So wird mit dem Band von Fatzer/Jansen (Die Gruppe als Methode) die oft fehlende gruppendynamische Grundlage für die Beratung von Gruppen, Teams und Organisationen wieder zugänglich gemacht. Ein weiteres Beispiel ist die Monographie von Albert Koopman (Transcultural Management) , die als erste ein erfolgreiches interkulturelles OE-Projekt in Südafrika dokumentierte und daraus ein breit anwendbares Modell der interkulturellen Beratung entwickelte. Das Buch von Barbara Heimannsberg und Christoph Schmidt-Lellek (Interkulturelle Beratung und Mediation) wendet die Grundlagen der Mediation auf den interkulturellen Bereich und auf die Organisationsentwicklung an. Zuletzt erschien dazu ein Buch, das dem Lebenswerk von Burkard Sievers gewidmet ist: Ahlers-Niemann / Beumer / Redding Mersky / Sievers: Organisationslandschaften , mit seiner breiten internationalen und multiprofessionellen Perspektive auf das wichtige Thema der destruktiven Prozesse in Organisationen.
Eine der wichtigen Interventionsformen, die EHP-Organisation (wie übrigens auch andere Veröffentlichungen im selben Verlag) besonders berücksichtigt, ist ›Dialog‹ als Methode: William Isaacs (Dialog als Kunst gemeinsam zu denken) und der Band von Christoph Mandl, Markus Hauser und Hanna Mandl (Die schöpferische Besprechung) haben hier im deutschsprachigen Raum Qualitätsstandards gesetzt.
Die Autoren sind übrigens ebenfalls Beiträger der Zeitschrift Profile . Internationale Zeitschrift für Veränderung, Lernen, Dialog / International Journal for Change, Learning, Dialogue , die mit ihrem Anliegen, das Verständnis von Menschen, Teams und Organisationen zu fördern, die Reihe EHP-Organisation ergänzt.
Die Arbeit von Ed Schein stand von Anfang an im Zentrum des publizistischen Auftrags von EHP-Organisation. Zahlreiche seiner Aufsätze erschienen früh in den Sammelbänden der Reihe und hier liegen seine Grundlagentexte in Übersetzungen vor. Sein Klassiker Prozessberatung für die Organisation der Zukunft ist einer der erfolgreichsten Bände der Reihe. Der Referenzcharakter von Scheins Büchern wird auch im provozierenden Buch Organisationskultur (›The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide‹) unter Beweis gestellt. Seine Fähigkeit, auf lesbare Art komplexe Organisationszusammenhänge zu vermitteln, macht die Lerngeschichte von Digital Equipment Corporation auch zu einem Lektüregenuss (Aufstieg und Fall von Digital Equipment Corporation. DEC ist tot, lang lebe DEC) .
Mit seinem Buch Führung und Veränderungsmanagement liegt ein Band vor, der so noch nicht in Englisch erschienen ist und den wir durch eine DVD mit seiner überzeugenden Züricher Rede von 2006 ergänzen.
Scheins hier vorliegendes neues Buch Prozess und Philosophie des Helfens stellt ausführlich eine der Grundkompetenzen von Managern und Beratern vor, die bisher aus dem Fokus geraten ist, die aber in Scheins Konzept der Prozessberatung von entscheidender Funktion ist: das Helfen.
Herausgeber, Autoren und Verlag möchten Sie als Leser einladen, das vorliegende Buch und die gesamte Reihe als Möglichkeit zum Dialog innerhalb der globalen Professional Community zu verstehen.
Gerhard Fatzer
Helfen ist eine grundlegende menschliche Eigenschaft : Eine Mutter stillt ihr Baby; die Geliebte, ein Freund oder Ehepartner helfen mir, etwas in Gang zu bringen; in einer Gruppe spielen die einzelnen Mitglieder ihre Rolle beim Erreichen des gemeinsamen Zieles; der Therapeut hilft einem Patienten, der Coach und der Organisationsberater unterstützen Einzelne oder Organisationen bei der Verbesserung ihrer Funktionen. Die grundlegende Beziehung zwischen Helfer und Hilfesuchendem sorgt dafür, dass es weitergeht. Im Alltag gilt Hilfe als so selbstverständlich, dass wir das Wort häufig nur dann in den Mund nehmen, wenn jemand in einer Situation, in der Hilfe selbstverständlich hätte sein sollen, »nicht behilflich« war. Aber über die emotionale Dynamik dieser Beziehung wissen wir paradoxerweise trotzdem relativ wenig.
