Birgit Fenderl - Kurswechsel bei 5.0

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Selbstbewusst und gut ausgebildet eroberten sie in ihren Dreißigern ehemalige Männerdomänen im Glauben, die gläserne Decke gehöre der Vergangenheit an. Karriere, Kinder und ein erfülltes Privatleben zu vereinen, stellte sich jedoch für viele Frauen schwieriger dar, als sie gedacht hatten. Wie fühlt es sich an, wenn die Kinder erwachsen und die Haare langsam grau werden? Wenn so manche Liebe gescheitert und man längst nicht mehr die berufliche Nachwuchshoffnung ist? Und wie schaut es wirklich mit der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Generation der heute Fünfzigjährigen aus?
In zweiundzwanzig persönlichen Porträts spüren die Journalistin Birgit Fenderl und die Fotografin Sabine Hauswirth dem Lebensgefühl der Frauengeneration um die fünfzig nach.
Mit Porträts von: Daniela Auer, Shlomit Butbul, Catherine Cziharz, Ulli Ehrlich, Margit Frömmel, Doris Gruber, Sabine Gruber, Kristin Hanusch-Linser, Gertrude Henzl, Megumi Ito, Michaela Kardeis, Sophie Karmasin, Doris Kiefhaber, Angelika Kirchschlager, Manuela Krings-Fischer, Andrea Linauer, Corinna Milborn, Maria Planegger, Nancy Semeda, Katharina Stemberger, Elisabeth Tambwe und Marion Tschirk und einem Vorwort von Johanna Rachinger.

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WECHSEL ALS GROSSER EINSCHNITT IM LEBEN JEDER FRAU

Rein körperlich gesehen passiert freilich bei Frauen um die fünfzig sehr viel. Wer könnte das besser erklären als die Hormonspezialistin Dr. Doris Gruber? »Schauen Sie, auch Gynäkologinnen kommen in den Wechsel«, lacht sie und schildert, wie sie mit ihren Patientinnen das Thema Hormonumstellung bespricht. Der Wechsel sei ein großer Einschnitt im Leben jeder Frau, auch wenn jede Einzelne die hormonellen Veränderungen anders er- und durchlebt. »Ein Drittel merkt gar nichts, ein Drittel hat ein paar Beschwerden und ein Drittel macht wirklich viel mit.« Und genau so, je nach Bedarf, je nach persönlichem Zugang, könne man Hormone ersetzen oder auch eben nicht. »Mit Geduld, nicht im Übermaß, auf keinen Fall nach dem Gießkannenprinzip.« Viele Frauen möchten ja keine Hormone nehmen, setzen viel mehr auf alternative Medizin. »Das ist auch verständlich und total individuell. Das – und das können Sie gerne auch genau so schreiben – das, was ich meinen Patientinnen sage, ist Folgendes: Wenn die Familienplanung erledigt ist, dann sollte jede Frau bereits allmählich das nächste große Projekt im Auge haben: Prepare for Menopause! Die kommt nämlich mit Sicherheit, für jede von uns. Also wie bereite ich mich am besten darauf vor, damit ich gesund und fit bin für all das, was noch auf mich zukommen wird, damit sich nicht plötzlich ein großes Loch auftut, in das ich zu stürzen drohe.« Nicht nur körperlich, auch psychisch sei der Wechsel für viele Frauen eine riesige Herausforderung – das reicht von Stimmungsschwankungen bis hin zu schlimmen Depressionen. »Es kommt zur Umstellung des Stoffwechsels im Gehirn, auch da sind Hormone im Spiel. Und das macht Frauen heftig zu schaffen.«

So individuell die Auswirkungen, die Herangehensweise und die jeweiligen Therapien seien, eines gelte für alle: gesund leben. »Indem man Nikotin, Alkohol oder sonstige Drogen meidet und die Nacht nicht zum Tag macht. Regelmäßiger, erholsamer Schlaf ist wirklich wichtig. Sich außerdem wirklich gesund zu ernähren und den passenden Sport zu betreiben, dann ist man schon auf der guten Seite. Die Energiebilanz wird eine andere in der Menopause. Ich erkläre das immer so: Wenn der Eisprung wegfällt, ist das ein ganz wichtiges Energiereservoir, das nicht mehr gespeist werden muss. Der Eisprung ist für den weiblichen Körper sehr energieintensiv – das verbrennt natürlich auch einiges an Kalorien. Fällt diese hormonelle Meisterleistung des Körpers weg, nehmen wir Frauen zu. Die Umstellung des Stoffwechsels und des Hormonsystems lassen auch die Haut schlaff werden und, und, und. Hormone halten eine Frau frisch, fruchtbar, gesund und schön. Wenn du nicht mehr mitspielst im Orchester der Reproduktion und des sexuellen Wettbewerbs, dann ist es der Natur ziemlich egal, wie du aussiehst. Wallungen kommen, die Silhouette verändert sich, Haarausfall beginnt und die Libido ist auch bei einigen im Verschwinden. Das ist der Lauf der Natur.« Wie begegnet die Expertin persönlich dieser Herausforderung? »Ich versuche all das Gesagte zu berücksichtigen. Ich gehe sehr viel spazieren. Aber nicht Windowshopping. So richtig, bis ich ins Schwitzen komme. Das geht am besten alleine. Und ich meide Noxen. Also kein Alkohol, noch nie Nikotin, maßvoll essen und ich pflege meine Nachtruhe, die ist meine wahre Luxuszeit. Das alleine Spazierengehen gibt mir außerdem Zeit zu denken. Wo stehe ich gerade? Was sind die nächsten Pläne? Und viele weitere gute Gedanken kommen mir dabei.«

