Denn am Ende ist das Fühlen der Schlüssel, wenn wir zur Besinnung kommen und zu dem erwachen wollen, was möglich ist. Wir müssen lernen, wie wir unsere Bewusstheit sowie unser Vermögen zur klaren Sicht der Dinge und zum selbstlosen Handeln nutzen, entwickeln und uns zu eigen machen, sowohl als Individuen wie auch in unseren Institutionen – zum Beispiel in Unternehmen, Regierungsinstitutionen und größeren internationalen Zusammenschlüssen wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union. Ansonsten verdammen wir uns selbst zur Autoimmunkrankheit unserer Unbewusstheit, aus der endlose Kreisläufe von Illusion, Verblendung, Habgier, Angst, Grausamkeit, Selbsttäuschung und letztlich auch willkürlicher Zerstörung und Tod resultieren. Die menschliche Spezies selbst ist die Autoimmunkrankheit des Planeten Erde. Wir sind sowohl der Krankheitserreger als auch ihr erstes Opfer. Aber das ist keineswegs das Ende der Geschichte, zumindest noch nicht, nicht jetzt.
Solange wir atmen, ist noch Zeit, dass wir uns für das Leben entscheiden und darüber nachdenken können, was eine solche Wahl von uns verlangt. Diese Wahl ist etwas ganz Konkretes, von Augenblick zu Augenblick, nicht irgendeine gewaltige und einschüchternde Abstraktion. Sie ist ganz nah an der Substanz und dem Substrat unseres sich entfaltenden Lebens, im Inneren in unseren Gedanken und Gefühlen und im Äußeren in unseren Worten und Taten, in einem jeden Moment.
Die Welt braucht all ihre Blumen genauso, wie sie sind, selbst wenn sie nur für einen ganz kurzen Augenblick erblühen, die wir „Lebenszeit“ nennen. Es ist unsere Aufgabe, für jeden Einzelnen und als Kollektiv, herauszufinden, was für eine Art Blume wir sind, in der kostbaren Zeit, die wir haben, unsere einzigartige Schönheit mit der Welt zu teilen und unseren Kindern und Enkeln ein Vermächtnis von Weisheit und Mitgefühl zu hinterlassen, das wir durch unseren Lebensstil verkörpern, durch unsere Institutionen, und in Anerkennung unserer Verbundenheit, zu Hause und auf der ganzen Welt. Warum sollten wir es nicht riskieren, uns für geistige und seelische Gesundheit in unserem eigenen Leben und in der Welt einzusetzen, in der das Innen und das Außen sich gegenseitig und unser Genie als Spezies widerspiegeln?
Dabei kommt es auf die kreativen Bemühungen und Handlungen eines jeden von uns an, und es steht nicht weniger auf dem Spiel als die Gesundheit unseres Planeten. Man könnte sagen, dass die Welt – buchstäblich und metaphorisch – für uns als Spezies stirbt, damit wir zur Besinnung kommen. Darum ist es jetzt an der Zeit, dass wir ganz zu unserer Schönheit erwachen, dass wir das Werk unserer Selbstheilung, der Heilung unserer Gesellschaften und der Erde angehen, es vorantreiben und dabei auf alles Wertvolle aufbauen, was bereits da ist und jetzt zur Blüte kommt. Keine Absicht ist zu klein und keine Bemühung zu unbedeutend. Jeder Schritt auf diesem Weg macht einen Unterschied. Und wie Sie sehen werden: Jeder Einzelne von uns zählt. Wie im Vorwort beschrieben, ist dieses Buch der erste von vier Bänden, die jeweils in zwei Teile gegliedert sind. In alle vier Bände habe ich hier und da Geschichten aus meiner eigenen Erfahrung eingewoben. Damit möchte ich Ihnen einen Eindruck von dem Paradoxon vermitteln, dass Meditation einerseits etwas ganz Persönliches und Individuelles ist, andererseits aber sehr unpersönlich und universell jenseits all der selbstbezogenen Skripte über „mein“ Leben und „meine“ Erfahrung, die von der ichbildenden Gewohnheit des Geistes unablässig ausgeheckt werden. Ich möchte ein Gefühl dafür vermitteln, wie wichtig es ist, die eigene Erfahrung zwar ernst, nicht aber persönlich zu nehmen und ihr mit einem gesunden Maß an Unbekümmertheit und Humor zu begegnen, gerade angesichts des ungeheuren Leids, in das wir unentrinnbar verwickelt sind, und im Lichte der Vergänglichkeit all jener Zerrbilder, die wir „unsere Meinungen und Ansichten“ nennen und an denen wir verzweifelt festhalten, um der Welt und unserem Dasein irgendeinen Sinn abzugewinnen.
