Heinrich Lienhard
«Wenn Du absolut nach
Amerika willst, so
gehe in Gottesnamen!»
Erinnerungen an den California Trail, John A. Sutter und den Goldrausch
1846–1849
Herausgegeben von Christa Landert
Mit einem Vorwort von Leo Schelbert
Inhalt
Ein grosses Buch Von Leo Schelbert
Heinrich Lienhards Erinnerungen und ihr geschichtlicher Hintergrund
Das Manuskript
Der geschichtliche Hintergrund
Zu dieser Edition
Frühere Editionen
Heinrich Lienhards Biografie 1822–1846
Kindheit und Jugend auf dem Ussbühl 1822–1843
Reise nach Amerika 1843
Erste Jahre in Amerika: Illinois 1843–1846
Heinrich Lienhard Erinnerungen 1846–1849
California Trail, April bis Oktober 1846
Ankunft im Fort New Helvetia 1846
Monterey, November 1846 bis Februar 1847
Gartenarbeit bei Mimal am Yuba River, Februar bis September 1847
Aufseher im Fort New Helvetia, September bis Dezember 1847
Supercargo auf Sutters Schoner, Dezember 1847 bis Januar 1848
Garten beim Fort, Januar bis August 1848
Goldwaschen, August bis Oktober 1848
In der Schäferei, November 1848 bis April 1849
Handel in den Minen, April bis Mai 1849
Heinrich Lienhards Biografie 1849–1903
Reise in die Schweiz, Juni 1849 bis Januar 1850
Kalifornien, Januar bis Juni 1850
Letzter Aufenthalt in der Schweiz 1851–1854
Madison, Wisconsin, 1854–1856. Nauvoo, Illinois, 1856–1903
Anhang
Gesamtinhaltsverzeichnis der Erinnerungen Heinrich Lienhards
Bibliografie
Die Herausgeberin
Personenregister
Johann Heinrich Lienhard (1822–1903).
Ein grosses Buch
Vor uns liegt ein grosses Buch. Es gibt dem Glarner Auswanderer Heinrich Lienhard eine Stimme, der im Jahr 1843 im Alter von 21 Jahren von Bilten in die Vereinigten Staaten auszog, deren Grenzen damals erst wenig über den Mississippi hinausreichten. Zunächst wurde Heinrich Lienhard in Highland, Illinois – einer Schweizer Siedlung östlich von St. Louis –, heimisch, drei Jahre später folgte er jedoch nochmals dem Ruf der Ferne und begab sich 1846 über Land in das vom neu-europäischen Staat Mexiko beanspruchte Kalifornien, wo die indianischen Einheimischen im Landesinnern dank der Abgeschiedenheit der Regionen von den Folgen weisser Besetzung länger verschont geblieben waren als die meisten Völker auf dem übrigen Kontinent.
Kaum angekommen, nahm Lienhard am amerikanischen Krieg gegen Mexiko teil, in dessen Folge die Vereinigten Staaten alle nördlich des Rio Grande gelegenen mexikanischen Gebiete für sich beanspruchten. Im Jahr 1848 wurde Heinrich Lienhard Zeuge des Goldfundes am Südarm des American River knapp fünfzig Meilen nordöstlich des Forts New Helvetia, der Gründung des Schweizers Johann August Sutter, in dessen Dienst der Glarner Einwanderer verschiedenen Tätigkeiten nachging. Die zunehmend gewalttätige Gesetzlosigkeit der das Land überflutenden weissen Goldsucher und Ansiedler bewogen ihn jedoch, in die Heimat zurückzukehren. Vor der Abreise erwarb er in Philadelphia das amerikanische Bürgerrecht. Nach gut drei Jahren verliess er dann die Schweiz erneut, um sich zwei Jahre später in Nauvoo, Illinois, am Mississippi als Farmer endgültig niederzulassen.
In den 1870er-Jahren entschied sich Heinrich Lienhard, seine Erlebnisse für die Nachkommen niederzuschreiben. Seinem Manuskript, das zu den wichtigen Quellen der angloamerikanischen Frühgeschichte Kaliforniens gehört, war aber anfänglich kein Glück beschieden. Frühe deutsch- und englischsprachige Ausgaben verstümmelten sein Werk.
