Verteidiger Heer Was ist Ihnen zum Ablauf der Observation des LfV bekannt geworden?
Jürgen D. Das Ergebnis.
Verteidiger Heer Ist Ihnen mal der Gedanke gekommen, dass Ermittlungsschritte dokumentiert werden müssen, um sie nachvollziehen zu können?
Jürgen D. Deswegen habe ich ja um Übersendung von Dokumenten seitens des LfV gebeten. Ich habe von einem Mitarbeiter des LfV Einblick in den Observationsbericht bekommen, aber übergeben wurde er mir nicht.
Anwalt Reinecke Sind Sie mal auf die Idee gekommen, dass, wer illegal im Untergrund lebt, sich nicht legal finanziert?
Verteidiger Stahl Ich beanstande diese Frage.
Götzl Wir verhandeln hier einen festgelegten Bereich, der durch die Anklage umrissen ist. Defizite von Ermittlungen sind bekannt durch die Berichte der Untersuchungsausschüsse. Es ist nicht angeklagt der Umstand, ob die Zielfahndung ordentlich vorgenommen wurde oder nicht. (Der Zeuge verlässt den Saal.)
Verteidigerin Sturm Wir widersprechen der Verwertung der Angaben des Zeugen D. zu dem Ermittlungskomplex »Garage«.
5. September 2014
Manfred Götzl, Richter. Jan C., 33, Kriminalbeamter beim BKA. Wolfgang Heer, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben.
(Der Zeuge war einer der Beamten, die Enrico Theile vernommen haben, der bereits an den Tagen 94, 108 und 122 vor Gericht ausgesagt hat. Die NSU-Ermittler haben Enrico Theile in Verdacht, Teil der Lieferkette gewesen zu sein, durch die der NSU die Tatwaffe Česká 83 aus der Schweiz erhalten hat.)
Jan C. Herr Theile wurde in Karlsruhe vorgeladen, er erschien, wurde nach Waffen durchsucht und zur Vernehmung gebracht. Herr Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof Weingarten hat ihn belehrt. Es wurde ihm erklärt, dass er als Bindeglied zwischen Herrn Müller aus der Schweiz und dem Herrn Jürgen Länger infrage kommt, der im Verdacht stand, ihm die Tatwaffe verkauft zu haben. Herr Theile sagte, er höre zum ersten Mal von dem Tatvorwurf gegen Länger. Es wurde ja auch bei ihm durchsucht. Und da stand ja drin, dass der Verdacht gegen Länger bestand. Er hatte den Durchsuchungsbeschluss mehrmals gelesen. Er kannte den Vorwurf. Theile machte sich dann unglaubwürdig, weil er angab, nur von seinen Eltern in der JVA besucht worden zu sein. War aber nicht so. Er hat sich gleich am Anfang unglaubwürdig gemacht, mehrmals gelogen, so wurde die Vernehmungsatmosphäre entsprechend angepasst. Man sagte ihm, dass man ihm nicht glaubt. Das wurde auch wortstark mitgeteilt.
Götzl Was ist mit »wortstark mitgeteilt« gemeint?
Jan C. Die Fragen wurden in gesteigerter Lautstärke wiederholt.
Verteidiger Klemke Was verstehen Sie unter gesteigerter Lautstärke?
Jan C. Dass man die Stimme um einige Dezibel steigert.
Verteidiger Klemke Kam es einem Brüllen oder Schreien nahe?
Jan C. Es kam einem Brüllen nahe, aber nicht gleich.
Verteidiger Klemke Hielt sich das durch?
Jan C. Nein, die Lautstärke wurde wieder runtergefahren.
Verteidiger Klemke Und wurde die Lautstärke auch wieder hochgefahren?
Jan C. Ja, zum Ende hin. Sowohl von Herrn Weingarten als auch von mir.
Verteidiger Klemke Wurde die Lautstärke im Protokoll vermerkt?
Jan C. Nein.
Verteidiger Klemke Warum nicht?
Jan C. Weiß ich jetzt nicht mehr, warum.
(Der Zeuge verlässt den Gerichtssaal.)
Verteidiger Heer Wir widersprechen der Verwertung der Bekundungen des Zeugen C. wegen Verstoßes gegen die Vernehmungsvorschriften.
Verteidiger Klemke Die Verteidigung Wohlleben schließt sich an.
(Im Anschluss betritt Ronny Eminger den Saal, ein weiterer Bruder des Angeklagten André Eminger. Er beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als naher Angehöriger und sagt ansonsten nichts.)
16. September 2014
Manfred Götzl, Richter. Christian M., 59, und Patrick R., 41, Kriminalbeamte der Kantonspolizei Bern.
