Fazit: Auch wenn zwischen dem TBL-framework und dem Storyline Approach eindeutige Bezüge erkennbar sind, muss hervorgehoben werden, dass das Rahmenkonzept nach Willis vergleichsweise starr wirkt. Bei Storyline -Projekten, die den beschriebenen Kreislauf im Prinzip sogar mehrmals durchlaufen, ist der Rahmen nicht derart streng strukturiert, sondern wirkt flexibler und eher prozessorientiert. Entsprechend muss der language focus auch nicht zwangsläufig erst am Ende erfolgen, sondern wird sinnvollerweise stets dann relevant, wenn die Lernenden – im Sinne der gewünschten language awareness – sprachbezogene Fragen oder Unsicherheiten äußern, die sie an der weiteren Aufgabenbearbeitung behindern. Spracharbeit wird somit immer dann integriert, wenn sie notwendig und sinnvoll erscheint: Bei der Aktivierung und dem gemeinsamen Sammeln von relevanten Redemitteln in Form der wordbanks kann sie dem Aufgabenzyklus vorangestellt sein und im Falle des Nachschlagens oder Erfragens von individuell benötigten Wörtern kann sie die Aufgabenbearbeitung auch begleiten. Konkrete Beispiele werden in Teil B vorgestellt.
2.4.4 Zum Stand der Aufgabenforschung
Wie oben ausgeführt scheint der Task-based Approach seit geraumer Zeit ein Revival zu erleben, und die Aufgabenforschung zählt heute offensichtlich zu den Schwerpunkten innerhalb der Fremdsprachendidaktik bzw. der Fremdsprachenerwerbsforschung, auch wenn mittlerweile eine geradezu unüberschaubare Fülle an Konzepten von Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht existiert, „deren Systematisierung und begriffliche Abgrenzung nicht einfach ist“ (Schocker-von Ditfurth 2006, 228).1 Dies mag auch mit ein Grund dafür sein, warum das Konzept nicht nur (bedingungslosen) Zuspruch erfährt.2
Kritisiert wird nicht nur eine mangelnde terminologische, sondern auch eine fehlende inhaltliche Präzisierung des Konzepts3, wobei diese vielschichtige Offenheit häufig dazu führt, dass Missverständnisse entstehen und konträre Standpunkte vertreten werden. So beklagt Burwitz-Melzer (2006), dass die fachdidaktische Diskussion über TBL maßgeblich durch die Tatsache erschwert wird, „dass TBL eben kein auf lerntheoretischen Erkenntnissen oder Grundlagenforschung basierendes scharf umrissenes Konzept darstellt, sondern ein travelling concept , das von verschiedenen Disziplinen zur Beschreibung unterschiedlicher Sachverhalte benutzt worden ist oder benutzt wird“ (Ebd., 25). Dagegen behaupten Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2004): “It seems that in recent years TBLL has become an important approach which allows psycho-linguistic and sociocultural approaches to language learning to find common ground“ (Ebd., 40). Dabei sprechen sie sich – auch in Anlehnung an Rod Ellis – ausdrücklich für eine Verbindung von psycholinguistischen und soziokulturellen4 Forschungsansätzen aus, „um der gesamten Komplexität des aufgabenorientierten Fremdsprachenunterrichts gerecht zu werden“ (Müller-Hartmann/Schocker-von Ditfurth 2005, 14).5 Somit wird deutlich, dass es sich hier um ein äußerst disparates Forschungsfeld handelt.
