Der Dieb ohne Herz
Ney Sceatcher
Copyright © 2020 by
Drachenmond Verlag GmbH
Auf der Weide 6
50354 Hürth
http: www.drachenmond.de
E-Mail: info@drachenmond.de
Lektorat: Stephan R. Bellem
Korrektorat: Michaela Retetzki
Layout: Michelle N. Weber
Dekorelemente: Shutterstock
Illustrationen: Ana Neves
Umschlagdesign: Alexander Kopainski
Bildmaterial: Shutterstock
ISBN 978-3-95991-419-2
Alle Rechte vorbehalten
Für den Jungen ohne Herz,
der mir den Anfang meiner Geschichte gab.
Für meine Eltern,
die mich in allem unterstützen.
Für meine Freunde,
die mich auffangen, wenn ich falle.
Für meine Leser,
die mich zum Lächeln bringen.
Und für dich,
ich hoffe, du findest deine Geschichte und lebst deine Träume.
Prolog
1. Wo Sterne funkelten
2. Wo Wünsche wahr wurden
3. Wo Mädchen verschwanden
4. Wo Entscheidungen Herzen brachen
5. Wo Fremde einem halfen
6. Wo Diebe ihr Herz in Bäumen versteckten
7. Wo Märchen begannen
8. Wo Hexen die Guten waren
9. Wo die Wahrheit sich hinter Lügen tarnte
10. Wo Masken grün wie die Hoffnung waren
11. Wo Schwestern sich für lange Zeit trennten
12. Wo Namen keine Bedeutung mehr hatten
13. Wo Tränen für Erinnerungen standen
14. Wo Ungeheuer sich nahmen, was sie wollten
15. Wo Märchen schöner klangen, als sie waren
16. Wo manche Welten grau wirkten
17. Wo Musik einen Herzschlag ersetzte
18. Wo Mädchen mit Raben sprachen
19. Wo Schmetterlinge sterben mussten
20. Wo drei Menschen beim Ankleiden halfen
21. Wo fremde Menschen aufeinandertrafen
22. Wo Masken ihre Besitzer wechselten
23. Wo Narben eine Bedeutung hatten
24. Wo Gedanken und Träume wie Seifenblasen platzten
25. Wo Diebe Herzen stahlen …
26. Wo ein Zauber die Wahrheit verbarg
27. Wo manches Ende zu früh kam
28. Wo drei Hexen Lebewohl sagten
29. Wo alles zu Ende ging mit einem letzten Märchen
Epilog
Danksagung
Es war einmal vor langer Zeit, so erzählte man sich, da existierte eine Stadt, in der die Menschen Masken trugen, um ihr wahres Gesicht zu verbergen. Masken aus Glas, aus Papier, aus Holz oder aus Metall. Es gab sie in allen Variationen. Niemand wusste, wie die Menschen dahinter aussahen, und niemand fragte. An jenem Ort, der auch Malufra genannt wurde, regierte eine Königin mit langem blondem Haar. Ihr Haar war so lang, dass die Diener morgens eine Stunde damit verbrachten, die dichte Mähne zu bändigen und hochzustecken. Auch die Königin trug Masken, nur waren ihre schöner und prunkvoller als die der anderen. Sie sei verrückt, so tuschelte man hinter vorgehaltener Hand, würde mit ihrem Spiegelbild sprechen, würde sich selbst Lieder vorsummen und Gestalten sehen, die gar nicht existierten. Ja, um die Königin von Malufra rankten sich viele Geschichten. Nur was der Wahrheit entsprach und was nicht, das wusste keiner. Die Stadt lag schon seit Jahrzehnten abgeschieden, und um sie zu betreten, musste man durch den dunklen Wald, vorbei an dem Dieb ohne Herz.
Ein Dieb ohne Herz? Auch das ist eine andere Geschichte.