Nach zwei verlässlichen englischsprachigen Editionen, die 1951 und 1961 Texte zum California Trail vorlegten, erschien im Jahr 2000 Heinrich Lienhards Bericht über seine Jugend und die Jahre in Highland erstmals in textgetreuer englischer Übersetzung in dem von John C. Abbott edierten Buch «New Worlds to Seek», basierend auf der Transkription von Christa Landert. Zu diesem Werk gesellt sich jetzt ihre eigene grosse Leistung, die Transkription und Edition von Lienhards Trail- und Kalifornienbericht für die Jahre 1846 bis 1849.
In dieser Ausgabe umrahmt Christa Landert den Text von Heinrich Lienhard mit einer sachkundigen historischen Einleitung und einer eindrücklichen biografischen Skizze. Heute könnte er sich am Erscheinen seines Berichts uneingeschränkt erfreuen, und er müsste nicht wie damals in seinem Alter verfälschende Eingriffe in sein Werk beklagen. Das vorliegende Buch ist eine Musteredition, die dem umfangreichen Text in jeder Beziehung gerecht wird und ihn historisch, biografisch und erklärend dem Leser nahebringt.
Heinrich Lienhards Erinnerungen spiegeln eine willensstarke, grundehrliche und verlässliche Persönlichkeit. Er beobachtet seine Umwelt mit scharfem Blick, lernt von Jugend auf, Erlebnisse zu verarbeiten und an ihnen zu wachsen, und begegnet Herausforderungen mit Mut und Entschlossenheit. Bei Fehlentscheidungen, etwa sich für den Krieg gegen Mexiko anwerben zu lassen, kommt ihm das Schicksal entgegen, und er entrinnt lebensgefährlichen Situationen, da eine schwere Krankheit seinen Einsatz an der Front verhindert.
Lienhard sucht und geniesst die Schönheit der natürlichen Umwelt und ist auch ein furchtloser Jäger, wobei sein Wagemut ihn gelegentlich in Lebensgefahr bringt. Mitmenschen beurteilt er verlässlich und ohne Selbstgerechtigkeit. Den indianischen Menschen begegnet er zwar nicht ohne selbstverständliche Dominanz, bemüht sich aber, die Einheimischen unter den Umständen der weissen Invasion gerecht zu behandeln.
Wie jedes Leben ist auch das von Heinrich Lienhard von den dreifachen Kräften geformt, die Niccolò Macchiavelli virtù, fortuna und necessità genannt hat. Das vorliegende Werk zeigt eindrücklich, wie Lienhard seine Virtù, seine Tatkraft, unter den verschiedensten Umständen entfaltete, auch wie er Fortunas Spiel von Glück und Unglück sich fügend mitspielte und, endlich, wie er die Necessità, das unausweichlich Gegebene bedacht in sein Handeln und Bemühen einflocht.
Dieses bedeutende Buch bietet nicht nur ein facettenreiches Bild der prägenden Lebensjahre eines jungen Glarner Auswanderers und der komplexen historischen Ereignisse einer Eroberung, es ist zugleich ein bleibendes Zeugnis hervorragenden wissenschaftlichen Könnens.
Leo Schelbert, Prof. em. University of Illinois, Chicago
Heinrich Lienhards Erinnerungen und ihr geschichtlicher Hintergrund
Heinrich Lienhard verfasste seine Erinnerungen an die ersten dreissig Jahre seines Lebens in den 1870er-Jahren. Er war Anfang fünfzig, lebte mit seiner Frau Elsbeth und den Kindern in Nauvoo, Illinois, wo er sich 1856 niedergelassen hatte. Er leitet sein Manuskript mit folgenden Worten ein: «Schon oft ging ich mit dem Gedanken um, meine Vergangenheit, das heisst so weit ich mich derselben noch erinnere, nieder zu schreiben, indem ich annehmen darf, dass eine solche Aufzeichnung meiner Erlebnissen wenigstens für meine Kinder, vielleicht für Kindes Kinder einiges Intressen haben würde. Ich maasse mir nicht an, indem ich dieses unternehme, dass es für das allgemeine Publicum geschehe, da ich [mir] nur zu wohl bewusst bin, dass mir zu einem solchen Unternehmen die dazu nöthige höhere Schulbildung leider nicht zutheil wurde; somit wird man möglicherweise nicht selten Fehler in der Satzbildung sowie orthographische Fehler finden, die eines kurigirens bedürften.»
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