Da ist sie wieder, die Doris Gruber von vor zwanzig Jahren: Lernpensum eingeteilt und Studium in Mindeststudienzeit durchgezogen. Tickt sie immer noch genauso? »Ja, das ist in mir drinnen«, lacht sie, »kann man auch Prägung nennen.« Auf die Frage, was man ihr einmal nachsagen solle, meinte sie im Buch »30erinnen«: »Konsequenz«. Und heute? »Ich glaube, ohne einen gewissen, konsequenten Plan funktioniert das Leben nur halb so gut. Natürlich gibt es Abweichungen, Sackgassen, Schicksalsschläge, aber man sollte sich einen ungefähren Wunschlebensplan zurechtzimmern und – ganz wichtig – die neuen Weichenstellungen, die sich immer wieder ergeben, annehmen und damit leben lernen« – eine Lebenseinstellung, die sie auch ihrem Sohn mitgibt? »Das versuche ich. Ich versuche ihm beizubringen, dass er sich zuerst einmal hinsetzen soll und sich überlegen soll: Was soll am Ende herauskommen? Wie ist der Weg dorthin? Und was muss ich dazu beitragen, damit ich mein Ziel am besten erreichen kann?« Und nimmt er das auch an? »Ich hoffe, er tickt mittlerweile ähnlich wie ich«, meint sie und erzählt, wie ihr Sohn am Tag, an dem wir miteinander reden, eigentlich null Bock auf Schule hatte, sich schließlich doch überwunden habe zu gehen, aber leider die Turnsachen zu Hause vergessen habe. »Damit dieser ›Fehler‹« niemandem auffallen würde, habe ich ihm die Turnsachen in einer Schulpause so unauffällig nachgebracht, dass niemand gemerkt hat, dass er sie vergessen hat.« Perfektion. Mutter wie Sohn. Und Organisationstalent, aber das haben wohl alle berufstätigen Mütter entwickeln müssen.

FRAUEN SIND IN DER MEDIZIN IM VORMARSCH

Als habilitierte Gynäkologin war Dr. Doris Gruber Anfang der 2000er-Jahre »eine noch rare Spezies«. Aber da habe sich unglaublich viel getan: »Ich würde fast sagen, dass es jetzt genauso viele Gynäkologinnen gibt wie männliche Kollegen. Diese Entwicklung ging rasant. Da hat unsere Generation schon zum Dammbruch beigetragen. Frauen in der Medizin sind absolut im Vormarsch. Das kann auch ein Nachteil für Frauen und interessanterweise auch für die Kontinuität bei der PatientInnenbetreuung sein.« Wie bitte? »Nicht, dass Frauen schlechtere Ärztinnen seien. Überhaupt nicht. Aber Frauen haben oft andere – kürzere – Dienstverhältnisse als Männer. Da sind wir wieder bei der Vereinbarkeitsfrage von Beruf und Familie. Einen Stationsbetrieb mit vor allem Ärztinnen an einer Klinik zu führen, das ist für die Klinikleitung eine echte Herausforderung. Da spielt auch das Ärztearbeitszeitgesetz stark hinein und erneut das Kinderkriegen mit den daraus resultierenden Mutterschutz- und Karenzzeiten. Dadurch kann sich eine weibliche Karriere ganz schön in die Länge ziehen. Aber da machen wir jetzt ein großes anderes Thema auf.« Denn wir wollen ja beim Lebensfeeling der Frauen um die fünfzig bleiben: bei ihrer Bilanz der letzten Jahre, bei ihren Wünschen, Bedürfnissen, ihren möglichen Forderungen an Politik wie Gesellschaft.

»In puncto Forschung beispielsweise ist vieles besser geworden. Wir haben damals ja auch über den Forschungsbetrieb in Österreich geredet, den ich kritisch hinterfragt hatte. Junge Forscherinnen bekommen mittlerweile eine ganz andere, viel bessere Ausbildung, das beginnt zum Glück schon im Studium«, stellt Gruber fest. Sie selbst habe als Frau in ihren Fünfzigern ein sehr zufriedenes Lebensgefühl. »Wir sollten eigentlich jetzt an dem Punkt angelangt sein, wo wir uns sagen können: Das habe ich erreicht und das möchte ich jetzt gut zu Ende führen. Und das trifft auf mich zu.« Was den Trend zur späten Mutterschaft, zu künstlicher Befruchtung und immer späterer Familienplanung betrifft, sieht die erfahrene Gynäkologin die Entwicklung in der Medizin äußerst kritisch: »Die Medizin gaukelt den Frauen da etwas vor, wenn sie sagt: Wenn du noch nicht bereit bist, Mutter zu werden, friere doch deine Eizellen ein. Mach Karriere, werde irgendwann später Mutter, und das mit künstlicher Befruchtung. Dazu tauen wir dann deine Eizellen wieder auf und, ja, den Samen, den werden wir schon ›finden‹. Da werden vielen Frauen Szenarien schmackhaft gemacht, die vielleicht bei Einzelnen greifen können, zum Standard sollte das aber nicht erhoben werden.« In ihren Augen wären die größeren medizinischen Möglichkeiten also auch eine Falle für Frauen und daher oft kein wirklicher und ehrlicher Fortschritt.

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