Manchmal geht es auch nicht unbedingt um die eigenen Erfahrungen. Es gibt auch liebende Seelen, die sich mehr oder weniger für andere opfern, sich z. B. dazu bereit erklären, früh zu sterben oder eine Behinderung zu haben, um einer anderen geliebten Seele zur jeweiligen Erfahrung und somit zu Wachstum zu verhelfen. Es sind durchaus auch destruktive und leidvolle Leben voller Qual und Verluste, die wir führen müssen. Genau diese Leben lassen uns am meisten reifen und geben unserer Seele Wachstum. Das Jenseitsmedium Nina Herzberg beschreibt es folgendermaßen:
»Wenn es in der geistigen Welt keine Dualität gibt, also wenn da nur Licht und Liebe ist, dann wirst du dich nicht als Licht und Liebe spüren können, und daher kommst du in eine duale Welt, wo du über Schmerzen wahrnimmst, was Liebe bedeutet, wo du über Hass spürst, was Frieden ist, wo du über körperliche Einschränkungen spürst, was Freiheit bedeutet. Also, diese duale Welt suchen wir uns auf einer Seelenebene aus, um uns selber wahrzunehmen. (…) Auf Seelenebene ist es megaspannend, Leiden zu haben, auch wenn das für dich und für mich rein menschlich gesehen schrecklich ist und wir nicht verstehen, warum man sich so etwas aussuchen sollte. (…) Die geistige Welt hat da nicht diese Bewertung drin. (…) Es wird nicht unterschieden, ob etwas eine schöne oder eine schlechte Erfahrung ist. Es ist beides gleich viel wert.« 11
Auch Elisabeth Kübler-Ross schreibt in ihrem Buch Über den Tod und das Leben danach etwas Wundervolles dazu:
»Die meisten Menschen sehen all ihre schweren Lebensbedingungen, ihr Geprüftwerden, ihre Drangsale, ihre Schrecknisse und alle Verluste als einen Fluch an, als Strafe Gottes, als etwas Negatives. Wenn man doch nur begreifen würde, dass nichts, was einem begegnet, negativ ist, ich betone, ganz und gar nichts! Alle Schicksalsschläge, Leidenserfahrungen und selbst die größten Verluste, die man durchzumachen hat (…) sind alles Geschenke. (…) Es ist eine Gelegenheit, die einem gegeben wird, um seelisch zu wachsen. Dies ist der alleinige Grund unserer Existenz auf Erden. Man kann nicht seelisch wachsen, wenn man in einem wunderbaren Blumengarten sitzt und sich von jemandem auf einem Silbertablett das großartigste Essen servieren lässt. Aber man wächst, wenn man krank ist, wenn man Schmerzen hat, wenn man einen schmerzlichen Verlust entgegennehmen muss.« 12
Es hört sich so einfach an, wenn man selbst nicht betroffen ist. Ist doch halb so wild, ist doch nur für dein Seelenwachstum (ich hoffe, die Ironie ist erkennbar). Erzähl das alles aber mal Eltern, die ihr Kind verloren haben. Sie werden sagen, dass es ihnen vollkommen egal ist und dass es an ihrem Schmerz und der unendlichen Sehnsucht nicht das Geringste ändert. Wir sind aber nicht nur Menschen, wir sind vor allem Seelen. Wahrscheinlich haben wir uns als Seele diese Schicksalsschläge sogar selbst ausgesucht und auf unseren Seelenplan geschrieben. Ich bin empathisch genug, um zu wissen, dass diese Betrachtungsweise mit dem Seelenwachstum nicht unbedingt tröstlich ist, sie nimmt weder den Schmerz noch die Sehnsucht, nichtsdestotrotz ist sie wahr. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir als reine Seelen eine ganz andere Sicht auf die Dinge besitzen. Aber den menschlichen Schmerz und das Leid müssen wir trotzdem erleiden, denn wären diese Gefühle nicht echt, würden wir nichts lernen.
