1978: 8. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studien- und Bezirksseminaren der BRD (PH Ruhr in Dortmund: H. Heuer, H. Kleineidam, E. Obendiek, H. Sauer)
Auch bei der Dortmunder Tagung, an deren Organisation ich selbst beteiligt war, wurde wiederum der Zusammenhalt von „Fremdsprachendidaktik, Sprachlehr- und -lernforschung und angewandter Linguistik“ durch das gemeinsame „Interesse am Fremdsprachenunterricht“ vor den zahlreich erschienenen Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Richtungen beschworen (Heuer 1979, 2). Die Vielfalt der Themen war in drei großen Themenbereichen gebündelt:
1 Fremdsprachen in Schule und Gesellschaft – Begründung, Ziele und Inhalte des Fremdsprachenunterrichts
2 Fremdsprachendidaktische Forschung und unterrichtliche Praxis
3 Ausbildung und Fortbildung von Fremdsprachenlehrern.
Bemerkenswert ist der Plenumsvortrag „Zum Wissenschaftsverständnis der Fremdsprachendidaktik“ von R.M. Müller.24 Er definierte die Fremdsprachendidaktik als „Theorie des Unterrichts“ und sah ihre gesellschaftliche Relevanz in der Verbesserung der Verfahren zur Erreichung des Unterrichtsziels, das er als ‚Spracherwerb‘ bezeichnete. Methodisch plädierte er – unter Berücksichtigung der historischen Dimension – für die Sammlung und Beschreibung von vorliegenden Verfahren und deren Theorieansätzen samt Effektivitätserprobung, aber auch für die Entwicklung neuer Verfahren mit Hypothesen über ihre Wirkungen. Die Forderung nach empirischer Erprobung zur Modell- und Hypothesen-Bildung versah er mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass hierbei kein naturwissenschaftlicher Gewissheitsgrad zu erreichen sei.
1981: 9. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studien- und Bezirksseminaren der BRD – Fremdsprachendidaktiker-Kongress (Uni Hannover: C. Gnutzmann, K. Hellwig, F. Jarman, K. Köhring, D. Krohn, M. Siekmann)
Bei der nächsten Arbeitstagung, die erst drei Jahre später in Hannover stattfand, wurde zum ersten Mal der Begriff ‚Kongress‘ verwendet. Die Organisatoren versuchten wiederum, eine Balance zwischen thematischer Konzentration und Offenheit zu erreichen und boten vier Hauptdiskussionsbereiche an: die „Aufarbeitung der bezugswissenschaftlichen Grundlagen“ der Fremdsprachendidaktik sowie „ihrer gesellschaftspolitischen Beziehungen“, die „Erforschung und Ausrichtung von Fremdsprachenunterricht“ und die „Vor- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrern“ (Gnutzmann 1982, 274). In seiner Rückschau auf den Kongress nahm K. Hellwig eine betont vermittelnde Position ein, indem er die Ansicht vertrat, die Fremdsprachendidaktik befinde sich in einer „Zeit der Konsolidierung“, „der Aufarbeitung von Anregungen, des Zurechtrückens von Zu-wenig-Bedachtem und Vereinseitigungen, des Einlösens von Versprechungen in solider Detailarbeit und des Verknüpfens von Neuem mit Bewährtem“ (273).
1983: 10. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Studien- und Bezirksseminaren (RWTH Aachen: J. Donnerstag, A. Knapp-Potthoff)
Die Organisatoren entschieden sich gegen eine thematische Systematisierung und boten in den Sektionen und Arbeitsgruppen ein breites Spektrum der unterschiedlichsten Themen an, wobei die derzeit im Fokus der Diskussion stehenden methodischen Probleme überwogen.25 Neben dem Unterricht in einzelnen Bereichen (Fachsprache, Hauptschule, berufsbildende Schule) wurden auch konkrete methodische Konzepte (Prinzip der Einsprachigkeit, Interaktive Verfahren, Freinet-Techniken) oder der Einsatz von Spielen, Rätseln, Filmen erörtert. Daneben standen Diskussionen zur Motivation, zur Literatur (Textzentrierung vs. Leserzentrierung) und Landeskunde (Stereotypen). Der Theorieaspekt war mit Themen wie „Grundfragen der empirischen Fremdsprachenforschung“, „Neuropsychologische Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs“, „Spracherwerbsforschung zwischen Empirie und theoretischer Modellbildung“ oder „Normen im gesteuerten Fremdsprachenerwerb“ besetzt, und zwar vor allem von Referenten, die sich als Sprachlehrforscher verstanden (u.a. J. Vollmer, R.S. Baur, F.G. Königs). Zum ersten Mal wurde auch im fachpolitischen Diskurs Stellung bezogen, indem die Abschlussveranstaltung ein „Manifest zur Fremdsprachendidaktik und ihrer gegenwärtigen Lage“ verabschiedete.
