In Lateinamerikaführten nationalistische und verfassungsrechtliche BewegungenVerfassungsbewegung (19. Jh.) zur DekolonisationKolonialisierungLateinamerika beziehungsweise Unabhängigkeit. Nach dem Vorbild der USA emanzipierten sich die portugiesischen und spanischen Kolonien unter Führung von Simón Bolivar von ihren europäischen Herrschern.Lateinamerika: Dekolonisation Allerdings folgten die Unabhängigkeitserklärungen nicht direkt aus der amerikanischen Revolution. Erst die Machtübernahme Madrids durch Napoleon im Jahre 1808 lockerte den Zugriff Spaniens auf seine Kolonien und ermöglichte die Unabhängigkeit des südamerikanischen Kontinents. Argentinien erklärte 1810 seine Unabhängigkeit. Bis 1825 waren die ehemals spanischen und portugiesischen Kolonien des südamerikanischen Kontinents selbstständige Staaten. Großbritannien und Frankreich unterstützten die Unabhängigkeit dieser Staatengruppe aus dem Interesse heraus, die Herrschaft Spaniens auf dem Kontinent zu beenden. Ähnlich zum Wiener Kongress etablierten die neuen Regierungen in Lateinamerika 1826 den Kongress von Panamaals regionale Institution zur Regelung zwischenstaatlicher Angelegenheiten.
Der Kongress von Panama
Der Kongress von Panama stellte das erste System kollektiver Sicherheit dar und von ihm gingen später wesentliche Impulse für das Prinzip der Streitschlichtung des Völkerbunds aus. Anders als der Wiener Kongress verstand sich der Kongress von Panama als ein gegen äußere Angriffe gerichtetes System, das sich dem Schutz der Demokratie gegen die Interventionspolitik des Wiener Kongresses verschrieb. Die lateinamerikanischen Staaten fürchteten, dass die in der Quadrupelallianz vereinigten Mächte die Interventionspolitik des Wiener Kongresses auch gegenüber ihren Kolonien durchsetzen würden.
In Europafördern VerfassungsbewegungenVerfassungsbewegung (19. Jh.) die nationale Selbstbestimmung und Unabhängigkeitvieler StaatenEuropa und Balkan/Südosteuropa: Staatliche Unabhängigkeit. Belgien erlangte in dieser Zeit die Unabhängigkeit von den Vereinigten Niederlanden. In Deutschland, Polen, Ungarn und Italien entstanden Nationalbewegungen. In Polen und weiten Teilen Österreichs ging es dabei um die Befreiung von Fremdherrschaft, in Deutschland und Italien um die Gründung von NationalstaatNationalstaaten. Der Wiener KongressWiener Kongress entwickelte vor diesem Hintergrund eine Interventionspolitik, die zur Niederschlagung der meisten revolutionären Bewegungen von 1848 führte. Aber er konnte insbesondere die Einigung Deutschlands und Italiens nicht verhindern. Italien entwickelte sich zwischen 1859 und 1870 von einem „geographischen Begriff“ (Metternich, zitiert nach Rudolf/Oswalt 2010: 150) zum NationalstaatNationalstaat. Seine Herrschaftsbereiche wurden mit Unterstützung Frankreichs sukzessive vereint.
Auf dem Balkan und in Südosteuropaverbreiteten sich revolutionäre Bewegungen mit einer rasanten Geschwindigkeit. Diese stellten vor allem für das Osmanische Reich eine große Herausforderung dar, das an seiner Westgrenze deutliche Zerfallserscheinungen verzeichnete, die von den europäischen Mächten Frankreich, Großbritannien und Russland für ihre eigenen Interessen instrumentalisiert wurden. Als viraler Schwachpunkt erwiesen sich hier unter anderem die Ionischen Inseln. Diese hatten während der Napoleonischen Kriege unter britischer Besatzung 1809 eine demokratische Verfassung erhalten. 1821 rebellierten die Griechen gegen das Osmanische Reich und forderten eine mit der ionischen Verfassung vergleichbare Verfassung und ihre Unabhängigkeit. Die griechische Rebellion wiederum wirkte sich begünstigend auf angrenzende Gebiete aus. Auch hier erhielten VerfassungsbewegungenVerfassungsbewegung (19. Jh.) externe Unterstützung: RusslandExterne Unterstützung durch Russland unterstützte die griechischen Unabhängigkeitsbestrebungen, da sich mit einem unabhängigen Griechenland die Möglichkeit eröffnete, seinen Einfluss in Südosteuropa zu vergrößern. Mit der Herauslösung Rumäniens und Bulgariens entlang der Westküste des Schwarzen Meeres wäre für Russland die große Chance verbunden gewesen, einen Zugang zum Mittelmeer zu erlangen, der ihm bisher durch das Osmanische Reich versperrt war. Nach einer Serie von regionalen, militarisierten Konflikten erlangten schließlich Griechenland, Serbien und die sogenannten Donaufürstentümer, das sind die an der Donau gelegenen Staaten Bulgarien und Rumänien, ihre Unabhängigkeit.
