Aus dem Amerikanischen übersetzt von
Reinhard Fuhr und Martina Gremmler-Fuhr
Zum Autor:
Gordon Wheeler, Ph.D., ist in seinen vielen Jahren klinisch-psychologischer Praxis auch systemischen Dynamiken und Organisationsfragen nachgegangen. Er war Schüler der Nachfolger von Perls und Goodman am Gestalt Institute of Cleveland sowie der Nachfolger von Lewin am National Training Laboratory (NTL). Unter Bezugnahme auf Lewins Arbeiten verwendet Wheeler das Gestalt-Modell, um innerpsychische, zwischenmenschliche und systemische Dynamiken für Interventionen zur Veränderung und zum Wandel zu integrieren. Er ist Mitglied des Lehrkörpers des Gestalt Institute of Cleveland, das er viele Jahre geleitet hat, und President des Esalen Institute, Big Sur, Kalifornien. Daneben ist er Herausgeber von Gestalt Institute of Cleveland Press und Autor zahlreicher Bücher.
© 1993, 2015 EHP - Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach
www.ehp-koeln.com
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Gestalt Reconsidered – A New approach to Contact and Resistance by Gordon Wheeler, Ph.D.«
© 1991 by Gestalt Institute of Cleveland Press by arrangement with Mark Paterson and Gardner Press, Inc.
Übersetzung aus dem Amerikanischen:
Reinhard Fuhr und Martina Gremmler-Fuhr
2. korrigierte Auflage 2015
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
Umschlagentwurf: Robert de Zoete / Uwe Giese
– unter Verwendung eines Bildes von Doortje de Vries –
Satz: WB Birkhölzer
Gedruckt in der EU
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
eBook-ISBN 978-3-89797-597-2
pdf-ISBN 978-3-89797-598-9
print-ISBN 978-3-926176-50-9
Für Beverly
Figur und Grund
Einführung
1. Kapitel: Der Hintergrund in der Gestaltpsychologie
Gestalt und das Assoziationsmodell
Die Gestalt-Schule – frühe Arbeiten
Die Erweiterung des Modells von Wertheimer
Das Modell Lewins
Goldsteins hierarchisches Modell
Gestalt-Persönlichkeitstheorie
Ein Gestaltmodell der Veränderung
2. Kapitel: Das frühe Werk von Perls
3. Kapitel: Gestalttherapie: Das Modell von Goodman und Perls
4. Kapitel: Die Arbeit der Cleveland School
Der Zyklus des Erlebens
Das Gestaltexperiment
Die interpersonale Perspektive
Gruppendynamik
Arbeit mit Systemen
Die Erweiterung des Perlsschen Widerstandsmodells
5. Kapitel: Ein neues Verständnis von Widerstand
6. Kapitel: Die Struktur des Grundes: Zwei klinische Fälle
Der Fall von Josh oder Skylla und Charybdis
Der Fall Linda oder die Bürgerkriege
7. Kapitel: Die Struktur des Grundes (Fortsetzung): Zwei Systemfälle
Das System ohne Widerstand
Ein letzter Fall: Neue Überlegungen zum Verständnis von »Gestalt«
Abschluss
Literaturverzeichnis
Namensregister
Eine Einführung gibt dem Autor, wie Erik H. Erikson bemerkte, die Möglichkeit, seine nachträglichen Gedanken an den Anfang zu stellen. Nach der Gestaltterminologie markiert er damit die Kontaktgrenze zwischen sich und dem Leser; es ist eine Grenze besonderer Art, die in spezieller Weise gefühlsmäßig besetzt und organisiert ist, bevor der Autor in das vor ihm liegende Material eintaucht. Auf der einen Seite ist da er, der gerade aus dem Gebiet zurückkehrt, das dem Leser noch mehr oder weniger verborgen ist, wobei der Autor sich in der Phase des Rückzugs oder der Reflexion nach seiner Reise befindet, und dabei wird er von den Gefühlen und Interessen beeinflusst, die zu dieser Phase des Kontaktzyklus gehören: etwa Befriedigung und eine zunehmende Aufregung bei dem Gedanken daran, dass er die Eindrücke der Reise nun mit einer anderen Person teilen wird, aber möglicherweise auch Traurigkeit und Verlustgefühle, Befürchtungen, wie andere diese Präsentation des Selbst wohl aufnehmen werden, Besitzansprüche und sogar eine vorweggenommene Verteidigungshaltung – also all jene Empfindungen und Gefühle, die mit dem einher gehen, was Paul Goodman uns den Widerstand des Egotismus zu nennen lehrte, jene Furcht vor dem Verlust oder der Beschädigung des Selbst, ein allerletzter Versuch, den entscheidenden Augenblick des Loslassens, der die Begegnung selbst ist, zurückzuhalten oder wenigstens zu kontrollieren.