1985: 11. Arbeitstagung der Fremdsprachendidaktiker an Hochschulen und Ausbildungsseminaren (PH Ludwigsburg: H. Melenk, J. Firges, G Nold, R. Strauch, D. Zeh)
Die Organisatoren der in der Publikation als ‚Kongress‘ ausgewiesenen Tagung entschieden sich für vier unverfängliche Rahmenthemen: Region (Regionalsprache, regionale Literatur, regionale Stereotypen), Drama (Perspektiven des Dramatischen bei der Vermittlung von Sprache und Literatur im Fremdsprachenunterricht und -studium), Politik (Die politische Dimension der Fremdsprachen und des Fremdsprachenunterrichts), Spracherwerb.26
1987: 12. Fremdsprachendidaktiker-Kongress: Die Beziehung der Fremdsprachendidaktik zu ihren Referenzwissenschaften (TU Braunschweig: P. Doyé, H. Heuermann, G. Zimmermann)
Der Kongress in Braunschweig konzentrierte sich erstmalig auf ein einziges Rahmenthema, das systematisch erschlossen werden sollte. Neben der Erörterung der traditionell als Bezugswissenschaften ausgewiesenen Gruppe der Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Landeskunde / Kulturwissenschaft und Erziehungswissenschaft / Allgemeinen Didaktik standen auch die interdisziplinären Bezüge zu Psychologie, Politologie und Soziologie, zu Psycholinguistik und zur Medienwissenschaft zur Diskussion.27 Der Fokus lag auf der Abgrenzung und der Betonung der Eigenständigkeit der Fremdsprachendidaktik als wissenschaftliche Disziplin, die inzwischen eindeutig an Selbstbewusstsein gewonnen hatte.
4. Die parallelen Frühjahrskonferenzen (seit 1981)
Mit dem Selbstverständnis der Disziplin und ihrer Methodologie beschäftigte sich inzwischen ein anderer exklusiver Kreis, der sich unter der Führung von K.-R. Bausch, H. Christ, W. Hüllen und H.-J. Krumm 1981 als sog. „Frühjahrskonferenz“ im idyllischen Rauischholzhausen etabliert hatte und der dort bis heute jährlich vorwiegend forschungsmethodische Fragestellungen diskutiert. Dazu werden Statements der geladenen Teilnehmer auf vorgegebene Leitfragen eingefordert, die dann unter dem Titel „Arbeitspapiere der [xten] Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts“ veröffentlicht werden.28 Die Leitfragen der 1. Konferenz von 1981 lauteten: „Wie definieren Sie den methodischen Ansatz Ihrer eigenen wissenschaftlichen Disziplin? Wo sehen Sie das größte wissenschaftsmethodische Defizit bei der Erforschung des Fremdsprachenunterrichts?“ (Bausch et al. 1981, 1).
Es lohnt sich, auf diese Papiere etwas näher einzugehen, weil sie ein authentisches Zeugnis ablegen für das intellektuelle Ringen jener Jahre um eine eigenständige wissenschaftliche Fremdsprachendidaktik. So provozierten die in ihrer brüsken Direktheit fast naiv anmutenden Fragestellungen eine sicherlich gewollte Klarstellung von Positionen bezüglich der ‚Wissenschaftlichkeit‘ der Disziplin. Es war vor allem das Problem des Praxisbezuges, an dem sich die Geister schieden. Hier einige Beispiele für die kontroversen Standpunkte:
K.-R. Bausch (Seminar für Sprachlehrforschung Bochum) zählte die „sog. Verwertbarkeitsperspektive“ als einen der „für das Konsolidierungsstadium unserer Disziplin typischen Problembereiche“ auf, die „von zufriedenstellenden Lösungsvorschlägen (noch weit) entfernt“ seien (op.cit., 13).
I. Ch. Schwerdtfeger (Seminar für Sprachlehrforschung Bochum) stellte die Frage, „wie weit alle unsere Ergebnisse sofort in Anweisungen für Unterrichtshandeln einmünden müssen/sollen“ und monierte den dadurch entstehenden ungerechtfertigten Erwartungsdruck (op.cit., 108).29
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