Fabienne Scheer
Deutsch in Luxemburg
Positionen, Funktionen und Bewertungen der deutschen Sprache
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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ePub-ISBN 978-3-8233-9097-8
Im Frühjahr 2012 führten mich meine Recherchen zunächst nach Luxemburg-Gasperich in das Archiv des Verlagshauses Saint-Paul , wo ich die Printausgaben des Luxemburger Worts , des Luxemburger Lands und des Le Jeudi von 1983 bis 2012 nach Artikeln durchsuchte, die mir mit Blick auf meinen Untersuchungsgegenstand, die deutsche Sprache in Luxemburg, relevant erschienen. Ein herzlicher Dank geht an die Archivare vor Ort für ihre bereitwillige Hilfe.
En cours de route stellte ich fest, dass die Analyse von Presseartikeln und Dokumenten nicht ausreichen würde, um den Stellenwert der deutschen Sprache im Land zu erfassen. Das war der Moment, in dem ich damit anfing, die ersten Interviews zu führen. Zuerst mit Journalisten, dann mit Grund- und Sekundarschullehrern, schlussendlich auch mit Experten für Literatur, Kultur, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Sprach(en)politik und Integration. Ein Großteil dieser ‚Praktiker’ wird im Verlauf dieses Buches namentlich genannt, andere bleiben anonym oder treten nur über das Material, das sie mir zur Verfügung stellten, in Erscheinung. Ihnen allen bin ich zu großem Dank verpflichtet.
Diese Arbeit wurde im Sommer 2016 von der Germanistischen Fakultät der Universität Luxemburg als Dissertation angenommen. Sie konnte nur aufgrund der finanziellen Unterstützung des luxemburgischen Staates, durch den Fonds national de la Recherche , realisiert werden und zu allen Momenten auf die fachliche Unterstützung ihres Betreuers, Prof. Dr. Heinz Sieburg, zurückgreifen. Bei ihm, bei Prof. Dr. Georg Mein, der die Zweitbetreuung übernahm, sowie allen Mitgliedern des Germanistischen Instituts an der Universität Luxemburg möchte ich mich bedanken für vier wertvolle Jahre, welche die Dissertation in die richtigen Bahnen gelenkt haben.
Zu guter Letzt gilt meiner Familie und meinen Freunden ein großes Merci für ihre Nervenstärke und ihre Unterstützung. Allen voran danken, möchte ich meinem Mann, der dieses Abenteuer mit mir durchgestanden hat, meinen Eltern, die mich in vielerlei Hinsicht entlastet und immer in meinen Entscheidungen bestärkt haben und meiner Großmutter, bei der ich die nötige Ruhe fand, um zu schreiben. Eine Woche vor der Geburt meines Sohnes setzte ich den Schlusspunkt. Merci, dass du noch so lange mit deiner Mama mitgeschrieben hast.
„Man kann Sprache nur verstehen, wenn man mehr als Sprache versteht.”
(Hörmann 1978/1994: 210)
Hubertus von Morr1:„Ich habe bei der Tagung, die wir an der Universität Luxemburg hatten, gesagt, dass ich den Eindruck habe, dass das Deutsche hier in Luxemburg zurückgeht. Daraufhin hat mir Charles Berg in seinem Beitrag geantwortet und das fand ich sehr prägend:
„Das Deutsche in Luxemburg ist wie ein Eisberg. Der größte Teil ist unter Wasser.“
Das fand ich sehr gut. Das können Sie in der Arbeit verwenden. Das ist eine sehr geistreiche Bemerkung. […] Ja, es ist mehr da, als der oberflächliche Besucher so glaubt. Wenn hier die Busse ankommen und die Touristen gehen in die Stadt, dann treffen die da erst mal auf Französisch. Das nehmen die nicht wahr. Also das scheint mir die Lage sehr gut zu beschreiben. Ich habe ihm dann geantwortet, dass im Zeichen des Klimawandels Eisberge schmelzen.“ [lacht]
F.S.: „Daran habe ich jetzt auch gedacht.“
Die Eisberg -Metapher vereint zwei Aspekte, die die vorliegende Arbeit von Anfang an begleiteten: die vielfach unsichtbare Stellung der deutschen Sprache in Luxemburg und der oft geäußerte Eindruck, dass ihre Bedeutung im Land abnehme.