Über formale Hilfe durch Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und andere Angehörige der helfenden Berufe ist viel geschrieben worden, aber wir wissen wenig darüber, was schiefgegangen ist, wenn der Versuch, einem Freund zu helfen, grob zurückgewiesen wird. Wie ist es möglich, dass jemand, der ins Wasser gesprungen ist, um einem Ertrinkenden zu helfen, sich vor Gericht wiederfindet, weil er dem Geretteten bei seinem Rettungsversuch die Schulter ausgerenkt hat? Warum landen so viele der Berichte, die Berater für das Management schreiben, im Papierkorb? Warum klagen so viele Ärzte, die Patienten nähmen die verschriebenen Medikamente einfach nicht?
Formale Hilfe, das lehren Intuition und Erfahrung, erfordert ein gewisses Maß an Verständnis und Vertrauen zwischen Helfer und »Klient«, wie ich die Person nenne, die Hilfe sucht. Verständnis ist nötig, damit der Helfer weiß, wann und welche Hilfe er anbieten sollte. Vertrauen ist nötig, damit der Klient sein wahres Problem benennen, die angebotene Hilfe akzeptieren und die Lösung umsetzen kann, die sich im das Gespräch mit dem Helfer abzeichnet.
Die psychotherapeutische Literatur widmet dem Aufbau dieses Vertrauen viel Aufmerksamkeit, aber in der alltäglichen Routine des Helfens und Hilfe Annehmens ist unklar, wie man es aufb aut, wie man erkennt, dass es vorhanden ist, und wie man es aufrecht erhält. Dazu kommt, dass die meisten helfenden Situationen im Alltag unerwartet auftauchen und zeitlich begrenzt sind. Die Frau, die ihrem Mann helfen soll, den richtigen Anzug für das entscheidende Gespräch mit dem Chef auszusuchen, setzt sich ja nicht mit ihm zu einer Besprechung zusammen, wie sie ein Therapeut beim Erstgespräch führt. Wer einem Blinden Hilfe beim Überqueren der gefährlichen Kreuzung anbietet, denkt nicht über den Aufb au einer vertrauensvollen Beziehung nach, bevor er seinen Arm ergreift und mit ihm losgeht. Und selbst dann kann es passieren, dass der Blinde »Nein, danke« sagt und sich allein auf den Weg macht. Dann steht man da und fragt sich, ob man ihn beleidigt hat und ob die Ablehnung der Hilfe unnötige Gefahren für ihn mit sich bringt. Wie könnte man es herausfinden?
Eine allgemeine Theorie des Helfens ist nur dann sinnvoll, wenn sie den Unterschied zwischen effizienter und ineffizienter Hilfe in allen , auch den einfachsten Situationen erklären kann, etwa, wenn jemand nach dem Weg fragt. Um die Elemente einer solchen Theorie zu entwickeln, muss man die einzelnen Beziehungen analysieren und klären, was man unter Vertrauen versteht.
An Anfang steht die These, dass es bei allen menschlichen Beziehungen um Positionierung, Status und »Situationsangemessenheit«, geht, wie es die Soziologen nennen. Es ist menschlich, den Rang einnehmen zu wollen, der einem in den eigenen Augen gebührt, egal, ob hoch oder niedrig, und jeder will sich so verhalten, wie es in der Situation angemessen ist. Wir wollen besser oder zumindest genauso gut sein wie der andere und beurteilen alle Interaktionen danach, was wir dadurch gewinnen oder verlieren. Eine erfolgreiche Interaktion, das Gefühl, etwas erreicht zu haben, ist Ergebnis eines dem Ziel angemessenen Handelns. Im Idealfall ist das Ziel eins, bei dem alle Beteiligten gewinnen können.
Die helfende Situation zeichnet sich dadurch aus, dass man bewusst versucht, einem anderen zu helfen, seine Ziele zu erreichen. In der helfenden Beziehung werden Zeit, Gefühle, Ideen und Dinge investiert und deshalb wird eine Gegenleistung, und sei es nur ein Dank, erwartet. Geht alles gut, haben beide an Status gewonnen. Leider geht es oft nicht gut, und dann riskieren wir, Status zu verlieren – weil wir nicht geholfen haben, wo Hilfe angebracht gewesen wäre, weil wir Hilfe dort angeboten haben, wo sie nicht gebraucht oder gewünscht war, weil wir falsch oder nicht lange genug geholfen haben.
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