Da meine Eltern, wie so viele erfolgreiche Kaufleute für den Konzern arbeiteten und es aber in unserer Zeit eine Widerlichkeit ist arbeitslos zu sein, hatten sie uns im Stich gelassen. Unter dem Vorwand, für die Familie Geld zu verdienen, ließen sie uns zurück. Als sie hörten,dass ihre Tochter erkrankte, zahlten sie einen Basisplatz im Krankenhaus, besuchen kamen sie die Kleine aber nie. Sie waren so herzlos wie die meisten in dieser Welt. Einnahmen maximieren und Ausgaben minimieren. Mit der Einlieferung meiner kleinen Schwester fiel das Kindergeld weg und so beschlossen sie, die Kosten nicht mehr zu tragen und an mich abzugeben, „denn ich hätte ja eh nichts Besseres zu tun und sollte Verantwortung übernehmen lernen.“
Eine billige Ausrede, um sich der Verantwortung Eltern zu sein zu entziehen. Sie erzählten mir, ich solle das Sorgerecht für ein paar Monate übernehmen, damit sie sich voll und ganz auf die Karriere im Konzern konzentrieren könnten. Gutwillig und naiv wie ich war, willigte ich ein.
Sie kamen nie zu uns zurück.
Ich kann mich noch wie gestern an den Schock und die Realisierung dieses Zustandes erinnern.
„Sie werden nicht zurückkommen, oder?”
Doch es brachte mich nicht voran, sie zu verfluchen. Ich las also die Zeitung weiter und versuchte diese ekelhafte Erinnerung wieder in meinem Unterbewusstsein zu begraben.
Börsenartikel, Technikartikel und einen großen Artikel über emotionale Gesundheit. Ich lachte leise, bis meine Stimme wieder verstummte. Die Gesellschaft schläft, wie sie es auch vor 100 und 200 Jahren tat. Während Feiern, Großveranstaltungen und die Begierde nach einem ereignisreichen Leben im Fokus des Lebens standen, setzten die Regierungen der Welt sich immer wieder zusammen, um Gesetze zur Kontrolle zu erbringen. Dass ich in dieser Zeit geboren wurde, heißt nur, dass ihr Plan aufgegangen ist. Die Reichen wurden noch reicher und die Armen immer ärmer. Bis zum Wirtschaftszusammenbruch 2083. Ein siebenjähriger Bürgerkrieg gegen den Staat und die Reichen begann. Doch die Schlüsselpositionen in diesem Krieg waren von Reichen ohne Herz besetzt. Wenn diese sich damals anders entschieden hätten … sich entschieden hätten, für das Wohl der Allgemeinheit, statt für ihr eigenes zu kämpfen, vielleicht hätten wir dann eine zufriedene Gesellschaft und keine, die sich gegenseitige Zufriedenheit vorgaukelt, um über die wachsenden vorhandenen Probleme hinwegzusehen. Diese Gesellschaft war eine tickende Zeitbombe und ein Massensterben des armen Menschen Ihr Ergebnis.
„Aber Hey, bis das passiert lebe ich ja schon nicht mehr oder?“.
Das 21. Jahrhundert brachte neben Krieg, Extremismus, Wirtschaftskrisen, wachsenden Umweltproblemen und Flüchtlingspolitik auch das Problem der Gier mit sich. Es war zu spüren, dass es viele Menschen gab, die sich die Regierung nicht mehr gefallen lassen wollten, und auch die Regierung wusste zum damaligen Zeitpunkt, worauf es hinauslaufen würde. Es gab keine Lösungsansätze, sondern nur Hass. Hass, der sich in die Herzen der Menschen einbrannte.
Ich merkte, wie mit jedem einzelnen Gedanken mein Kaffee zu sinken begann. Als er leer war, zog ich meine Kleidungsstücke an und machte mich auf den Weg ins lokale Krankenhaus.
Es war Zeit, meine Schwester zu besuchen. Auf dem Weg sah ich überall die Marken der Unternehmensgruppe an Straßenschildern, in der Bahn; überall Impulse in dieser Stadt, die doch so gerne noch futuristischer wäre, um dem schlafenden Kritiker, der ich bin zu zeigen, dass sie alles richtig gemacht hatte.