In den vergangenen 20-25 Jahren wurde zwar weltweit viel Aufgabenforschung in Bezug auf das Fremdsprachenlernen betrieben und durch einen enormen Umfang an Veröffentlichungen dokumentiert, doch trotz vielfältiger Bemühungen haben Untersuchungen zu den Leistungen der Lernenden offensichtlich noch keine eindeutigen Ergebnisse dazu geliefert, wie die verschiedenen Dimensionen der Sprachproduktion ( accuracy , fluency , complexity ) durch die entsprechende Gestaltung von tasks gezielt gefördert werden können und wie diese überhaupt miteinander interagieren (Skehan 2003; 2007).6 Skehan (2007) vergleicht in diesem Zusammenhang verschiedene Forschungsansätze mit jeweils unterschiedlichen theoretischen Fundamenten und präsentiert die Ergebnisse aus der Aufgabenforschung der vergangenen Jahre, auf die hier allerdings nicht näher eingegangen werden kann.7 Dabei wird offensichtlich, dass die Befunde zum Teil widersprüchlich oder auch inkonsistent sind. Nicht zuletzt diese Tatsache bewirkt, dass zwischen denjenigen, die TBL befürworten bzw. ablehnen, immer wieder Debatten entstehen und entsprechende Diskussionen sogar innerhalb der TBL community gelegentlich für Irritationen sorgen.8
Für aussagekräftigere Ergebnisse ist mehr Forschung unter realen Sprachlernbedingungen im Klassenzimmer vonnöten, denn bisher wurden viele Studien unter laborähnlichen Bedingungen durchgeführt und weisen deshalb manche Schwachpunkte auf: “Reliance on research gathered from non-pedagogical context runs the risk of lacking relevance and validity“ (Samuda/Bygate 2008, 261). Auch scheint es wenig Sinn zu machen, isolierte Variablen wie etwa das Aufgabendesign zu untersuchen, ohne dabei den Gesamtkontext zu berücksichtigen, also die multiplen Bedingungen vor Ort (Kontextvariablen) und die Zusammensetzung der Lerngruppe selbst (Lernervariablen), welche die Sprachentwicklung mit beeinflussen:
There has been very little formal research into TBL in classrooms, where a host of different variables come into play. The ‘same’ task might be done quite differently according to where it comes in the teaching cycle, the role taken by the teacher, the learners’ interpretations of what is expected, the learners’ previous experience of the task type and topic or content matter and other implementation variables, such as time limit, group size and participant roles (Willis/Willis 2001, 176).
Eckerth (2003) bringt die Sache auf den Punkt, wenn er ein kritisches Resümee zum Stand der Aufgabenforschung zieht und auf diverse Schwachstellen bzw. Widersprüche hinweist: „Obwohl Formulierungen wie ‘ chances of noticing ’ und ‘ opportunity for reflection and awareness ’ auf die Konzeptualisierung des Fremdsprachenlerners als aktives und selbstreflexives Subjekt referieren, wird der Lerner innerhalb der task-based research primär als ein reaktives informationsverarbeitendes System betrachtet“ (Ebd., 38). Es kann also nur noch einmal wiederholt werden: Die Spracherwerbsforschung sollte mit der Unterrichtsforschung noch stärker verbunden werden, um zu verlässlicheren Ergebnissen zu gelangen.9 Dabei sollten sowohl Lernprodukte als auch Lernprozesse ins Blickfeld gerückt werden, um die Interdependenz von Lernumgebung, Lernenden und Lernerfolg zu erforschen (Eckerth 2008, 19). Es liegt auf der Hand, dass dieser anvisisierte Brückenschlag noch ein langwieriger Prozess sein wird, zumal Schulen, Lehrkräfte, Klassen, Lernende und Forschende gefunden werden müssen, die sich dem komplexen Ziel der gemeinsamen Aufgabenforschung verschreiben wollen und können.
Um also langfristig eine stärkere Akzeptanz der Aufgabenorientierung in der Unterrichtspraxis zu erzielen, sollten nicht nur Inhalte und Ziele des Konzepts klarer abgesteckt und konkretisiert werden, sondern vor allem müssen auch noch mehr wissenschaftlich abgesicherte Befunde hinsichtlich der Vorzüge von TBL bezüglich Lernerleistungen erbracht werden. Dazu sind unter anderem auch verlässliche Langzeitstudien erforderlich. Zu den grundsätzlicheren Fragen, die zwar nicht alle zwangsläufig im Klassenzimmer erforscht, aber dennoch geklärt werden müssen, gehören beispielsweise die folgenden:
Was überhaupt sind authentische Aufgaben?
Was sind für Schülerinnen und Schüler gute und somit auch sinnvolle Aufgaben ( meaningful tasks ), die sie zur Kommunikation in der Fremdsprache herausfordern?
Welche Inhalte und Themen sind für Schülerinnen und Schüler insofern relevant, dass sie auch für deren Zukunft im Sinne von Bildungsinhalten und Persönlichkeitsentwicklung eine Bedeutung haben (vgl. auch Bredella 2006)?
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