»Manche beherrschten in ihren vergangenen Leben Sprachen, die sie in diesem Leben weder studiert noch gelernt hatten, dennoch konnten sie sie während der Sitzung sprechen – ein Phänomen namens Xenoglossie und ein erstaunlicher Beweis dafür, dass ihre Berichte der Wahrheit entsprachen.« 8
Ich stellte mir die Frage, wie denn die Seele eigentlich aufgebaut sein muss, und ob die Seele eines Verstorbenen eventuell schon wieder in ein neues Leben inkarniert sein könnte, wenn ich ihn kontaktieren möchte. Dies ist eine von vielen Hinterbliebenen geäußerte Befürchtung, insbesondere von verwaisten Eltern, dass die Seele ihres Kindes womöglich über die Jahre wieder neu inkarnieren könnte, und wenn sie einmal selbst sterben, dass sie die Seele ihres Kindes nicht mehr antreffen würden. Ich habe von verschiedenen spirituellen Lehrern immer die gleiche Antwort darauf bekommen, die für mich sehr stimmig ist. Die Seele eines Menschen ist viel größer als das, was sein Individuum ausmacht. Im Grunde besitzen wir alle ein höheres Selbst, eine Art Hauptseele in der Geistigen Welt, die all unsere Aspekte aus früheren und zukünftigen Leben enthält. Diese Hauptseele verbleibt immer in der Geistigen Welt, und wenn wir inkarnieren, dann werden lediglich Anteile aus dieser Hauptseele extrahiert, kombiniert und zu einer neuen individuellen Menschenseele geformt. Diese Konstellation von Seelenanteilen ist ein Unikat, die es in dieser Form nur einmal geben wird. Diese Menschenseele einer Ich-Person steht allerdings permanent mit ihrer Hauptseele wie mit einer Funkverbindung in Kontakt. Wenn man nun als dieser einmalige Mensch sein Leben gelebt hat, kehren nach dem Tod alle Seelenanteile mit den neuen Erfahrungen in die Hauptseele zurück. Wenn ich also als Oliver eines Tages sterbe, werden meine Seelenaspekte, die mich ausmachten, wieder mit meiner Hauptseele verschmelzen. Dort bin ich auf ewig als Oliver gespeichert und werde in dieser Konstellation auch niemals mehr neu inkarnieren. Ich wäre deshalb auch immer in einem möglichen Jenseitskontakt für meine Hinterbliebenen verfügbar und kann aus meiner Hauptseele als das Individuum Oliver hervortreten. Daher braucht niemand Angst davor zu haben, dass die Seele eines geliebten Menschen schon wieder neu inkarniert ist und nicht mehr angetroffen werden kann. In einer neuen Inkarnation würden wieder neue Anteile meiner Hauptseele miteinander kombiniert und ein neues Individuum geformt. Diese neue individuelle Seele würde dann auch die Erfahrungen und Erinnerungen von mir (Oliver) in sich tragen.
Wenn also Joma davon spricht, dass ich einmal ihr Vater gewesen bin, dann waren das nicht die identischen individuellen Seelenanteile, die Joma ausmachten, sondern es waren andere Anteile ihrer Hauptseele. Und das Gleiche gilt auch für mich. Ich war in diesem früheren Leben nicht die Seele Oliver, sondern eine andere individuelle Seele aus Anteilen meiner Hauptseele. Ich habe nun als Oliver durch die permanente Verlinkung zu meiner Hauptseele eine ständige Verbindung zu allen Seelenanteilen und somit auch zu meinem früheren Leben als Vater des Mädchens, dessen Seele nun auch in Joma verfügbar ist. Wie kann man sich das nun als Mensch begreiflich machen, wo wir uns doch alle auf Erden so sehr als Individuen wahrnehmen? Ich stelle es mir so vor, dass uns bei der Rückkehr in unsere Hauptseele bewusst wird, dass wir als Mensch eigentlich nur in eine Rolle geschlüpft sind. Wir werden uns als ganze Hauptseele wahrnehmen, können aber jederzeit wieder in die jeweiligen Rollen unserer Leben schlüpfen.
Ich bin zu einem anderen Menschen geworden. Um in der Sprache eines Informatikers zu bleiben, habe ich ein Update auf Version 2.0 erhalten. Mein spirituelles Erwachen gab mir das Gefühl, neu geboren worden zu sein. Man darf jedoch nicht vergessen, dass ich nicht nur die wundervollen Dinge, sondern auch die schlimmsten Gefühle mit unendlichem Schmerz, mit Trauer und Sehnsucht in mir trage. Doch mit wem hätte ich meine Liebe und mein Leid teilen können, ohne dass Eifersucht, Unverständnis und Befremden entstehen? Ich glaube, dass es fremde Menschen vielleicht besser verstehen können als mein unmittelbares Umfeld. Auch wenn ich vor allem von meiner Frau mittlerweile unglaublich viel Unterstützung erhalte, bleibt dennoch manchmal das Gefühl, dass egal, was ich sage, denke oder fühle, ich zunächst überprüfen muss, ob ich irgendjemanden aus meiner eigenen oder Jomas Familie damit verletzen könnte. Kaum jemand hat verständlicherweise auf dem Schirm, wie es mir dabei geht. Es ergibt ja von außen betrachtet auch keinen Sinn. Ich weiß, dass es unheimlich schwer zu verstehen ist. Es scheint absurd zu sein, und es befindet sich außerhalb unseres menschlichen Erfahrungshorizonts. So habe ich gelernt, dass ich in der Einsamkeit und Stille Geborgenheit finde, wenn es mir schlecht geht, denn genau in solchen Momenten umgibt mich die Präsenz der Geistigen Welt voller Verständnis und Liebe.
