1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Düngung, in welcher Form auch immer, ist – von der Herstellung bis zur Ausbringung – immer mit Kosten verbunden. Jede Düngung benötigt zudem Energie zur Herstellung und zum Ausbringen, und je nach Düngerart werden auch nicht erneuerbare Ressourcen wie Phosphor oder Erdöl verbraucht. Schliesslich hat Düngung in den meisten Fällen unvermeidliche negative Auswirkungen auf die Umwelt, z. B. durch Stickstoffemissionen in die Luft, wie sie bei jedem Einsatz von stickstoffhaltigen Düngern resultieren, oder durch den Eintrag von Düngerfrachten in Oberflächengewässer durch Ab- und Ausschwemmung oder durch Versickerung ins Grundwasser.
Sowohl aus wirtschaftlichen wie ökologischen Gründen ist deshalb ein sehr gezielter Einsatz der Düngung bei der Bewirtschaftung des Wieslandes zentral. Der Hofdünger schliesst dabei den Stoffkreislauf zwischen Wiese und Raufutterverzehrer auf dem Hof. Für seine Effizienz im Hinblick auf die Ertragsbildung, aber ebenso zur Minimierung negativer Umweltwirkungen und von Verlusten, sind einerseits die Aufbereitung (z. B. als Mist/Gülle, mit/ohne Zusätze), andererseits die Ausbringung entscheidend. Bei der Ausbringung sind neben den technischen Möglichkeiten (z.B. Einsatz von Schleppschlauchverteiler) vor allem die Form, der Zeitpunkt und die Menge der Hofdüngergaben zu beachten. Ihre Anpassung an den Standort und den Pflanzenbestand gehört zu den wichtigsten Massnahmen des nachhaltigen Naturfutterbaus und ist für den Ertrag und die botanische Zusammensetzung des Wiesenbestandes einer der Hauptfaktoren (s. Kap. 4.1).
Der Einsatz von Handelsdünger ist im Wiesland der Schweiz und den meisten Teilen Mitteleuropas in aller Regel nicht mehr zu rechtfertigen. Die meisten intensiv genutzten Wieslandböden der Schweiz sind heute vor allem in Regionen mit hohen Tierbeständen als Folge der anhaltenden Futtermittelzufuhr und Gülledüngung im Hinblick auf die Ertragsbildung für Jahrzehnte mit Phosphor gut bis übermässig versorgt (Kap. 6.9.2 und 6.9.3). Der nötige P-Gehalt im Boden, der zur Vermeidung von Ertragseinbussen nötig ist, wurde offenbar lange stark überschätzt (BUWAL 2004; BOSSHARD et al. 2010).
Was den mineralischen Stickstoffdünger (Handelsdünger) anbelangt, ist sein Einsatz im Wiesland in energetischer Hinsicht besonders ineffizient, einerseits weil seine Herstellung sehr viel fossile Energie benötigt (BOSSHARD et al. 2010), andererseits weil im Wiesland vielfältige Möglichkeiten einer Förderung der bakteriellen Stickstofffixierung über Leguminosen bestehen, die je nach Leguminosenanteil bis über 300 kg Reinstickstoff pro Hektare und Jahr fixieren können (Übersicht in KLATT 2008). Je mehr Stickstoff gedüngt wird, desto weniger Stickstoff produzieren die Leguminosen ( Abb. 7).
Exkurs 3
Ertrag ohne Düngung: Bedeutung und Effekt der natürlichen Nährstoff-Nachlieferung des Wieslandbodens
Wiesland ist ein Ökosystem, das auch ohne Düngung einen massgeblichen, konstanten Ertrag liefert. Ungedüngte Magerwiesen liefern langfristig Erträge von bis zu 4 Tonnen Trockensubstand (TS) pro ha (DIETL 1986). Wird andererseits die Düngung in langjährig gedüngten Beständen ausgesetzt, geht der Ertrag zwar zurück. Die Höhe dieses Rückgangs hängt aber in hohem Masse von den Standortsbedingungen, insbesondere vom Nährstoff-Nachlieferungsvermögen des Bodens und von den klimatischen Bedingungen, aber auch vom Pflanzenbestand selber ab. In einem 20-jährigen Düngungsversuch auf einem guten Boden im Schweizer Jura nahm der TS-Ertrag von 6 bis 8 t/ha (je nach Düngungsvariante) nach Aufgabe der Düngung in wenigen Jahren auf 3,5 t/ha ab und blieb dann über all die Jahre weitgehend konstant. Im Mittel wurden dann pro Jahr und Hektare 12 kg P2O2, 71 kg K2O und 69 kg N im Erntegut abgeführt (THOMET und KOCH 1993). SCHIEFER (1984) stellte im Rahmen ausgedehnter Aushagerungsversuche in Baden-Württemberg unter günstigen Bedingungen hinsichtlich unter anderem des Nährstoff-Nachlieferungsvermögens des Bodens selbst nach 15 Jahren Aushagerung keinen nennenswerten Rückgang des Ertragsniveaus nach Aufgabe der Düngung fest, während unter anderen Bedingungen ein Ertragsabfall unterschiedlicher Stärke und Geschwindigkeit eintrat (SCHIEFER 1984).