Deutschlandund Italiennahmen im gleichen Zeitraum ihre Gestalt als einheitliche NationalstaatNationalstaaten anNationalstaatliche Einigung in Deutschland und Italien. In Deutschland hatte Preußen bereits die ersten Schritte im 18. Jahrhundert mit der Eroberung Schlesiens während des Österreichischen Erbfolgekriegs unternommen. Nach den Revolutionen von 1848/1849 wurde der Deutsche Bund zwar restauriert, in dem Österreich, Preußen und einige Mittelstaaten dominierten (vor allem Bayern, Württemberg). Preußen gelang es aber danach, seine Interessen an einer deutschen Einigung auch gegen die Interessen Österreichs durchzusetzen. In den drei deutschen Einigungskriegendeutsche Einigungskriege, drei gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71) weitete Preußen sein Reich sukzessive aus. Zwischen 1866 und 1871 war eine neue „Großmacht in der Mitte Europas“ (Rudolf/Oswalt 2010: 152) entstanden. Italien hatte bis ins 19. Jahrhundert nur als geographischer Begriff existiert: Es bestand aus fünf Herrschaftsbereichen – dem Königreich beider Sizilien, Sardinien, dem Kirchenstaat und den von Österreich abhängigen Herzogtümern (z.B. Lombardei). Der Einfluss Österreichs erwies sich als größtes Hindernis für eine nationalstaatliche Einigung. Unter der Führung des Königreichs Sardinien-Piemont und mit Unterstützung Frankreichs gelang es, durch einen Krieg gegen Österreich 1859 zunächst den Norden zu einigen, ein Jahr später wurde der Süden angeschlossen, nachdem eine nationale Bewegung den bourbonischen König entmachtet hatte.
Industrielle RevolutionIndustrielle Revolution
Während die erste Hälfte des Jahrhunderts dominiert war von VerfassungVerfassungsbewegung (19. Jh.)s- und DemokratisierungsbewegungenDemokratisierungsbewillen, war die zweite Hälfte durch die Erfolge der industriellen Revolutiongeprägt. Sie ist einer der Trends mit tiefgreifenden Effekten in dieser Epoche, der sich auch auf die internationalen Beziehungen auswirkt. Sie beeinflusste alle Lebensbereiche, indem sie die statische und agrarisch geprägte Wirtschaftsverfassung, die seit dem Mittelalter galt, aufbrach. Ausgangspunkt der Industrialisierung war Großbritannien. Nach und nach wurden vor allem einzelne Staaten in Kontinentaleuropa erfasst, allen voran Belgien, Deutschland und Frankreich, dann aber auch die USA und Japan. England schaffte aufgrund einer Reihe von bahnbrechenden Erfindungen als erstes den Take-Off. Dazu gehörten die Erfindung des mechanischen Webstuhls, der die Textilproduktion revolutionierte, der Einsatz der Dampfmaschine in Bergbau und in der Schwerindustrie und die Entwicklung der dampfgetriebenen Eisenbahn. In vielen Staaten kam es zu Innovationen in der Landwirtschaft, einer Ausweitung von Binnen- und Außenmärkten und technischen Neuerungen. Die technischen Neuerungen der Industrialisierung ermöglichten erst Phänomene wie staatliche Expansion und KolonialisierungKolonialisierungAuswirkungen auf staatliche Expansion, Kolonialisierung und Kriegführung, die ohne den Ausbau des Schienennetzes beispielsweise schwer vorstellbar gewesen wären. Die Industrialisierung wirkte sich grundlegend auch auf die Kriegführung aus. Sie leitete in den „industrialisierten Volkskrieg“ über, in dem technologischer Vorsprung und Organisationsgeschick – und nicht mehr nur Truppenstärke – kriegsentscheidend waren. Der Einsatz der Eisenbahn machte es für Frankreich beispielsweise möglich, 120.000 Soldaten in nur 11 Tagen an die Front zu transportieren. Die systematische Integration von Eisenbahnen und Telegrafen in die Mobilmachung und Kriegsplanung stärkte die strategische Offensive, während die gesteigerte Feuerkraft von Gewehren und Artillerie die Defensive förderte (Hobson 2004: 19). Damit waren die Grundlagen für die zermürbenden Stellungskriege des Ersten WeltkriegsErster Weltkrieg geschaffen.
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