Die Erkenntnis über das Seelenwachstum vermittelt uns auch Catherine, die als Patientin des Psychiaters Dr. Brian L. Weiss in ihren Therapiesitzungen in Trance war und einen unerwarteten Zugang zu ihren früheren Leben und ihrem geistigen Team von Geistführern und Lehrern erhielt. Weiss veröffentlichte diese tiefgründigen Gespräche in seinem Buch Die zahlreichen Leben der Seele. Während einer Sitzung sprach einer der geistigen Lehrer durch Catherine. Auf die Frage, warum wir immer wieder auf die Erde kommen müssen, um zu lernen, und warum wir das nicht auch als Geistwesen lernen können, bekam Weiss folgende Antwort:
»Das sind andere Lernebenen, und wir müssen manche von ihnen in der Inkarnation lernen. Wir müssen den Schmerz spüren. Wenn du ein Geistwesen bist, spürst du keinen Schmerz. Es ist eine Zeit der Erneuerung. Deine Seele wird erneuert. Wenn du dich im physischen Zustand in deinem Körper befindest, kannst du leiden. In der geistigen Form spürst du nichts … Es gibt nur Glück und Wohlgefühl.« 13
Es ist wichtig, die Schmerzen und das Leid anzunehmen und zu ertragen, denn dies ist der wichtigste Grund unserer Inkarnation und unsere größte Lernaufgabe. Womit ich allerdings bei dieser Betrachtungsweise einige Schwierigkeiten habe, das ist die Aufrechterhaltung des Moralbegriffs. Wenn positive und negative Erfahrungen plötzlich eine Gleichwertigkeit erhalten, wie soll man dann noch einen Begriff wie Moral definieren können? Ist es noch verwerflich, einem anderen Menschen Leid zuzufügen, wenn es ihm doch beim seelischen Wachstum hilft? Ich muss zugeben, dass das für mich absolut nicht zu verstehen ist und dass ich dabei mit meinem beschränkten menschlichen Verstand an eine Grenze stoße. Ich bin nichtsdestotrotz weiterhin fest davon überzeugt, dass es richtig ist, anderen Menschen und Tieren zu helfen, denn es ist mein innerer Antrieb, mein Wunsch und das, was mich erfüllt und glücklich macht. Es lässt mein Herz erstrahlen und bringt mich den geistigen Dimensionen voller Liebe ein Stück näher. In der Bhagavad-Gītā (Indische Bibel ➛ Kapitel 4.3.: Involution und vedisches Mysterienwissen ➛Seite 256) wird meine Wahrnehmung durch Krishna, der die Göttlichkeit repräsentiert, bestätigt:
»Ich bin die subtile Kraft in guten Taten, die diese in Einklang mit dem Wohl der Menschheit bringt. Ich bin der angeborene Drang, anderen zu helfen.« 14
In meinen Meditationen, aber zum Teil auch in alltäglichen Situationen, z. B. beim Spazierengehen im Wald, beim Autofahren oder Musikhören, komme ich immer wieder in die Verbundenheit und nehme ein Kribbeln, ein inneres Vibrieren sowie Gänsehaut und Berührungen wahr, manchmal mehr und manchmal weniger. Wenn es intensiv ist, spüre ich, wie unbeschreiblich herrlich es ist, auf Tuchfühlung mit der Seelenheimat zu sein. Ich nehme es definitiv und ohne Zweifel als mein wahres Zuhause wahr, und ein Teil von mir wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich wieder zurückkehren zu dürfen. Ich finde es so wundervoll, in dem Wissen zu leben, dass, ganz egal, was mir in dieser Welt auch geschehen mag, ich niemals tiefer fallen kann als in die Arme der Geistigen Welt, meiner wahren Heimat. Ich habe die Angst vor dem Tod verloren. Die Angst vor dem Sterben ist natürlich noch vorhanden, jeder hat wohl Angst davor, langsam und qualvoll an einer Krankheit oder unter großen Schmerzen zu sterben oder seine Liebsten in Trauer zurücklassen zu müssen. Aber wenn der Tag meines Todes kommt, dann werde ich ihn mit einem Lächeln begrüßen, denn ich weiß, was mich erwartet. So wie ich es wahrgenommen habe, gibt es nichts Wundervolleres, als in die bedingungslose unendliche Liebe der Geistigen Welt zurückzukehren. Und wer nur einmal diese Liebe, die nicht von dieser Welt ist, gefühlt hat, wird sein Leben lang eine fast unerträgliche Sehnsucht danach verspüren. Dies soll jedoch kein Aufruf zum Selbstmord sein, man muss sein Leben mit allen Höhen und Tiefen leben.
Vor einigen Jahren habe ich zufällig im Fernsehen eine Reportage über Menschen gesehen, die ein Nahtoderlebnis hatten. In einem Interview erzählte eine Mutter von zwei kleinen Kindern, dass sie während einer Nahtoderfahrung in der Geistigen Welt eine so große Liebe und Glückseligkeit erfahren habe, dass sie nicht wieder zurückwollte. Sie hatte also eigene Kinder in diesem Leben und wollte dennoch nicht mehr zurück. Damals hielt ich diese Frau für verrückt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es eine Liebe geben könnte, die größer ist als die Liebe zu den eigenen Kindern. Jeder würde doch zu seinen Kindern zurückkehren wollen, in meinen Augen war diese Frau psychisch gestört. In diesem Leben gibt es für mich keine größere Liebe als die Liebe zu meinen Kindern, dennoch kann ich die Frau heute verstehen.
Читать дальше