Für meine Mutter
Vorwort Vorwort Lesbische Frauen haben sich bereits in den 1930er-Jahren in Zürich organisiert – um politisch für die Rechte von Lesben und Schwulen zu kämpfen, um einander Zuwendung und Unterstützung zu geben und um dafür einen sicheren Raum zu schaffen. Die Lesben- und Schwulenbewegung in Zürich hatte internationale Ausstrahlung, aber sie entfaltete sich dennoch im Versteckten, im kleinen Kreis, unter Gleichgesinnten. Denn: Frauen und Männer, die gleichgeschlechtliche Liebe lebten oder begehrten, wurden gesellschaftlich stigmatisiert, diskriminiert und ausgegrenzt. Lesbenpolitik, eingetragene Partnerschaften oder lesbischen Lifestyle – das gab es noch nicht, als die in diesem Buch porträtierten frauenliebenden Frauen aufwuchsen und erwachsen wurden. Heute ist Frauenliebe nicht mehr (so) tabuisiert wie damals. Das Alter ist es leider noch, und alte frauenliebende Frauen auch. Sie stehen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht im Mittelpunkt, auch dann nicht, wenn sie im Rampenlicht stehen, wie einzelne der hier porträtierten Frauen. Die Frauen, die uns hier Einblick geben in ihr Leben, mussten als Mädchen, Jugendliche und als Erwachsene ihren Weg in einer stark patriarchal geprägten Welt finden, in einer Welt, die ihre Lebensweise ablehnte. Sie haben sich mit eigener Kraft und mit Umsicht den Spielraum geschaffen, den sie für ihr frauenliebendes Leben brauchten. Sie taten dies zäh und gegen alle Konventionen – auf ihre je individuelle Art und Weise und nicht in einem politischen Kampf. Aber dass sie es tun mussten und wie sie es taten, hat einen zutiefst politischen Kern: Als Frauen geboren, konnten und wollten sie den Weg, der für sie vorgezeichnet war, nicht gehen. Sie sind keine Opfer. Sie sind starke und selbstbestimmte Frauen. Auch wenn sich viele nicht als Feministinnen verstehen. Als lesbisch lebende Frau, als Feministin, als Zürcherin und als Stadtpräsidentin von Zürich danke ich den in diesem Buch porträtieren Frauen für die Offenheit, mit der sie uns an ihrem Leben teilhaben lassen. Sie zeigen uns, wie verschieden die Wege frauenliebender Frauen, wie unterschiedlich ihre Entscheidungen und Lebensgestaltungen sind. Und wie Freiheit im Alter aussehen kann. Corine Mauch, Stadtpräsidentin von Zürich
Einleitung
«Meine Liebe zu Karin machte mich frei.»
Eva Schweizer, 74, Aargau
«Ich bin gerne die, die ich heute bin.»
Karin Rüegg, 77, Aargau
«Ich wurde zum Glück nie in eine Schublade gesteckt.»
Olga Schmid, 74, Freienbach
«Ich wurde stärker für mein Frausein diskriminiert als für mein Lesbischsein.»
Margrit Bernhard, 81, St. Gallen
«Dieser Schritt war nicht einfach, aber er hat sich gelohnt.»
Berti Schell, 78, Zürich
«Das Tabu war, dass sie verheiratet ist, nicht, dass sie eine Frau ist.»
Elisabeth Waser, 77, Zürich
«In der Frauenbewegung waren wir ziemlich frech.»
Irène Schweizer, 74, Zürich
«Mit einem Mann zusammen zu sein, ist keine Strafe für mich, sondern eine Erlösung.»
Renate Winzert, 84, Bern
«Ich bin unehelich, dumm und dann auch noch schwul.»
Liva Tresch, 82, Zürich
«Ich bin eine Spätzünderin.»
Verena Lüdi, 76, Zürich
«Mein Sohn hat nie etwas anderes gekannt, als dass ich mit Frauen zusammen bin.»
Rita Kappeler, 73, St. Gallen
Glossar
Dank
Lesbische Frauen haben sich bereits in den 1930er-Jahren in Zürich organisiert – um politisch für die Rechte von Lesben und Schwulen zu kämpfen, um einander Zuwendung und Unterstützung zu geben und um dafür einen sicheren Raum zu schaffen. Die Lesben- und Schwulenbewegung in Zürich hatte internationale Ausstrahlung, aber sie entfaltete sich dennoch im Versteckten, im kleinen Kreis, unter Gleichgesinnten. Denn: Frauen und Männer, die gleichgeschlechtliche Liebe lebten oder begehrten, wurden gesellschaftlich stigmatisiert, diskriminiert und ausgegrenzt.