Auf der anderen Seite gibt es da den Leser, der sich an einem völlig anderen Ort im Rhythmus des Engagements oder des Kontakts befindet, mit einem ganz anderen Spektrum wahrgenommener Gefühle, Bedürfnisse und Befürchtungen, die den Grund für die Figur des Kontakts in diesem Augenblick organisieren und die wiederum den Zugang zu dem umfassenderen Kontakt prägen, der vor ihm liegt. Aufmerksamkeit oder Ablenkung, Aufregung oder relative Gleichgültigkeit, Offenheit oder Vorsicht, Skepsis, Vertrauen, Einvernehmlichkeit mit einer Autorität, Abwehrhaltung gegenüber der zuvor erwähnten Begegnung seitens des Autors oder die Hingabe des Selbst an diese – sie alle sind in ihren möglichen Mischungen und Schattierungen an der dynamischen Organisation der Kontaktgrenze des Lesers beteiligt; und diese ist nicht, wie Goodman sagt, ein Punkt oder ein Ort, sondern vielmehr ein Prozess, der »Ausdruck einer bestimmten Beziehung«; und das ist gleichzusetzen mit Kontakt (Perls u.a. 1951, 269). Der wahrgenommene Zweck oder das empfundene Bedürfnis, um Kurt Lewin zu umschreiben (und dabei das Hauptargument des ersten Kapitels vorwegzunehmen), organisieren die Begegnung auf beiden Seiten – innerhalb der gegebenen Bedingungen und mit der Unterstützung oder der Begrenztheit der besonderen Fähigkeit jeder Person zu einer flexiblen Bandbreite von Haltungen oder Zugehensweisen, die für jene intendierten Ziele und Bedingungen angemessen sind (welche jeweils das besondere Thema der Psychotherapie sind).
Mit anderen Worten, ich habe mit einigen wenigen Strichen die Grundzüge wenigstens eines Kontaktmoments entworfen, der auf komplexe Weise organisiert und höchst politisch ist (in dem Sinn, dass er mit Beziehung oder Einfluss zu tun hat), der allerdings sehr weit entfernt von dem platonischen Ideal Perls’ und Goodmans von einer »klaren, leuchtenden Figur [ist], die frei fließend aus einem leeren Hintergrund mit Energie gespeist wird« (Perls u.a. 1951, 299; Hervorhebung G.W.). Und das Hauptereignis hat noch nicht einmal stattgefunden!
Unter den gegebenen Bedingungen für Kontakt, also den Zielen und Strukturen beider Seiten im Hintergrund, ist es daher nicht erstaunlich, wenn Autoren ihre Einführungen gewöhnlich dazu benutzen, um das Erreichen eines volleren Kontakts in der Zukunft, der in der Begegnung mit dem Haupttext besteht, vorzustrukturieren oder wenn möglich zu beeinflussen. Normalerweise geschieht dieser Versuch in Form einer Führung durch oder einer Übersicht über die Landschaft, die vor uns liegt, wobei verschiedene Sehenswürdigkeiten hervorgehoben und Klippen verkleinert oder umgangen werden. Dabei wird besonders darauf hingewiesen, wo der Leser am anderen Ende herauskommen sollte und welches der richtige Weg ist, um dorthin zu gelangen.
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