Vor Malufra und dem dunklen Wald, da lag ein kleines Fischerdorf. In dem man im Gegensatz zu Malufra keine Masken trug. In diesem Dorf lebte ein Mädchen, sein Haar war so weiß wie Schnee und seine Augen so blau wie das Meer, das es tagein, tagaus zu Gesicht bekam. Seit sie klein war, sammelte sie Geschichten. Das Mädchen lauschte gespannt all den Erzählungen. Egal ob wahr oder nicht, verwahrte alles in seinem kleinen Köpfchen und trug sie seitdem wie ein Gepäckstück mit sich herum.
Manchmal, wenn niemand sprach, dann blickte sie in die Gesichter der Menschen und versuchte sich ihre Geschichte vorzustellen. Versuchte zu erahnen, was für Geheimnisse sie versteckten, was für Lieder sie hinter verschlossenen Türen sangen und was ihnen durch den Kopf ging, während sie gedankenversunken in den Himmel starrten.
Das Mädchen liebte Geschichten und Märchen und ganz tief in ihrem Herz, da hatte sie ihre liebsten Erzählungen versteckt. Die Geschichte über die verbotenen Wünsche oder die der gläsernen Prinzessin, die Erzählung von dem Mädchen ohne Kopf oder eben die Geschichte vom Dieb ohne Herz.
Doch das Mädchen lebte nicht von klein auf in diesem Dorf. An einem stürmischen Wintertag tauchte es auf und niemand wusste, wer es war oder woher es kam. Seitdem arbeitete sie in der Werkstatt einer herzensguten Frau und half ihr dabei, Masken herzustellen. Masken für die reichen Leute in dem Fischerdorf, die auch so etwas Einzigartiges besitzen wollten wie die Menschen in Malufra. Die Masken stellten sie bei sich zu Hause auf oder hängten sie an die Wand, um zu zeigen, dass sie das Geld dafür besaßen.
Inzwischen war das Mädchen älter geworden und sein Herz verlangte nach mehr Geschichten. Sie wollte hinaus in die Welt, wollte alles erkunden, verspürte den Drang, endlich ihre eigene Geschichte zu entdecken.
Da stand sie also, blickte hinaus auf das Meer, in ihrer Hand eine schwarze Maske, auf der leuchtende Sterne abgebildet waren.
Lasst es mich so sagen, in dieser Geschichte wird es ein Happy End geben, nur nicht so, wie wir alle es erwarten.
1
Wo Sterne funkelten
vor einigen Jahren
E s war bereits dunkel auf den Straßen, keine Menschenseele war mehr zu sehen. Der Mond beleuchtete schwach die kleinen gepflasterten Wege, die durch das Dorf führten, während vereinzelte Schneeflocken sich einen Weg hinunter auf die Erde bahnten. Kalt war es und dunkel, nur das leise Flüstern des Windes drang durch die Ritzen hinein in die Häuser. Die meisten Menschen lagen in ihren Betten, verkrochen sich unter dicken Wolldecken und träumten bereits von morgen.
In einem Haus, das etwas weiter abgelegen stand, da brannte noch Licht. Eine Frau mit dichtem schwarzem Haar saß an ihrem Arbeitstisch und hatte sich über einen Gegenstand gebeugt. Diese Frau liebte die Nacht, da war es ruhig und man konnte ungestört arbeiten. Während die anderen schliefen, da stellte sie Masken her.
In ihrer Hand lag das neueste Werk, die Bestellung einer reichen Adelsdame. Die Maske war aus Glas, ganz bunt und farbenprächtig, die Seiten zierten Federn von Vögeln. Vögel, die man seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Die Frau fuhr sich seufzend durch das Haar. Bis morgen früh musste sie fertig sein, nur fehlte noch das gewisse Etwas. Nur was?
Sie wollte erneut aufseufzen, als ein schwaches Klopfen an der Tür sie zusammenzucken ließ.
»Herein!«, rief die Frau, die sich selten fürchtete. Sie glaubte an die Gerechtigkeit und auch an das Gute in den Menschen. Wenn jemand sie bestehlen wollte, dann könnte sie es ohnehin nicht verhindern. Mehr als Masken und bunte Federn konnte sie nicht bieten, denn das Geld, das sie nicht brauchte, das schenkte sie den Armen und Bedürftigen.
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