CORNELIUS BOHL
Auf den Geschmack des Lebens kommen
Franziskanische Alltags-Spiritualität
Franziskanische Akzente
Für ein gottverbundenes und engagiertes Leben
Herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und
Helmut Schlegel ofm
Band 4
Die Suche der Menschen nach Sinn und Glück ernst nehmen und Impulse geben für ein geistliches, schöpfungsfreundliches und sozial engagiertes Leben – das ist das Anliegen der Reihe „Franziskanische Akzente“ .
In ihr zeigen Autorinnen und Autoren, wie Leben heute gelingen kann. Auf der Basis des Evangeliums und mit Blick auf die Fragen der Gegenwart legen sie Wert auf die typisch franziskanischen Akzente:
Achtung der Menschenwürde,
Bewahrung der Schöpfung,
Reform der Kirche und
gerechte Strukturen in der Gesellschaft.
In lebensnaher und zeitgerechter Sprache geben sie auf Fragen von heute ehrliche Antworten und sprechen darin Gläubige wie Andersdenkende, Skeptiker wie Fragende an.
CORNELIUS BOHL
Auf den Geschmack des Lebens kommen
Franziskanische Alltags-Spiritualität
Herzlicher Dank geht an Clemens Wagner für die fachkundige und äußerst versierte Unterstützung bei den Korrekturarbeiten sowie an die Deutsche Franziskanerprovinz mit Sitz in München.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
© 2014 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.deUmschlag: wunderlichundweigand.de(Foto: © Zoonar RF / thinkstock.com) Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de) ISBN 978-3-429-03751-2 (Print) 978-3-429-04778-8 (PDF) 978-3-429-06193-7 (ePub)
1. Ein Bild zu Beginn: Stummes zum Klingen bringen 1. Ein Bild zu Beginn: Stummes zum Klingen bringen Ein Bild sagt oft mehr als viele Worte. Auch Franz von Assisi kommt uns aus dem fernen Mittelalter in Bildern entgegen, die noch heute unmittelbar anrühren. So greifen zeitgenössische Franziskus-Darstellungen gerne ein Motiv auf, das man in den mittelalterlichen Freskenzyklen vergeblich sucht: Franziskus, der mit einem toten Ast musiziert. Die dahinterstehende Geschichte hat uns sein erster Biograph Thomas von Celano überliefert. Dabei verlangt er dem modernen Leser durchaus Geduld ab, um durch seine fremd gewordene Sprache hindurch zu verstehen, worum es geht: „Wenn der Geist in seinem Innern in süßer Melodie aufwallte, gab er ihr in einem französischen Lied Ausdruck, und der Hauch des göttlichen Flüsterns, den sein Ohr heimlich empfangen hatte, brach in einen französischen Jubelgesang aus. Manchmal hob er auch, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe, ein Holz vom Boden auf und legte es über seinen linken Arm, nahm dann einen kleinen, mit Faden bespannten Bogen in seine Rechte und führte ihn über das Holz wie über eine Geige. Dazu führte er entsprechende Bewegungen aus und sang in französischer Sprache vom Herrn“ [2 C 127 (FQ, 379)]. Äste liegen überall im Wald herum. Das ist normal und alltäglich, nichts Außergewöhnliches, es fällt nicht besonders auf. Sie waren einmal frisch und lebendig. Nun sind sie abgebrochen, abgestorben, tot. Sie erinnern also auch an vertrocknete Beziehungen, verbrauchte Lebensenergie, verstummte Kommunikation. Sie sind Symbole für die harten Realitäten, das brutal Faktische in Welt, Gesellschaft und im eigenen Leben, das halt so ist, wie es ist, und an dem man nichts ändern kann. Das Bild des Heiligen, der zwei stumme, tote Hölzer wie eine Geige führt und dabei zu singen und zu tanzen anfängt, provoziert. Und es weckt zugleich Sehnsüchte. Wenn das gelingen könnte: im Alltäglichen und Normalen eine Melodie entdecken, die beschwingt und in Bewegung bringt ; Abgestorbenes so anfassen, dass es wieder lebendig wird ; mit Dürrem so umgehen, dass es wieder Hoffnung treibt ; Verstummtes zum Klingen bringen und dabei selbst ins Tanzen kommen. So etwas kann geschehen, wo „unser Ohr heimlich den Hauch göttlichen Flüsterns empfängt“, wo Gott uns anrührt. Franziskus, der einem toten und trockenen Stück Holz, das er zufällig findet, eine mitreißende Musik entlockt und zu singen und zu tanzen anfängt, ist das hoffnungsvolle Bild einer gelungenen Alltags-Spiritualität. Es lädt dazu ein, sich mit dem Mann aus Assisi auf die Suche nach einer solchen Spiritualität zu machen.
