Bärbel Kempf-Luley
Mit Illustrationen von Sanne Dufft
ELEFANT IM FLUR
FAULE OMA
FAHRRAD FAHREN
FERNSEHEN
SAUBER MACHEN
SPIELPLATZ
MALEN
BLÖDE OMA
HAARE
WANDERN
KAKAO
WIE HEISST DU?
ES IST SO HEISS
ÜBERNACHTEN
VERSTECKEN
SPIELREGELN
ZEIT HABEN
SCHLÜSSEL WEG
FESTGEWACHSEN
LATERNE
KASPERLETHEATER
OMA WOHNT JETZT WOANDERS
NIKOLAUS
SCHNEE
IHR KINDERLEIN KOMMET
DIE AUTORIN
»Mensch, Oma! Komm! Ich muss Pipi.«
Oma wurschtelt in der Küche.
»Geh schon. Ich komm gleich.«
Nora bleibt an der Küchentüre stehen. Sie blickt in den Flur, dann zur Oma.
»Nein, du sollst mit!«
»Ich komme sofort. Geh ruhig schon.«
»Nein. Du sollst mit! Jetzt!« Noras Stimme klingt weinerlich. Und schrill.
Die Oma seufzt. Sie wischt sich die Hände trocken, ergreift Noras Hand, und gemeinsam marschieren sie durch den Flur zum Klo.
Während Nora in die Kloschüssel plätschert, denkt die Oma nach. Sie hockt auf dem Badewannenrand und erforscht Noras Gesicht.
»Du magst nicht alleine durch den Flur, stimmt’s?«
Nora schüttelt den Kopf.
»Hast du Angst?«, fragt Oma.
Nora nickt.
»Und wovor?«
»Vor dem Elefanten!«
Nun ist Oma überrascht. Vor dem Elefanten? Hm.
»Ich wusste gar nicht, dass ein Elefant in meinem Flur wohnt. Bist du dir da sicher?«
Wieder nickt Nora. Offenbar ist sie ganz sicher.
»So, so. Also ein Elefant. Bei mir im Flur. Was machen wir denn da?«
Nora zuckt mit den Schultern. Während sie die Hände wäscht, überlegt Oma, was zu tun ist.
»Ein Elefant in meinem Flur! Na warte! Der zahlt hier keine Miete, also muss er gehen. Das wäre ja noch schöner. Und dann einfach heimlich hier wohnen! Unsichtbar. Und ich merke das nicht! Weißt du was? Ich find zwar Elefanten nett, aber nicht in meiner Wohnung. Wenn er mal muss? Was dann? Dann stolpere ich womöglich über Elefantenkacke im Flur. Nein, das geht nicht.«
Elefantenkacke im Flur findet Nora beinahe lustig. Lustiger jedenfalls als Elefanten im Flur.
Oma nimmt Nora an die Hand und öffnet energisch die Tür.
»Hallo? Elefant? Wo bist du? Ich weiß jetzt, dass du da bist. Du brauchst dich gar nicht zu verstecken.«
Aber der Elefant gibt keine Antwort. Im Flur ist es still. Sehr, sehr still. Unheimlich still. Dann knackt es. Nora blickt entsetzt zur Oma auf. Auch die ist erschrocken. Huch! Dann fällt ihr ein, dass es oft so knackt. Es ist ein altes Haus, mit viel Holz gebaut. Manchmal knackt es in der Treppe, manchmal in den Holzdecken, ab und zu knackt es vom Speicher herunter.
»Nein, das ist kein Elefantenknacken. Das ist nur ein Holzknacken.«
Nora ist nicht überzeugt. Oma stampft mit dem Fuß auf und ruft laut:
»He, du Elefant! Komm raus!«
Nichts.
Nun versucht es Nora. Aufstampfen und:
»He, du Elefant! Komm raus!«
Wieder nichts.
Zusammen: »He, du Elefant. Komm raus!«
Doch der Elefant mag nicht. Oma überlegt.
»Weißt du was, Nora? Ich glaub, der Elefant hat Angst!«
Nora staunt. Ein Elefant hat Angst? »Obwohl der sooo groß ist?«
Oma nickt. »Ja. Was glaubst denn du? Ganz Große haben manchmal ganz große Angst vor ganz Kleinem.«
Nora lässt sich das durch den Kopf gehen. Könnte was dran sein. Ihre kleine Schwester hat manchmal sogar Angst vor winzigen Käfern. Und überhaupt. Ihre Oma muss das wissen. Ist ja schon groß. Plötzlich tut der Elefant ihr leid.
