auch ihre Probleme mit dem
geheimnisvollen Gott haben.
Das gehört zu einer lebendigen Beziehung.
Ich bin sicher, Gott weiß darum.
Ebenso, dass ihm die Suchenden
und mit ihm Kämpfenden
nicht die Unliebsten sind.
Die Gesellschaft, die Jesus um sich scharte,
war ein entsprechend bunter Haufen Menschen
mit allem Drum und Dran,
mit ganz gewöhnlichen Alltagen,
mit schwachen und starken Momenten.
Das kann ich mir auch
bei meiner eigenen Suche
nach der Wahrheit, die wir Gott nennen,
immer wieder sagen:
Gott kennt mich besser
als ich mich selbst; und:
Er hält mich aus.
So wie vor rund 900 Jahren
die heilige Hildegard von Bingen
an einen ängstlich-frommen Kirchenmann schrieb:
„Fürchte dich nicht,
Gott sucht nicht immerzu Himmlisches in dir.“
Irgendwann wird Gott selbst die Rätsel der Welt
und meine eigenen enthüllen.
In dem Zustand,
den wir mit schwachen Worten
Himmel nennen.
Von dem wir so wenig wissen,
von dem wir so viel erhoffen.
Bis dahin ist aber noch Zeit.
Meine Zeit.
Die Asche hat nicht gehalten.
Am Aschermittwoch
bekamen wir damit ein
Kreuz gezeichnet.
Auf die Stirn.
Unsichtbar ist es geblieben.
Ein altes Zeichen.
Kein sympathisches. Dazu der Satz:
„Gedenke, Mensch,
dass du Staub bist“,
oder:
„Kehr um und glaub an das Evangelium.“
Das ist wie eine Überschrift
für die nächsten Wochen.
Für die Fastenzeit,
bis Ostern.
„Kehr um und glaub an das Evangelium.“
Tun wir doch,
sagen wir leichtfertig.
Ja, mit den Lippen schon.
Aber mit dem Herzen,
mit unseren Taten …?
Wir sind Menschen,
versuchen, immer mehr solche zu sein.
Versuchen, der Würde gerecht zu werden,
die uns die Taufe verlieh.
Versuchen, den Namen Christ zu tragen
und zu leben.
Wer kann schon sagen,
er hätte das erreicht?
Die wenigsten von uns sind Heilige.
Gott weiß das.
Ihm wieder Platz machen.
Gott Raum geben
im Alltag.
Nicht nur in den reservierten Zeiten
am Sonntagvormittag.
Ich denke an ein Wort von
Franz Rosenzweig,
dem jüdischen Schriftsteller:
„Gott schuf nicht die Religion,
er schuf die Welt!“
Und wir sind mittendrin.
Mit einer Botschaft.
Sie klingt einfach,
zu einfach für die gestylte Gesellschaft:
Es gibt mehr, als ihr seht,
es gibt mehr, als ihr hört,
es gibt mehr, als ihr begreift.
Für uns hat diese Botschaft
ein Gesicht:
Jesus von Nazareth,
der Erstgeborene der Maria,
Christus, der Sohn Gottes.
Den Blick auf ihn freiräumen,
seinem Wort zuhören,
dem täglichen Wortmüll
etwas zu entfliehen.
Leiser werden und wacher.
Frömmer im unpathetischen Sinn.
Daran denken
und sich ändern
heißt fasten.
„Kehr um und glaub an das Evangelium.“
Fastenzeit:
eine gute Gelegenheit,
sich alten Schätzen zuzuwenden.
Zum Beispiel den sieben Gaben
des Heiligen Geistes.
Sehr alte Begriffe,
die vielleicht etwas angestaubt wirken,
aber es in sich haben.
In Taufe und Firmung
wurden sie uns gesandt.
Aber auch dann,
wenn der Geist,
der weht, wo er will,
mit ihnen überrascht.
Ein „Download Gottes“.
Ob wir dieses „Programm“ speichern,
anklicken, nutzen, liegt an uns
und unserer Freiheit.
Die sieben Gaben:
Weisheit, Einsicht,
Rat, Erkenntnis, Stärke,
Frömmigkeit und Gottesfurcht.