Die Veränderungen meiner Weltanschauung und meiner Persönlichkeit spiegeln sich auch erstaunlich exakt in den Studienergebnissen zu Nahtoderfahrungen des niederländischen Kardiologen Dr. Pim van Lommel wider. Menschen, die eine Nahtoderfahrung (NTE) erlebten, gaben an, dass »das Interesse an Spiritualität, Meditation, Gebet und Ergebung in den Willen Gottes zunehmen, während gleichzeitig ein deutlicher Rückgang der Kirchenbesuche und eine geringere Wertschätzung institutionalisierter Religionsausübung zu verzeichnen sind«. 9So haben lediglich 32 Prozent der Betroffenen vor ihrer NTE daran geglaubt, von Gott geleitet zu werden, nach der NTE waren es unglaubliche 86 Prozent! 10Obwohl ich nicht tot war, habe ich dennoch ganz ähnliche Erlebnisse gehabt, und ich kann für mich die genannten Punkte durchweg bestätigen.
Ich halte es jedoch für wichtig, den Gottesbegriff genauer zu differenzieren. Wenn ich von Gott spreche, dann meine ich weder einen kirchlichen oder biblischen Gott noch einen Herrn oder ein allwissendes Individuum. Für mich bedeutet Gott eine Geistige Welt voller Liebe und Intellekt, ein Zusammenschluss, ein Verschmelzen von Seelen zu einem großen Ganzen, dem Wir . Mein persönlicher Wandel hat mich also Gott viel näher gebracht, doch von der institutionellen Kirche habe ich mich entfernt, weshalb ich mich auch nach meinen Erlebnissen dazu entschieden habe, aus der Kirche auszutreten.
Ich habe verstanden, dass wir hier auf der Erde in diesem physischen Leben nur auf der Durchreise sind. Der physische Körper ist nur ein Fortbewegungsmittel in der materiellen Welt. Bei der Geburt steigen wir ein, wenn wir sterben, steigen wir wieder aus. Wir inkarnieren, um Erfahrungen zu machen, die wir als Seele nicht machen können. Doch warum ist das so? Die Essenz unserer Seele ist vollkommene Liebe, und auch die Geistige Welt besteht nur aus Liebe. Wie soll man Liebe verstehen, wertschätzen und wahrnehmen können, wenn man doch nichts anderes als Liebe kennt? Erst im Verlust erkennen wir oftmals die Wahrhaftigkeit von Liebe. Leid und Sehnsucht wirken letztendlich als positive Gefühlsverstärker. Anne Frank hat diese Erkenntnis mit folgendem Zitat zum Ausdruck gebracht:
» Tote bekommen mehr Blumen als Lebende, weil Bedauern stärker ist als Dankbarkeit.«
Ich möchte dir diese Betrachtungsweise an einem etwas weniger tragischen Beispiel aus unserem Alltagsleben veranschaulichen. Der Fußballverein FC Bayern München gewann in den letzten neun Jahren seit der Saison 2012/13 immer die deutsche Meisterschaft. Stell dir einen zehnjährigen Bayernfan vor, der, seitdem er bewusst denken kann, nichts anderes kennt, als zu gewinnen und immer deutscher Meister zu sein. Er würde das sicherlich mit Wohlwollen wahrnehmen und kann es auf gewisse Weise auch genießen. Aber wenn wir im Gegensatz dazu einen Fan des MSV Duisburg betrachten, der seinen Verein mehrfach hat absteigen sehen, der alle Tiefen miterlebt hat und seit Jahren um die Erteilung der Lizenz bangen muss, weil sich der Verein ständig am Rande der Insolvenz bewegt, dann würde er die deutsche Meisterschaft des MSV Duisburg mit ganz anderen Augen betrachten und das Ereignis in einer ganz anderen Intensität und Qualität wahrnehmen und ihren wahren Wert erkennen können als der zehnjährige Bayernfan. Er würde diese Meisterschaft bis ins Mark hinein spüren, sie in einer enormen emotionalen Tiefe und bebender Lebendigkeit erfahren können. Das bedeutet also aus rein seelischer Sicht, dass jedes Leid im Grunde ein Geschenk ist, denn mit jedem Leid vergrößert sich die Wahrnehmungsfähigkeit für Liebe, die uns alle in der Geistigen Welt erwartet.
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