(An diesem Tag geht es um die Aufklärung der Spuren in die Schweiz. Von dort soll laut den Ermittlungen die Tatwaffe Česká 83 nach Jena und schließlich zu den untergetauchten Neonazis nach Chemnitz gelangt sein. Laut Anklage kam die Waffe vom Schweizer Waffengeschäft Schläfli & Zbinden über den Schweizer Anton Peter G. und dessen Bekannten Hans-Ulrich Müller an Enrico Theile und von ihm über den Tauchlehrer Jürgen Länger an den Szeneladen Madley. Dort kaufte sie der Angeklagte Carsten Schultze von einem Mitarbeiter namens Andreas Schultz. Es geht um Vernehmungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 – also noch vor dem Auffliegen des NSU.)
Christian M. Herr G. sollte einvernommen werden wegen der Beschaffung von Waffen. Ich habe ihm eine Frage gestellt, er hat geantwortet, die Fragen waren auf den Auftrag abgestimmt. Es ging darum, dass er zwei respektive eine Waffe beantragt hat mit einem oder zwei Waffenerwerbsscheinen. Wie dann der Weg war, konnte oder wollte Herr G. nicht sagen. Er hat auch erklärt, dass er eine schwere Krankheit erlitten hat und er sich dadurch nicht mehr erinnern konnte. Mein Eindruck war, dass das ein bisschen vorgeschoben war.
Götzl Was hat er zu den Waffenerwerbsscheinen gesagt?
Christian M. Dass sie irgendwie verlustig gegangen seien.
Götzl Ob er Waffen erworben hat, hat er dazu etwas gesagt?
Christian M. Soweit ich weiß, hat er gesagt: Er habe keine Waffen selber gekauft.
Götzl Haben Sie ansonsten noch Erinnerungen an das Verhalten von Herrn G.?
Christian M. Ich habe ihn außerhalb des Protokolls gefragt, ob er denn die Wahrheit gesagt habe. Da hat er nur so ein Achselzucken gezeigt, gesagt hat er nichts.
(Auch der nächste Zeuge ist ein Schweizer Polizist.)
Götzl Uns geht es um Vernehmungen, die Herrn G. und Herrn Müller betreffen. Bitte berichten Sie, wie es dazu gekommen ist, uns interessieren auch der Inhalt und das Verhalten des Herrn G..
Patrick R. Der Auftrag kam von Deutschland. Es ging um die Česká-Waffen, in unserem Bereich betraf es drei. Eine Durchsuchung sollte durchgeführt werden, anwesend waren auch drei Kollegen aus Deutschland. Herr G. blieb dabei, dass er diese Waffen nicht gekauft haben will. Ich hatte das Gefühl, dass er mir nicht alles sagte. Aber ich hatte nichts Konkretes in den Händen. Mit Ausnahme vielleicht des Waffenbuches von Schläfli & Zbinden, in dem er aufgeführt ist.
17. September 2014
Manfred Götzl, Richter. Patrick R., 41, Kriminalbeamter der Kantonspolizei Bern.
(Die Vernehmung des Schweizer Polizisten wird fortgesetzt.)
Götzl Nun zur Einvernahme von Herrn G. im Jahr 2012. Bitte sagen Sie uns, wie es dazu kam und was der Inhalt war.
Patrick R. Zu der Einvernahme kam es aufgrund der Information aus Deutschland, dass die Waffe in der Brandruine in Zwickau gefunden wurde. Anhand der Waffennummer ließ sich feststellen, dass es eine Česká war, die laut Waffenbuch Schläfli & Zbinden an Herrn G. versandt worden war. Herr G. wurde mitgenommen auf die Polizeiwache in Thun, es wurde eine Verteidigung zugemessen. Der Anwalt war von Beginn der Einvernahme anwesend. Herr G. wurde angesprochen, ob er die Angaben seiner früheren Einvernahmen bestätigen könne. Er sagte, grundsätzlich ja, wollte aber eine Änderung anfügen. Er gab an, dass er die Waffenscheine einem Herrn Müller für 400 Franken übergeben habe, Grund dafür seien Geldprobleme gewesen. Herr Müller soll ihm gesagt haben, dass er, G., es gar nicht wissen wolle, wohin die Waffen gingen. Herr G. bestritt weiter, dass er die Waffen je in Händen gehalten hat.
Götzl Wie kam es denn jetzt dazu, dass er Herrn Müller ins Gespräch brachte?
Patrick R. Es ist eine Vermutung von mir: Er hat gemerkt, dass er mit den bisherigen Aussagen wahrscheinlich nicht weit kommen wird.
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