MOHSEN CHARIFI
Die Kunst
Beziehungen
in den Sand zu setzen
1. Auflage 2017
© 2017 Windpferd Verlagsgesellschaft mbH, Oberstdorf
Alle Rechte vorbehalten
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Umschlaggestaltung: Jennifer Jünemann | www.bitdifferent.de
Illustrationen: Olivér Svéd © 123rf.de· Napat Polchoke © 123rf.de
Boarini Pictures © turbosquid.com
Satz und Layout: Marx Grafik & ArtWork
Lektorat: Sarah Varga
Korrektorat: Sylvia Luetjohann
eISBN 978-3-86410-165-6
www.windpferd.de
1. Wer klopft denn da an meine Tür?
2. Die Reise nach Italien
3. Der erste Fehler liegt schon vor dem Anfang
4. Die Entzauberung der Verliebtheit
5. Mein Bild von dir stammt aus meinem Farbkasten
6. Der Sonnenbrand auf der Seele
7. Was ist überhaupt eine Beziehung?
8. Wie viel „Du“ verträgt ein „Ich“?
9. Vom guten Ruf der Hoffnung
10. „Es“ ist ein Wurm in der Beziehung
11. Vergiss das Glück, Hauptsache du hast recht
12. Vom Verstehen zum Verständnis
13. Von der bitteren Wahrheit und süßen Lügen
14. Fliehen, Gehen oder Bleiben?
15. Von der Unmöglichkeit, nicht logisch zu denken
16. Der Mensch als Schöpfer der Realität?
17. Die wichtigste Beziehung in meinem Leben
18. Die Kunst, die Beziehung zu sich selbst nicht in den Sand zu setzen
19. Meine Goldmine
20. Der verborgene Schatz in meiner Beziehung
Anmerkungen und Quellen
Vom gleichen Autor sind folgende Bücher erschienen
Liebe Bettina,
Dir verdanke ich die Kunst,
Beziehungen nicht in den Sand
zu setzen.
Und Dir, liebe Sarah,
danke ich für Deinen Beitrag,
diese Kunst poetisch
zu gestalten.
1.
Wer klopft denn da an meine Tür?
Ein Mann kam an die Tür seiner Geliebten und klopfte. Eine Stimme fragte: „Wer ist da?“
„Ich bin da!“, war seine kraftvolle und entschlossene Antwort. Er wartete lange, aber die Tür blieb verschlossen. Er kehrte um und dachte ein langes Jahr nach, kam wieder und klopfte.
„Wer ist da?“
„Du bist da“, antwortete er leise und zaghaft und wartete und wartete, doch die Tür blieb verschlossen.
Er kehrte um. Wieder zu Hause, sagte er sich: „Ich habe ein Jahr auf meine Gedanken gehört. Jetzt höre ich, was mein Herz mir zuflüstert.“ Das tat er auch ein Jahr lang, dann ging er wieder zu seiner Geliebten und klopfte.
Wieder fragte die Stimme: „Wer ist da?“
Er antwortete: „Wir sind da.“
Und die Tür wurde geöffnet. 1
Der Zauber dieser kurzen Geschichte liegt in ihrer Aussagekraft. Sie schaut durch die vielfältigen Facetten zwischenmenschlicher Beziehungen und reduziert sie auf zwei Fragen und zwei Antworten. Die eine Frage ist das Klopfen an der Tür und die andere: „Wer ist da?“ Und die Antworten sind die verschlossene oder die geöffnete Tür.
In diesen Fragen und Antworten spiegeln sich das Wesen und das Schicksal von Beziehungen wider. Derjenige, der klopft, ist ein Suchender. Er sucht ein Zuhause in und mit einem Menschen. Er will ankommen und bleiben. Er sucht einen Platz für das Haus seines Lebens. Derjenige, der fragt: „Wer ist da?“, ist auch ein Suchender. Er wartet neugierig auf den anderen, mit all seinen Mitbringseln. Auch er will ein gemeinsames Haus und Zuhause auf dem noch leeren Platz in seinem Leben bauen.
Diese Geschichte ist jedoch irgendwie auch unsere Geschichte, deine und meine, denn wir alle sind Suchende, klopfen, fragen und antworten, mit der Hoffnung, dass wir nach dem Öffnen der Tür dem begegnen, mit dem wir verschmelzen und eins werden und Hand in Hand mit einem Lächeln auf den Lippen und Wind in den Haaren durch die Landschaft des Lebens wandern können.
