Ich konnte feststellen, dass diese drei Ströme zusammen ein starkes Potenzial besitzen, unser Selbstverständnis zu vertiefen und unsere Kommunikationsgewohnheiten zu verändern. In den Anfangsjahren meiner Praxis entdeckte ich viele Synchronizitäten zwischen diesen Methoden und den ihnen zugrunde liegenden Theorien. In meiner Begeisterung vollführte ich einige geistige Verrenkungen in dem Versuch, die Methoden miteinander in Einklang zu bringen, auf der Suche nach einer kohärenten übergreifenden Systematik. Es dauerte seine Zeit, bis die verschiedenen Perspektiven sich in mir setzten und ich erkannte, dass es sich dabei schlicht um verschiedene Möglichkeiten handelte, menschliche Erfahrungen zu verstehen. Zwar überschneiden sie sich in einigen Bereichen, doch sie müssen nicht perfekt zusammenpassen, um nebeneinander zu funktionieren oder sich gegenseitig zu fördern.
Wenn mehrere Ströme zusammenfließen und einen Fluss bilden, lässt sich nicht mehr unterscheiden, woher das Wasser kommt. Und so können diese drei Ansätze und ihre jeweiligen Praktiken gewissermaßen als ein Fluss betrachtet werden, ein nahtloses Ganzes, in dem jeder Strom verschiedene Facetten der ganzheitlichen Erfahrung des Lebendigseins beschreibt und vertieft.
In diesem Sinne sind auch die Inhalte dieses Buches zu einem Ganzen zusammengefügt. Zwar spreche ich nicht explizit über die buddhistischen Lehren, aber jene Leser, die damit vertraut sind, werden ihre Weisheit durchscheinen sehen. Auch das Somatic Experiencing streife ich eher flüchtig (mit Ausnahme eines wichtigen Abschnitts zu herausfordernden Situationen in Kapitel 13). Statt zu versuchen, das Wasser des Flusses diesem oder jenem Strom zuzuordnen, konzentrierte ich mich darauf, ein möglichst verständliches Handbuch zu den Grundlagen der zwischenmenschlichen Kommunikation zu verfassen, das seinen Leser:innen dabei helfen soll, das eigene Leben ganz konkret in die Hand zu nehmen und positiv zu verändern.
Drei Schritte, drei Grundlagen
Menschliche Kommunikation ist komplex. In jeder Interaktion gibt es unzählige Faktoren. Unsere Emotionen, Gedanken und Überzeugungen beeinflussen sowohl die verbale als auch die nonverbale Ebene. Wir müssen eingefahrene Beziehungsmuster überwinden, sei es zwischen zwei Individuen oder zwischen den Gruppen und Gemeinschaften, denen wir angehören. Der hier dargestellte Ansatz besteht in drei Schritten, um eine gelingende Kommunikation zu ermöglichen. Die Schritte selbst sind denkbar simpel:
Mit Präsenz beginnen
Eine innere Haltung von wohlwollendem Interesse einnehmen
Sich auf das Wesentliche konzentrieren
Jeder Schritt ist Bestandteil einer weitaus umfassenderen und fundierteren Schulung. Ähnlich wie wenn man auf drei massiven Steinen einen schnell fließenden Fluss überquert, ist jeder Schritt nur so solide und sinnvoll wie das Fundament, auf das er gesetzt wird. Um uns also auf den Weg zu machen und ganz im Moment zu sein, müssen wir uns in der ersten Grundlage der achtsamen Kommunikation schulen: Präsenz. Eine innere Haltung von wohlwollendem Interesse wurzelt in unserer Intention. Bei der Konzentration auf das Wesentliche geht es darum, unsere Aufmerksamkeit zu verfeinern, sodass wir unsere Unterscheidungsfähigkeit stärken, uns im Klaren darüber sind, was wesentlich ist, und unseren Fokus flexibel und angemessen verlagern können. Die ersten drei Teile dieses Buches widmen sich der Praxis dieser drei Grundlagen, während es im vierten und letzten Teil darum geht, sie zusammenzufügen.
Wie Sie mit diesem Buch arbeiten können
Ein Buch über Kommunikation zu lesen ist ein bisschen so, als würde man eine Gebrauchsanleitung zum Schwimmen studieren. Ganz egal, wie klar und detailliert sie auch geschrieben sein mag, man kann nicht schwimmen lernen, ohne ins Wasser zu springen. Dieses Buch ist dazu konzipiert, im Leben angewandt zu werden. Sie können es als Leitfaden für Gespräche betrachten, als eine Karte, die die Landschaft abbildet, durch die Sie sich bewegen. Es wird Ihnen wahrscheinlich am besten dienen, wenn Sie langsam vorangehen und sich beim Lesen Zeit nehmen, jeden Abschnitt zu integrieren. Jedes Konzept, jede Analogie und jede Idee ist dazu da, dass Sie sie in Ihrem Leben auf die Probe stellen. Probieren Sie es aus, finden Sie heraus, was für Sie hilfreich ist, und basteln Sie daran herum.