Aus Sicht der Gesetzgebung ist Luxemburg heute ein dreisprachiges Land. Am 24. Februar 1984 wurde in der loi sur le régime des langues festgeschrieben, dass das Lëtzebuergesche die Nationalsprache der Luxemburger ist. Die Sprache, die im Bewusstsein ihrer Sprecher längst National- und Muttersprache war, wurde damit auch offiziell über die beiden anderen Landessprachen erhoben. In Artikel II. des Gesetzes wurde die französische Sprache zur rechtsetzenden Sprache erklärt. Erst der dritte Artikel erwähnte ein Vorkommen der deutschen Sprache in Luxemburg. Es wurde vermerkt, dass Französisch, Deutsch und Luxemburgisch als Verwaltungs- und Gerichtssprachen im Land zugelassen sind. Der kommunikative Wert, welcher die deutsche Sprache hat, wurde damit anerkannt – mehr aber auch nicht (Kapitel VIII) .
Gilles (2009: 197) konstatierte, dass es sich als besonders schwer gestalte die Rolle des Deutschen im Ensemble der luxemburgischen Mehrsprachigkeit zu erfassen. Jene Unsichtbarkeit, die das Vorkommen der deutschen Sprache in Luxemburg kennzeichnet, ist nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges politisch so gewollt. Die Zwangsangliederung des Landes an das Deutsche Reich und die damit verbundene Zwangsgermanisierung haben das Verhältnis zur Sprache nachhaltig verändert. In der politischen Außendarstellung nutzt Luxemburg seither weitestgehend die französische Sprache. Innerhalb der Bevölkerung werden die sprachgenealogischen Verbindungen zwischen der luxemburgischen und der deutschen Sprache gedanklich gelockert. Dass die Luxemburger die eigene Mundart einst als Onst Däitsch (Unser Deutsch) bezeichneten, wird aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen (Kapitel II, VIII) . So erfüllt die deutsche Sprache seither vor allem rezeptive Funktionen im Land. Sie gilt als beliebte Mediensprache, ist die Alphabetisierungssprache in der öffentlichen Grundschule und eine der Bildungssprachen (Kapitel V, IX, X).
Die Aufgaben, die alle drei Landessprachen übernehmen, wurden nach dem Krieg neu geordnet. Wissenschaftliche Arbeiten, die versucht haben diese mehrsprachige Situation zu erklären, vor allem Hoffmann (1979) und Berg (1993), haben zumeist bei der domänenspezifischen Verteilung der Sprachen angesetzt, indem sie, vor dem Hintergrund des soziolinguistischen Diglossie-Konzeptes und der Kategorie der Domäne , darlegten, in welchem Bereich der Gesellschaft welche Sprache (Deutsch, Französisch oder Luxemburgisch) vorwiegend verwendet werde (Kapitel II) . Beide Forschungsarbeiten beschränkten sich jedoch auf die Beschreibung des Sprachverhaltens der gebürtigen Luxemburger. Diese forschungspraktische Eingrenzung der Untersuchungsgruppe sollte eine Analyse der Sprachensituation in Luxemburg gegenwärtig nicht mehr vornehmen. Die hier vorgenommene Analyse zur Sprachensituation in Luxemburg wendet sich aus gutem Grund dezidiert von einer solchen Eingrenzung ab. Im Land leben mittlerweile 172 Nationalitäten (vgl. Statec 2014a). Der Zuwandereranteil liegt bei 45,9 % (vgl. Statec 2015: 10). Tagsüber bevölkern zusätzliche 168700 Grenzpendler aus dem deutschen, französischen und belgischen Sprachraum den 563000-Einwohner-Staat (vgl. ebd. 10; 13). Sie alle kommunizieren im Land in einer oder mehreren Sprachen. Ihr Wissen über den domänenadäquaten Sprachgebrauch und ihr Sprachverhalten sind je nach Sprachbiographie und Dauer ihres Aufenthalts verschieden ausgeprägt. Es gibt Zuwanderer und Grenzgänger, die alle drei Landessprachen erwerben und diese situations-/domänenadäquat einsetzen, andere die nur eine der drei ausbauen, in ihrer Herkunftssprache oder einer anderen Fremdsprache den Alltag in Luxemburg bestreiten. Die demographische Entwicklung hat die Position der französischen Sprache im Land gestärkt, denn ein Großteil der Zuwanderer entscheidet sich, aufgrund einer romanischen Erstsprache, dafür, die französische Sprache in Luxemburg zu verwenden. Statistiken zufolge ist sie die am meisten gesprochene Sprache im Land (vgl. Fehlen 2013a: 63). Als Integrationssprache, die das Potenzial hat die Gesellschaft zusammenzuhalten, wird allerdings mehrheitlich die luxemburgische Sprache geschätzt
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