Im realen Leben aber stehen wir, anders als in der Geschichte, nicht immer vor einer ganz offenen oder ganz geschlossenen Tür, wie wir auch selbst die Tür nicht immer ganz offen oder ganz geschlossen halten. Außerdem klopfen wir selbst manchmal ganz zaghaft, manchmal stürmisch, und manchmal fallen wir sogar gleich mit der Tür ins Haus. Manchmal stecken wir nur unseren Kopf durch den Türspalt oder gehen nur ein paar Schritte hinein. Manchmal schlagen wir sogar nur ein Zelt auf, um erst einmal schnuppern und schauen zu können. Und wenn wir doch ein gemeinsames Haus bauen, sitzen oft entweder schon die ersten Steine schief oder wir verwenden einen Mörtel, der sich in den Gewittern des Schicksals und den Regenschauern des Alltags auflöst. Und am Ende vermissen wir eine gemütliche Hütte zum Verweilen. Das ist heutzutage die Geschichte der meisten Beziehungen –Beziehungen, die scheitern. Wir wollen jedoch zu den anderen gehören, die das Glück einer harmonischen Beziehung auf ihrer Seite haben.
Ist all das eine Frage des Schicksals? – Nein! Wir selbst sind der Architekt unserer Beziehungen. Ob sie glücklich und harmonisch verlaufen, zu einer einvernehmlichen Trennung führen, an ewigen Schlachten zerbrechen oder in erduldeter Unzufriedenheit fortgesetzt werden, all das liegt in unserer Hand. Hier taucht natürlich die Frage auf: „Wenn das Schicksal meiner Beziehungen in meiner Hand liegt, warum verlaufen sie dann so oft anders, als ich es will?“ Weil wir immer wieder über die Unebenheiten in unseren eigenen Denk- und Verhaltensmustern stolpern, die wir im dichten Nebel unserer Routinen nicht bemerken. Und so zaubern wir mit bester Absicht das Unerwünschte herbei. Dies gilt natürlich auch für unseren Partner. Das Ziel dieses Buches ist, gerade das zu bemerken, was wir sonst nicht merken, denn erst dann können wir darauf Einfluss nehmen und es verändern.
Übrigens: Wenn wir in diesem Buch von Beziehungen sprechen, sind immer eheliche, feste eheähnliche Beziehungen sowie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gemeint. Auch Menschen, die sich gerade nicht in einer Beziehung befinden, haben natürlich eine Vorstellung davon, wie ihre künftige Beziehung sein soll. Somit betreffen die Themen dieses Buches auch diese Menschen mit ihren Beziehungskonzepten.
Wir machen jetzt eine Wanderung durch die Landschaft der Beziehungen, und es ist mir eine Freude, dich bei dieser Wanderung zu begleiten. Der erste Schritt auf diesem Weg wird hier symbolisch als die „Reise nach Italien“ umschrieben.
2.
Die Reise nach Italien
Du kannst dir selbst und vielen anderen Menschen die Frage stellen: „In welche Richtung muss man gehen, wenn man nach Italien will?“ Fast immer ist die Antwort: „Nach Süden.“ Diese Antwort ist natürlich nicht immer richtig, denn wenn sich jemand in Nordafrika befindet und nach Süden wendet, um Italien zu erreichen, muss er sehr, sehr weit laufen und sehr, sehr lange schwimmen, um nach Italien zu kommen. Wie lautet jedoch eine Antwort, die immer richtig und gültig ist? – „Es kommt darauf an, wo man steht.“
Welche Absicht steckt hinter dieser Frage? Italien steht für eine glückliche, stabile und bereichernde Partnerschaft: Das ist der „Soll-Zustand“, also das, was wir erreichen wollen. Aber in welche Richtung müssen wir uns bewegen, um dies zu erlangen? Wir kennen nun die richtige Antwort: Es kommt darauf an, wo wir jetzt stehen, also auf unseren „Ist-Zustand“. Bevor wir also ein Ziel anstreben, müssen wir zuerst einmal unseren Standpunkt kennen. Wenn diese beiden Punkte klar sind, dann ist auch die Richtung klar. Anders als bei einer Reise ist bei einer Partnerschaft der Standpunkt, also der „Ist-Zustand“, oft aber ganz und gar nicht einfach zu erkennen und nicht offensichtlich.
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