Ein kurzer Blick aus dem Fenster, zeigte mir den lokalen Bezirkspark, den Ort, den ich am liebsten mit meiner kleinen Schwester besuchen würde.
In der Bahn wurde ich mit schamhaften Blicken der Kaufleute und Karrierejäger begrüßt. Ich setzte mich in die hinterste Reihe und versuchte mich, mit Piano-Musik aus vergangenen Tagen, zu beruhigen. Kunst war ein seltenes aber nie vergangenes Gut. Aber die Mainstream Medien und ihre Musik haben mir nie wirklich zugesagt. Außerdem wurden ja auch sie, die „Künstler“, vom Konzern ausgewählt und publiziert.
Ich entspannte mich und ließ meine Gedanken, nachdem ich einen Timer auf 15 Minuten gestellt hatte, erneut in die Leere gleiten.
„Überall diese Impulse, psychologische Schlagwörter soweit das Auge reicht, die absolute Reizüberflutung.“
Bei der Zielstation angekommen, richtete ich meine Klamotten, soweit man eine schwarze Jeans und ein dunkelgraues T-Shirt richten konnte. Auch mein Mantel hatte schon bessere Zeiten gesehen. Ich ging auf das Krankenhaus zu. Wie in jedem Laden des Konzerns wurde ich zuvor auf meine Identität überprüft. ID Karten mit elektronischer Identifikationskontrolle und Tracker. Ein Gesetz, das über den Konzern und die Lobby-Gesellschaften durch die Politik des Systems ermöglicht wurde.
Auch hier war der Aufschrei groß, doch getan hat am Ende niemand was. Das Stadium der Akzeptanz war auch in diesem Punkt schnell erreicht.
Die Massenmanipulation hatte seinen Auftrag erfüllt und die Oberschicht wachte zufrieden über alles andere.
„Genug davon“, dachte ich mir und freute mich, meine kleine Schwester wiederzusehen. Auch für meine emotionale Gesundheit war es schön, einen Menschen zu haben, mit dem ich mich austauschen konnte.
Ich betrat nach meinem Identitätsscan ihr Zimmer. Ein junges blondhaariges Mädchen. Ihr gesundheitlicher Zustand war nicht gut, das sah man ihr an. Aber ihre Freude war echt, und genauso war es meine. 12 Jahre alt. Es war eine Schande für mich, dass ich ihr nicht die Hilfe geben konnte, die ich geben wollte.
Das System gab mir keine Arbeit. Ich war „Emotional unzurechnungsfähig“. Das Social-Ranking-System des Staates hatte mich so eingestuft, und was die Analyse dieser verdammten Maschinen, die sich Regierung nannte, sagten, das war hier Fakt.
Das, was ich an Sozialhilfe bekam, floss zu 55 % in die Behandlung meiner Schwester, so lebe ich zwar in Armut, aber glücklich. Ich hoffte, meine Schwester hätte ein schönes Leben vor sich, nicht wie der Nichtsnutz, der ich war.
Sie lernte fleißig jeden Tag und sie bekam eine staatliche Förderung für Kranke, die nachweisen konnten, dass sie überdurchschnittlich intelligent sind. Ich dachte nicht, dass ich trotz meines Talentes für das limbische System, noch großartig was in dieser Welt ändern würde. Aber meine überdurchschnittlich intelligente kleine Schwester könnte es. Sie interessierte sich auch schon in ihren jungen Jahren für die Politik und ich dachte, dass sie eine realistische Chance hätte, etwas zu bewegen. Deshalb, und weil ich sie liebte, lebte ich mit Stolz in Armut, um ihr eine Zukunft zu ermöglichen, die besser war als meine eigene.
Ich habe ein Dach über dem Kopf und führe ein glückliches Leben.
Als ich den Raum betrat, schrie sie: „Super-Hobbs“, ein Spitzname, den sie mir gab. Ich erzählte ihr als kleines Kind, Super-Hobbs wäre der große Held unserer Familie, der sie immer vor allen Monstern beschützen würde, wenn es dunkel ist und sie allein Angst im Krankenhaus hätte. Einige Wochen später dann fing sie an, mir diesen Spitznamen zu geben. Sie sagte: „Du beschützt mich, also bist du auch Super-Hobbs!“
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