Im ersten Teil dieses Bandes geht es darum, was Meditation ist, was sie nicht ist und wie die Kultivierung von Achtsamkeit aussehen kann. Im zweiten Teil werden die ursprünglichen Quellen unseres Leidens und unseres „Un-Wohlseins“ untersucht. Und es wird gezeigt, dass Aufmerksamkeit an sich eine befreiende Wirkung hat, wenn wir sie bewusst und ohne zu urteilen einsetzen, wie Meditation in die Medizin integriert wird und wie sie neue Dimensionen unseres Geistes und unseres Herzens offenbart, die zutiefst heilend und transformierend sein können.
Der erste Teil des zweiten Buchs Wach werden und das Leben wirklich leben ist der Erkundung der „Sinneslandschaften“ gewidmet und geht der Frage nach, wie bewusstere Sinneswahrnehmung unser Wohlergehen fördern und unser Leben bereichern kann. Im zweiten Teil erhält der Leser detaillierte Anleitungen zur Entwicklung von Achtsamkeit durch die verschiedenen Sinne. Dabei wird ein Spektrum unterschiedlicher Meditationsmethoden vorgestellt und ein Geschmack für ihren außerordentlichen Reichtum vermittelt, der uns in jedem Moment zugänglich ist.
Im dritten Buch Das heilende Potenzial der Achtsamkeit geht es im ersten Teil darum, wie die Entwicklung von Achtsamkeit zu Heilung und größerem Glück führen kann, und zwar durch eine „orthogonale *Rotation im Bewusstsein“ in der Weise, wie wir die Welt begreifen und uns in ihr verhalten. Der zweite Teil befasst sich vertiefend mit der Kultivierung von Achtsamkeit und gibt Beispiele dafür, wie sie in verschiedene Aspekte unseres täglichen Lebens hineinwirken kann. Das reicht vom echten Erleben des gegenwärtigen Augenblicks über ganz und gar weltliche Aspekte bis dahin, zu „sterben, bevor wir sterben“.
Das vierte Buch Achtsamkeit für alle befasst sich im ersten Teil aus der Perspektive der Geist-Körper-Medizin mit der Welt der Politik und den Belastungen, denen die Welt ausgesetzt ist, und bietet einige Vorschläge dazu, wie Achtsamkeit helfen könnte, die Gesundheit des politischen Körpers und der gesamten Erde zu verbessern und zu transformieren. Der zweite Teil stellt unser Leben und die Herausforderung, mit der wir heute konfrontiert sind, in den größeren Kontext der Evolution der menschlichen Spezies und enthüllt verborgene Dimensionen dessen, was möglich ist, damit wir unser Leben von Augenblick zu Augenblick und von Tag zu Tag in dem Bewusstsein leben können, dass es wirklich darauf ankommt.
Wie bereits angemerkt gibt es eine Abfolge durch die vier Bände, von dem „Was“ und dem „Warum“ der Achtsamkeit darüber, „wie“ wir sie in unserem Leben kultivieren können, über die Gründe, die uns dazu motivieren mögen – in anderen Worten das „Versprechen“ der Achtsamkeit –, bis zu deren Verwirklichung darin, wie wir von Moment zu Moment unser Leben leben. Ich hoffe, dass Sie darin viel Wertvolles für sich entdecken werden!
*Steven Chu, Stanford University, Physiknobelpreisträger, Mind and Life Institute, Dialogue X, Dharamsala, Indien, Oktober 2002.
*Lassen Sie sich von dem Begriff „orthogonal“ nicht einschüchtern. Er bedeutet einfach „um neunzig Grad“ im Verhältnis zu dem verwendeten Koordinatensystem. Er soll eine neue Dimension jenseits der konventionellen beschreiben, mit denen wir vertraut sind, um uns eine neue Perspektive auf das Ganze zu geben, die auf dieser größeren Dimensionalität beruht.
Erster Teil
Meditation ist nicht, was Sie denken
Die Bandbreite dessen,
was wir denken und tun,
wird von dem begrenzt,
was wir wahrzunehmen versäumen.
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