2. Alltags-Spiritualität – Was ist das?
Daraus kann ich wirklich leben!
Der Herr ist hier – und ich wusste es nicht!
Ich finde Gott – und ich finde mich!
3. Franziskanische Alltags-Spiritualität – Wie geht das?
Sich wandeln
Begegnen
Sich stellen
Durchblicken
Innehalten
Zulassen
Loslassen
Bleiben
Wachsen
4. Den Alltag geistlich leben – Wie mache ich das?
Kultur der Aufmerksamkeit
Hilfreiche Begleitung
Lust am Gestalten
Mut zum Fragment
5. Ein Bild zum Schluss: Rückkehr mit geöffneten Augen
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
1. Ein Bild zu Beginn: Stummes zum Klingen bringen
Ein Bild sagt oft mehr als viele Worte. Auch Franz von Assisi kommt uns aus dem fernen Mittelalter in Bildern entgegen, die noch heute unmittelbar anrühren. So greifen zeitgenössische Franziskus-Darstellungen gerne ein Motiv auf, das man in den mittelalterlichen Freskenzyklen vergeblich sucht: Franziskus, der mit einem toten Ast musiziert. Die dahinterstehende Geschichte hat uns sein erster Biograph Thomas von Celano überliefert. Dabei verlangt er dem modernen Leser durchaus Geduld ab, um durch seine fremd gewordene Sprache hindurch zu verstehen, worum es geht: „Wenn der Geist in seinem Innern in süßer Melodie aufwallte, gab er ihr in einem französischen Lied Ausdruck, und der Hauch des göttlichen Flüsterns, den sein Ohr heimlich empfangen hatte, brach in einen französischen Jubelgesang aus. Manchmal hob er auch, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe, ein Holz vom Boden auf und legte es über seinen linken Arm, nahm dann einen kleinen, mit Faden bespannten Bogen in seine Rechte und führte ihn über das Holz wie über eine Geige. Dazu führte er entsprechende Bewegungen aus und sang in französischer Sprache vom Herrn“ [2 C 127 (FQ, 379)].
Äste liegen überall im Wald herum. Das ist normal und alltäglich, nichts Außergewöhnliches, es fällt nicht besonders auf. Sie waren einmal frisch und lebendig. Nun sind sie abgebrochen, abgestorben, tot. Sie erinnern also auch an vertrocknete Beziehungen, verbrauchte Lebensenergie, verstummte Kommunikation. Sie sind Symbole für die harten Realitäten, das brutal Faktische in Welt, Gesellschaft und im eigenen Leben, das halt so ist, wie es ist, und an dem man nichts ändern kann. Das Bild des Heiligen, der zwei stumme, tote Hölzer wie eine Geige führt und dabei zu singen und zu tanzen anfängt, provoziert. Und es weckt zugleich Sehnsüchte. Wenn das gelingen könnte: im Alltäglichen und Normalen eine Melodie entdecken, die beschwingt und in Bewegung bringt ; Abgestorbenes so anfassen, dass es wieder lebendig wird ; mit Dürrem so umgehen, dass es wieder Hoffnung treibt ; Verstummtes zum Klingen bringen und dabei selbst ins Tanzen kommen.
So etwas kann geschehen, wo „unser Ohr heimlich den Hauch göttlichen Flüsterns empfängt“, wo Gott uns anrührt.
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