seelenruhe zurückgewann: »Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem vermaledeiten Satan … Er ist mein Bruder… Er hat das nur im Suff gesagt … Er hat ein gutes Herz …«

Drei Monate blieb ich im Haus eingeschlossen. Militärpolizisten und Staatssicherheitsleute füllten die Straßen, und mein Vater beschloss, dass ich nicht mehr am Tag arbeiten sollte, damit die Nachbarn mich nicht bemerkten. Nur bei Nacht schlich ich mich wie ein Dieb auf den Hof, eine Laterne in der Hand, setzte mich neben die Säcke mit den Auberginen, den Gurken, den Paprika und vertiefte mich in die Arbeit und in Gedanken über mein Leben. In einer leeren Milchdose mischte ich Arrak mit Wasser, um meinen Vater nicht zu verärgern. Ich verbrachte die Nacht im Suff mit jeder Art Essiggemüse, die der Panzerführer produziert hatte. Der Alkohol strömte mir durchs Blut, und wie ein Kind kroch ich zur Senkgrube, presste mein Ohr auf den Betondeckel und lauschte. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich ihn lachen hören und spürte seine nackte Schulter. Seine Haut war warm nach dem vielen Spielen und Toben. An sein Gesicht konnte ich mich nicht mehr erinnern. Das einzige Foto von ihm hatte meine Mutter, und sie ließ niemanden auch nur in seine Nähe. Sie bewahrte es im Kleiderschrank in einer kleinen Holzschachtel auf, die mit einem Pfau bemalt war.

Früh am Morgen stand mein Vater auf und fand mich meistens am selben Ort schlafend. Er berührte mich mit der Hand. »Geh rein, Junge … Ich bete zwei Niederwerfungen für dich und bitte Gott, dich zu schützen.« Es entging ihm nicht, dass ich trank. Doch für ihn bestand die Religion nicht aus Prophetenvorschriften, Schariabestimmungen und Verboten. Für ihn hieß Religion Nächstenliebe. Das war seine Antwort an alle, die mit ihm Fragen von erlaubt und verboten oder Regeln der Scharia diskutieren wollten. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem er auf dem Fußballplatz in Tränen ausbrach. Mir war das fürchterlich peinlich und ich schämte mich. Die Genossen der Baathpartei hatten drei junge Kurden neben dem Fußballplatz hingerichtet. Sie hatten sie an Holzpflöcken festgebunden und sie vor den Augen der Bewohner des Viertels erschossen. Vorher hatten sie mit Lautsprechern angekündigt: »Das sind Verräter und destruktive Elemente, die es nicht verdienen, das Brot unseres Landes zu essen, sein Wasser zu trinken und seine Luft zu atmen.« Und wie üblich ließen die Parteigenossen die Leichen an den Holzpflöcken stehen, damit die Leute das Geschehene nicht so rasch vergaßen. Mein Vater kam, um mich zum Kino abzuholen. Er war besessen von indischen Filmen. Als er unser Tor sah, dem der Querbalken fehlte, begriff er, dass wir unsere Tore aus jenen Holzpflöcken gemacht hatten. Die eingetrockneten Blutspuren waren noch zu sehen. Mein Vater brach in Tränen aus, als einer der Jungen rief: »He, Onkel! Es fehlt noch ein Querbalken. Könnte man nicht nochmals einen hinrichten. Dann gäb’s einen weiteren Pfosten.«

An einem Sommerabend wurden wir wieder bombardiert. Mein Onkel klopfte ungeduldig an der Tür. Meine Mutter zählte Geld und legte es in ein leeres Tomatenglas. Mein Vater und ich spielten Schach. Er hätte mich mühelos in kurzer Zeit besiegen können, aber er mochte meine Freude, wenn ich ihm seine Bauern nahm. Er führte mir diese und andere Figuren deckungslos vor, als wollte er sie opfern. Schließlich blieben ihm nur noch der König und die Königin. Doch dann begann er, mit seiner schwarzen Königin, meine Heerscharen zu zerfetzen und mich schachmatt zu setzen.