In jedem Kapitel gibt es praktische Anregungen dazu, wie Sie die Methoden und Konzepte umsetzen können. Fangen Sie klein an, in Situationen, in denen nicht allzu viel auf dem Spiel steht. Um noch einmal auf die Analogie des Schwimmenlernens zurückzukommen: Man lernt nicht schwimmen, indem man sich an einem stürmischen Tag in die Fluten des Ozeans stürzt. Vielleicht überlebt man es, aber sicher nicht, ohne zu kämpfen und ziemlich viel Salzwasser zu schlucken. Und danach wird man wahrscheinlich nicht so bald wieder schwimmen gehen wollen! Es ist viel leichter, am flachen Ende eines Schwimmbeckens anzufangen, am besten an einem warmen Tag.
Genauso wenig empfehle ich Ihnen, die hier vorgestellten Methoden auf der Stelle und in dem schwierigsten Gespräch oder der problematischsten Beziehung Ihres Lebens auszuprobieren. Lernen Sie zuerst zu schwimmen, bilden Sie die entsprechenden Fähigkeiten aus. Wann immer möglich, halten Sie nach Situationen Ausschau, in denen Ihnen das Üben leichtfällt und in denen Sie experimentieren und lernen können, ohne auf allzu großen Widerstand zu treffen. Vielleicht möchten Sie dieses Buch auch mit jemandem zusammen lesen, sodass Sie einen Partner oder eine Partnerin für die Übungen haben. Oder Sie probieren die Methoden mit einem nahen Freund oder jemandem aus Ihrer Familie aus, der beziehungsweise die Ihnen humorvoll zur Seite steht, während Sie die unbeholfenen ersten Schritte beim Erlernen einer neuen Sprache machen.
Denn genau so ist es: Kommunikationsfertigkeiten zu erlernen hat bemerkenswerte Ähnlichkeiten damit, eine neue Sprache zu lernen. Es erfordert Wiederholung. Je öfter Sie üben, desto eher können Sie flüssig sprechen. Und selbst wenn Sie bloß ein paar Worte einer neuen Sprache kennen, wird Ihnen das dabei helfen zu sagen, was Sie meinen. Ich ermutige Sie also, jeden Tag ein wenig zu üben, sei es mithilfe der formalen Übungen oder in alltäglichen Unterhaltungen. Selbst fünf Minuten täglicher, absichtsvoller Übung werden mit der Zeit Wirkung zeigen.
Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte sowie eine Reihe von Fragen und Antworten. Viele dieser Fragen beruhen auf Transkripten von Workshops und Retreats. Sie sollen einige der häufigsten Fragen aufgreifen, die sich möglicherweise auch Ihnen auf dem Weg stellen. (Namen oder Details von Geschichten wurden zum Teil geändert, um die Privatsphäre der jeweiligen Personen zu wahren.) Die Schlüsselbegriffe im Zusammenhang mit achtsamer Kommunikation sind bei ihrer erstmaligen Erwähnung kursiv gesetzt, Sie können sie im Glossar am Ende des Buches nachschlagen. Die Anmerkungen, ebenfalls am Ende des Buches, enthalten weiterführende Informationen und Referenzen, die für Sie interessant sein könnten.
Schließlich möchte ich noch auf eine wichtige Unterscheidung hinweisen, die sich durch das Buch zieht. In jedem Kapitel finden Sie Prinzipien, die den zugrunde liegenden Ethos oder das Ziel eines bestimmten Kommunikationsaspekts wiedergeben. Außerdem finden Sie Übungen, die Ihnen dabei helfen sollen, die Methoden und Prinzipien auf konkrete Weise in Ihrem eigenen Leben umzusetzen. Ihnen werden Prinzipien begegnen, wie beispielsweise »Je bewusster wir sind, desto mehr Möglichkeiten haben wir«. Und Sie werden entsprechende Übungen finden – manche können Sie machen, während Sie lesen, andere können Sie in Ihre Kommunikation im Alltag mitnehmen. Zu besagtem Prinzip der Bewusstheit kann es zum Beispiel eine Anleitung zum achtsamen Atmen geben.
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