»Elefant? Komm doch raus! Du musst keine Angst haben!«
Und Oma fügt hinzu: »Ja. Du musst keine Angst haben. Wir laden dich zum Apfelpfannkuchenessen ein.«
Nora schüttelt heftig den Kopf. Auch wenn ihr der Elefant nicht mehr gar so unheimlich ist, am Küchentisch möchte sie ihn doch nicht haben.
»Mensch, Oma. Ich mag aber nicht mit dem Elefanten essen. Nur mit dir.«
Oma eigentlich auch. Und überhaupt. So viele Pfannkuchen kann sie gar nicht backen.
»Ja, du hast recht. Ich eigentlich auch nicht. Also, lieber Elefant. Das geht jetzt leider doch nicht. Wir haben gar nicht mehr so viele Eier. Und auch nur zwei Äpfel. Vielleicht ein anderes Mal. Nicht traurig sein.«
Sie horcht. Nora ebenfalls.
»Hast du gehört?«
Nora schüttelt den Kopf.
»Du hast es nicht gehört?«, fragt Oma nochmals erstaunt.
»Nein, Oma. Was denn?«
»Na, das Stampfen. Er ist weggestampft!«
»Wirklich?«
»Ja, ganz wirklich.«
»Für immer?«
»Ja. Für immer.«
»Schade«, sagt Nora, obwohl sie erleichtert ist.
»Ja, schade«, stimmt Oma zu. War doch eigentlich ein Netter, der Elefant. »Na, wie auch immer. Was vorbei ist, ist vorbei. Wir machen jetzt Apfelpfannkuchen.« Und das machen sie.
Nach dem Essen endet Oma wie immer mit dem Spiel, das sie beide so mögen: »Ei, wer kommt denn da daher? Ist das wohl ein brauner Bär?« Beide klatschen mit den Händen auf den Tisch. »Oder gar ein Elefant aus dem fernen Morgenland?« Vier Fäuste donnern auf den Tisch. Einen Moment hält die Oma inne und denkt: »Oder gar ein Elefant …?« Und da begreift sie.
Dann trippeln zwanzig Finger in Windeseile über den Tisch und kitzeln den anderen am Hals. »Nein, es ist ein kleines Mäuschen, und es kommt aus seinem Häuschen, und es macht bei Nora/Oma Kille Kille Käuschen.«
»So.« Oma steht auf. Sie geht Richtung Flur. Dann bleibt sie stehen.
»Ich muss mal. Und du musst mit!«
Nora blickt zur Oma auf. »Was ist, Oma?«
»Ich trau mich nicht.«
»Wieso?«
»Ich … ich glaub, im Flur sind Mäuse!«
Nora lacht. »Mensch, Oma! Im Flur sind doch keine Mäuse.«
»Nicht? Und du bist ganz sicher?«
Nora nickt. Und dann gehen sie zusammen durch den Flur, in dem keine Elefanten wohnen und keine Mäuse und sicher auch keine braunen Bären.
»Mensch, Oma!«, schimpft Nora. »Du bist eine faule Oma!« Sie zieht die Stirn kraus und blickt die Oma streng an.
Die Oma lümmelt auf dem Sofa und seufzt. Sie hat heute keine Lust. Zu gar nichts. Sie will nicht auf den Spielplatz. Sie will nichts malen. Sie will nicht mal was zu essen machen. Das ist doch unerhört! So hatte sich Nora das aber nicht vorgestellt.
»Ach, Nora«, seufzt die Oma wieder. »Wenn ich doch so müde bin? Was soll ich denn machen? Nein, heute mag ich nicht. Heute bin ich faul.«
»Ja, eine faule Socke bist du, Oma! Immer bist du eine faule Socke!«
Jetzt zieht Oma die Stirn kraus. »Hallo? Immer bin ich nicht eine faule Socke. Nur jetzt halt mal. Ich glaube, ich brauche einen Faulsein-Doktor!«
Nora überlegt. Sie verschwindet in die Küche. Etwas scheppert. Etwas klappert. Die Oma wird unruhig.
»Nora? Was tust du da?«
»Nichts, Oma! Bleib schön liegen! Du bist doch heute faul!«
Stimmt ja.
Nach einer Weile taucht Nora wieder auf. Sie hat die Hände voller Gerätschaften. Gerade so, dass sie alles tragen kann. Gerade so, dass ihr nicht alles aus der Hand fällt. Anstrengend. Schwer. Sie stöhnt. Oma blickt besorgt.
»Soll ich dir helfen?«
»Nein. Du bist doch faul heute, Oma. Ich bin der Faulsein-Doktor. Guck mal!« Sie strahlt. Und breitet ihre Gerätschaften auf dem Boden aus. Ein roter Stift. Ein grüner Stift. Ein Schneebesen. Ein Trichter. Ein Gummiband. Tesafilm. Ein Küchentuch.
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