Lesbenpolitik, eingetragene Partnerschaften oder lesbischen Lifestyle – das gab es noch nicht, als die in diesem Buch porträtierten frauenliebenden Frauen aufwuchsen und erwachsen wurden. Heute ist Frauenliebe nicht mehr (so) tabuisiert wie damals. Das Alter ist es leider noch, und alte frauenliebende Frauen auch. Sie stehen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht im Mittelpunkt, auch dann nicht, wenn sie im Rampenlicht stehen, wie einzelne der hier porträtierten Frauen.
Die Frauen, die uns hier Einblick geben in ihr Leben, mussten als Mädchen, Jugendliche und als Erwachsene ihren Weg in einer stark patriarchal geprägten Welt finden, in einer Welt, die ihre Lebensweise ablehnte. Sie haben sich mit eigener Kraft und mit Umsicht den Spielraum geschaffen, den sie für ihr frauenliebendes Leben brauchten. Sie taten dies zäh und gegen alle Konventionen – auf ihre je individuelle Art und Weise und nicht in einem politischen Kampf. Aber dass sie es tun mussten und wie sie es taten, hat einen zutiefst politischen Kern: Als Frauen geboren, konnten und wollten sie den Weg, der für sie vorgezeichnet war, nicht gehen. Sie sind keine Opfer. Sie sind starke und selbstbestimmte Frauen. Auch wenn sich viele nicht als Feministinnen verstehen. Als lesbisch lebende Frau, als Feministin, als Zürcherin und als Stadtpräsidentin von Zürich danke ich den in diesem Buch porträtieren Frauen für die Offenheit, mit der sie uns an ihrem Leben teilhaben lassen. Sie zeigen uns, wie verschieden die Wege frauenliebender Frauen, wie unterschiedlich ihre Entscheidungen und Lebensgestaltungen sind. Und wie Freiheit im Alter aussehen kann.
Corine Mauch, Stadtpräsidentin von Zürich
«Seit dieser Nacht war ich wie verzaubert», erzählte mir Rita Kappeler. Sie war 22 Jahre alt, als sie sich in eine Frau verliebte. Die heute 73-Jährige empfand diese Liebesnacht wie ein Eintauchen in eine neue Welt. Die Ostschweizerin wusste seitdem, dass sie Frauen liebt, und suchte sich ihren Weg – jenseits der gesellschaftlichen Zwänge und Ideale.
In diesem Buch werden zum ersten Mal überhaupt die Lebensgeschichten von älteren frauenliebenden Frauen in der Schweiz zugänglich gemacht. Elf Frauen über siebzig blicken auf ihr Leben zurück. Es sind Zeugnisse einer bisher nicht wahrgenommenen Generation von Frauen. Während jüngere lesbische Frauen heute Hand in Hand durch die Strassen spazieren, gemeinsam Kinder haben, sich in TV-Serien küssen oder als Politikerinnen offen reden, sieht man die ältere Generation nicht. Oft wurde mir gar die Frage gestellt: Gibt es lesbische Seniorinnen überhaupt? Ja, es gibt sie, und sie haben etwas zu erzählen.
Die Geschichte frauenliebender Frauen in der Schweiz ist kaum erforscht. Man weiss von einer Organisierung lesbischer Frauen in den 1930er-Jahren in Zürich. In den 1940er- und 1950er-Jahren ging sie wieder verloren. In einer Schweiz, die vor bürgerlicher Enge strotzte, die das Ideal einer Kleinfamilie mit der Frau als Ehefrau, Mutter und Hausfrau hochhielt, gab es keinen Platz für eine lesbische Öffentlichkeit. «Ich kämpfte mich alleine durch dieses Dickicht. Frauenliebe gab es nicht. Es gab mich nicht», sagte Karin Rüegg (77), eine der Frauen aus dem Buch, über die Zeit, als ihr ihre Liebe zu Frauen bewusst wurde. Frauenliebende Frauen waren bis weit in die 1980er-Jahre weder gesellschaftlich akzeptiert noch sichtbar.
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