Diese Erkenntnisse stellen in Frage, was bis heute in Lehre und Beratung den Landwirten und Studierenden vermittelt wird und worauf die Nährstoffbilanz und Düngungspraxis in vielen Ländern basiert: dass nämlich die aus einer bewirtschafteten Fläche abgeführten Nährstoffe ersetzt werden müssten, um die Ertragsfähigkeit des Wieslandes erhalten zu können. Dieser Ansatz wird auf Justus von LIEBIG (1840) zurückgeführt.
Zahlreiche Versuche der letzten Jahrzehnte zeigten eindrücklich, dass das Konzept der Düngerbilanz auf der Basis des Nährstoffersatzes zwar der Düngerindustrie regelmässigen Absatz sichert und überhöhte, mit importierten Futtermitteln gefütterte Tierbestände auf den Betrieben ermöglicht, aber nicht sachgemäss ist oder zumindest nur einen Teil der Zusammenhänge beschreibt. Unberücksichtigt bleibt dabei vor allem der wesentliche Faktor des Nährstoff-Nachlieferungsvermögens des Bodens ( Abb. 7).
Besonders intensiv mit dem wichtigen Aspekt der Nährstoff-Nachlieferungsvermögen befasste sich SCHELLER (1993), der vor allem auf die Bedeutung und das Potenzial der aktiven Nährstoffmobilisierung durch die Pflanzen und ihre Bedeutung für den nachhaltigen, ressourcenschonenden Landbau aufmerksam machte. Pflanzen sind fähig, mittels Wurzelausscheidungen und mit Hilfe von Symbiosepartnern sich ihre Nährstoffe aus dem Boden aktiv zu erschliessen. Die meisten Böden beinhalten im unverwitterten Gestein und in unteren Bodenhorizonten grosse Mengen der benötigten Nährstoffe, die gemäss den üblichen Nährstoffanalysen jedoch als nicht pflanzenverfügbar gelten. Die Pflanzen geben gemäss SCHELLER bis zu 20 Prozent des in der Photosynthese gebundenen Kohlenstoffes in den Boden ab und zersetzen damit quasi aktiv Glimmer und Feldspäte im Schluffanteil des Bodens, um Nährstoffe wie Kalium und Phosphor sowie Spurenelemente freizusetzen. Inwieweit die aktive Nährstoffmobilisierung zur Versorgung der Pflanzen beitragen kann, hängt nach den Versuchen SCHELLERS entscheidend insbesondere von einer intakten Bodenstruktur und einer guten Durchwurzelung ab.
Bodenverbessernde oder bodenschonende Massnahmen können damit oft mehr zur Verbesserung der Ertragsfähigkeit des Wieslandes beitragen als eine Steigerung der Düngergaben. Durch die immer schwereren Maschinen, die bei der heutigen Wieslandnutzung eingesetzt werden, und die zunehmende Nutzungshäufigkeit geht die Entwicklung jedoch in die gegenteilige Richtung. Gemäss einer Studie aus dem Kanton Luzern wird bereits ein Drittel der Innerschweizer Wiesenböden als derart verdichtet und im Wasserhaushalt gestört eingeschätzt, dass irreversible Ertragsverluste selbst bei hohen Düngergaben zu erwarten seien (Umweltamt Luzern 2013). Aktive Nährstoffmobilisation ist unter solchen Bedingungen stark eingeschränkt oder ganz verhindert.
Auch hinsichtlich der Stickstoffbilanz zeigen neuere Versuche, dass selbst ein sehr hohes Ertragsniveau langfristig bei deutlicher Unterbilanz möglich ist ( Abb. 7). Wird zusätzlich der aus der Luft deponierte Stickstoff einbezogen, welcher vor allem aus den Emissionen der Landwirtschaft und in deutlich geringerem Umfang vom motorisierten Verkehr stammt und in vielen Regionen der Schweiz selbst die Normdüngung der Fettwiesen der 1950er Jahre übertrifft ( Exkurs 4), ist heute ein Grossteil des intensiver genutzten Wieslandes als überdüngt zu bezeichnen. Dies ist nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern verschwendet nicht erneuerbare Ressourcen und trägt durch die Stickstoffemission über die Luft oder die Auswaschung in die Gewässer zur Beeinträchtigung anderer Ökosysteme, des Trinkwassers und nicht zuletzt auch des Klimas bei.
Читать дальше