Weisheit meint,
nicht klagen „früher war alles besser“,
aber auch nicht blind allem Neuem zustimmen.
Die Dinge gründlich prüfen, unterscheiden,
nicht vorschnell urteilen,
sondern alle Seiten abwägen.
Weisheit und dazu die Gabe der Erkenntnis
fordern auf, nüchtern zu bleiben, sich nicht
allein von Emotionen bestimmen zu lassen.
„Man kann sich an das Denken auch gewöhnen“,
erwiderte einer unserer Professoren
auf eine nicht sonderlich
kluge Frage eines Kommilitonen.
Nur mit dem Herzen sieht man gut,
weiß der kleine Prinz
bei Saint-Exupéry.
Stimmt, aber mit dem Verstand sieht man genau.
Beides ist notwendig.
Einsicht meint, zugeben,
dass auch andere Recht haben,
meint die Größe, Fehler zugeben zu können
und sich zu überwinden, das auch zu sagen.
Man verliert nicht an Autorität,
man gewinnt sie.
Einsicht meint auch:
nicht für alles sofort eine Antwort zu haben.
Der Kabarettist Dieter Nuhr sagt es so:
Man darf zu allem eine Meinung haben,
aber man muss nicht …
Wenn sich das mal durchsetzen würde:
wenn man keine Ahnung hat,
einfach mal den Mund zu halten …
Rat, ein guter Rat sei allen gewünscht,
und zwar von Menschen, die uns nicht nach
dem Mund reden,
die nicht nur sagen, was man gerne hören will,
sondern uns den Kopf waschen
und ans Bein treten, wenn es nötig ist.
Und deren Freundschaft umgekehrt
das Gleiche schätzt.
Stärke meint nicht Fäuste und Potenzgehabe,
meint nicht, cool sein,
meint eher die innere Kraft,
die auch aushalten lässt in schwierigen Momenten.
„Sei erschütterbar und widersteh“,
schreibt der Dichter Peter Rühmkorff.
Mit dieser Stärke bleibe ich wach
für das, was neben mir geschieht,
schaue nicht weg
und mache den Mund auf,
wenn es darauf ankommt.
Zuletzt noch Gottesfurcht und Frömmigkeit.
Die Zeiten sind vorbei, hoffentlich,
in denen Gott zu Erziehungszwecken
missbraucht wurde.
Der liebe Gott sieht alles, hört alles … usw.
Wir brauchen keine Angst vor Gott zu haben,
keine Furcht im Sinne von fürchten,
aber eines sollten wir nicht vergessen:
die Ehrfurcht.
Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge.
Gott allein ist der Herr der Welt,
und wenn wir in der Kirche niederknien,
dann nur aus einem Grund:
dass wir vor niemand in der Welt in die Knie
gehen, außer vor Gott,
der uns geschaffen und gewollt hat
und dem wir unser Leben verdanken.
Sich daran erinnern
heißt, im besten Sinne
des Wortes fromm zu werden,
und zwar auf je eigene Weise.
In Gemeinschaft und mit der
eigenen, unverwechselbaren Sprache,
die Gott schon versteht.
Mit ihm reden, ohne Scheu.
Ihm schlicht erzählen, was einen umtreibt,
ohne Sorge, missverstanden zu werden.
Dass er hört, ist sicher.
Die sieben Gaben des Heiligen Geistes.
Es liegt an uns, ob sie sich entfalten.
Ob wir es zulassen, dass sie sich entfalten.
Jesus,
Bruder und Herr,
mein See Genezareth
liegt in der Eifel.
Vielleicht auch in den Straßen
irgendeiner Stadt.
Es sind keine Fischerboote,
von denen du mich wegrufst,
und meinen Vater verlasse ich auch nicht.
Ich bin ein Jünger mit E-Mail-Anschluss,
mit Handy und Hip-Hop im Ohr,
ich weiß nicht, ob ich tauge
für deinen Auftrag,
für deine „Mission impossible“.
Ich weiß nur,
dass du mir in der Seele brennst,
wenn ich dein Wort lese.
Ich weiß nur,
dass ich deine Schulter spüre
bei meiner Wut über
Ausbeutung und Unrecht.
Ich weiß nur,
dass ich still werde
in deinen Räumen,
und zwar ganz freiwillig.
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