Mein Vater ging hinaus, um meinem Onkel aufzumachen. Meine Mutter legte das Kopftuch um und folgte ihm. Zu dritt standen sie neben der Senkgrube und diskutierten intensiv, aber mit gedämpfter Stimme. Noch etwas benebelt vom Rausch der vergangenen und in Erwartung des Rauschs der kommenden Nacht beobachtete ich sie durchs Fenster. Meine Mutter lief weg, um etwas zu holen. Mein Vater und mein Onkel leerten ein mit Kohl gefülltes Fass. Meine Mutter brachte einen Hammer und einen Nagel, die wir unter der Treppe aufbewahrten. Mein Vater legte das Fass auf die Erde und begann, mit Hammer und Nagel kreuz und quer Löcher hineinzuschlagen. Er hatte seine Prothese nicht an und hüpfte deshalb auf einem Bein um das Fass herum, als ob er spielte oder tanzte. Mein Onkel fuhr sein Auto direkt ans Tor, und gemeinsam luden sie die Fässer mit Essiggemüse auf. Dann kam mein Vater schwitzend ins Zimmer.

»Hör zu«, sagte er. »Die Zeit drängt. Dein Onkel hat erfahren, dass die Staatssicherheit und die Partei am frühen Morgen alle Häuser durchsuchen wollen. Dein Onkel hat verlässliche Freunde in Aurân. Er bringt dich dort für ein paar Tage unter, bis bei uns alles wieder ruhig ist.«

Ich kroch in das leere Fass, meine Mutter schloss den Deckel, mein Vater und mein Onkel hievten mich ins Auto.

Mein Vater hatte recht, als er sagte, er kenne das Herz seines Bruders. Mein Onkel lenkte das Auto wie wild geworden kreuz und quer durch die Straßen, um mein Leben zu retten. Er kam ungeschoren bis an den Stadtrand. Aber an allen Ausfallstraßen hinaus in die Provinzen und die Dörfer standen Militärkontrollen. Die einzige Lösung für ihn war, Nebenstraßen zu benutzen. Er fuhr durch die Getreidegebiete im Osten der Stadt. Vielleicht hatte er, völlig durcheinander, wie er war, vergessen, dass es geeignetere Routen gab. In der Stadt wusste jedes Kind, wie unwegsam die felsige Hügelkette hinter den Getreidefeldern war. Vielleicht hatten ihn ja auch die Bilder der in seinem Amt gefolterten Menschen durcheinandergebracht. Vielleicht hatte er sich vorgestellt, seine Sektion werde ihn in Lauge auflösen – ihn, den Sicherheitsoffizier, der den Sohn seines Bruders in einem Fass aus der Stadt schmuggelte! Er steuerte das Auto ziemlich unsicher zwischen den Getreidefeldern hindurch. Die Schlaglöcher brachen mir fast die Rippen, und der Staub, den das Auto aufwirbelte, drang statt Luft durch die Löcher im Fass, in dem es stank wie die toten Katzen auf der Müllkippe in unserem Viertel. Hatte mein Onkel im Keller des Staatssicherheitsgebäudes auch Fingernägel herausgerissen, Augen ausgekratzt oder seinen Opfern mit einem heißen Bügeleisen die Haut verbrannt? Vielleicht führten ihn ja die Seelen der Gefolterten zum Abgrund. Vielleicht meine böse Seele. Vielleicht auch jene Seele, die, vergänglich und rätselhaft, alles auf dieser endlichen Welt niederschrieb.

Sieben Fässer blieben wie schlafende Tiere im Dunkeln am Fuße des Abhangs liegen. Das Auto hatte sich überschlagen, als mein Onkel versuchte, den zweiten Hügel zu überqueren. Die Fässer rollten mit dem Auto den Abhang hinab. Ich verbrachte die Nacht bewusstlos in meinem finsteren, verschlossenen Fass. Am frühen Morgen drangen Sonnenstrahlen durch die Löcher im Fass – Atemfäden, die einen Ertrinkenden erreichten. Mein Mund war voller Blut, meine Hände zitterten. Hoffnung und Furcht zerrten an mir. Ich betrachtete die Strahlen, die sich im Fass seltsam kreuzten. Und ich versuchte, Ordnung in mein durchgeschütteltes Gehirn zu bringen. Mir war, als hätte ich Tonnen von Marihuana geraucht: ein Fisch, der in einer Sardinendose aufwacht, ein toter Wurm in einem verlassenen Brunnen, ein verwesender Embryo mit zermalmten Knochen in einem fassförmigen Mutterleib. Schließlich krallte sich in meinem Gehirn das Bild meines Bruders fest, der in der Senkgrube versinkt und dem ich folge.

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