b) Profilierung und Regionalisierung
Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten wird die »Profilbildung« von Gemeinden mittlerweile von Kirchenleitungen gefördert. In einer Region können sich unterschiedliche Profile ergänzen, nicht jede Gemeinde muss alle Angebote selbst vorhalten. Gegenüber einem auf die Einzelgemeinde konzentrierten G. setzen neuere Konzeptionen verstärkt auf regionale Kooperationen mit dem Ziel, gemeinsam missionar. Verantwortung für eine Stadt bzw. Region zu übernehmen. Das EKD-Zentrum für »Mission in der Region« (2009–2018) entwickelte Modelle dazu und begleitete Regionen auf diesem Weg.
c) Fresh expressions of Church – die Pluralität der Formen
Neben Ortsgemeinden sind Gemeinden für bestimmte Zielgruppen schon länger bekannt, z.B. Gemeinden für Studierende oder für Angehörige bestimmter Kultur- und Sprachgruppen (Afrikaner, Koreaner usw.). Seit etwa 2005 findet die Diskussion um Gemeindeformen eine Ausweitung. Die Erfahrung, dass Ortsgemeinden mit ihren Angeboten nur einen Teil ihrer Mitglieder erreichen, wird durch die Milieudiskussion (Hempelmann u.a.; → Milieu / Milieustudien) verstärkt. Weitere Impulse kommen durch die » Fresh expressions of Church« -Bewegung aus England (s. Moynagh). Ausgehend vom Auftrag im anglikan. Ordinationsgelübde, das Evangelium jeder Generation neu und »frisch« zu verkündigen ( to proclaim the gospel afresh to each generation ), wird damit gerechnet, dass auch die Gemeinden als konkrete »Früchte« dieser Verkündigung kontextbezogene Ausdrucksformen annehmen: »Eine fresh expression ist eine neue Form von Gemeinde für unsere sich verändernde Kultur, die primär für Menschen gegründet wird, die noch keinen Bezug zu Kirche und Gemeinde haben. Sie entsteht dort, wo Menschen auf Gott hören, sich der Lebenswelt anderer zuwenden, ihnen liebevoll dienen, […] und andere in die Nachfolge Jesu führen. Sie hat das Potenzial, eine vitale Form von Gemeinde zu werden […] Gleichzeitig ist sie relevant für ihren kulturellen Kontext« (Pompe u.a., 31). Der Report » mission-shaped church « von 2004 (dt.: Herbst 2006) strebt eine mixed economy (»Mischwirtschaft«) aus bestehenden und neuen Gemeindeformen an.
Eine Pluralisierung ev. Gemeindeformen ist verbunden mit der Herausforderung einer »innerevangelischen Ökumene«, die neben den genannten neuen Formen auch Migrantengemeinden und »Gemeinschaftsgemeinden« bzw. landeskirchl. Gemeinschaften umfasst.
d) Geistliche Leitung
Gemeinden haben sich in organisatorischer Hinsicht zu komplexen Gebilden entwickelt, entsprechend sind die Anforderungen im Hinblick auf Führung und Leitung gestiegen. Methoden aus der Unternehmensführung werden einbezogen, zugleich soll Führung dem Wesen und Auftrag von Gemeinde entsprechen und als »Leitung durch das Wort« bzw. als geistl. Leitung erfolgen (→ Kirchenleitung). Geistl. Leitung begnügt sich dabei nicht mit der Formulierung wünschenswerter Zustände, sondern zielt auf die Steuerung kybernetischer Prozesse.
e) Dienste in der Gemeinde
Vom Anliegen des G.s her wird das Spezifikum des pfarramtlichen Dienstes (→ Pfarrer / Pfarrerin) in der verlässlichen und öffentl. Wahrnehmung des Verkündigungsauftrags gesehen; seine dienende Zuordnung zu den anderen Diensten wird hervorgehoben: Es geht um die »Zurüstung der Heiligen zum Dienst« (Eph 4,11). Ziel ist ein gabenorientierter G., in dem unterschiedliche Begabungen einander ergänzen (1Petr 4,10; 1Kor 12; → Geistesgaben). Ausgangspunkt ist dabei nicht der Mangel (»Pfarrer- bzw. Pastorenmangel«), sondern der Reichtum an Begabungen, die Gott seiner Gemeinde anvertraut hat. Neben dem Verhältnis von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern spielt in der Diskussion auch die Vielzahl hauptamtlicher Dienste neben dem Pfarramt eine Rolle.
f) Diakonie – Mission – Evangelisation
Ausgangspunkt ist hier der Auftrag und weniger die aktuell als »Krise« wahrgenommene Situation, auch wenn es faktisch oft Krisensituationen sind, die zu einer Neubesinnung auf den Auftrag der Gemeinde führen. Neben Ressourcenknappheit (Finanzen, Personal) liegen Herausforderungen in der abnehmenden Zahl der Mitglieder sowie der Zunahme von Konfessionslosen und Angehörigen anderer Religionen. Der Auftrag beginnt bei denen, an die eine Gemeinde durch ihre Mitgliedschaft gewiesen ist, endet aber nicht mit der Mitgliedschaft, sondern schließt auch die Begegnung mit denen ein, die ihr nicht zugehören: im Zusammenleben, Dialog und Zeugnis mit dem Ziel, Menschen zu »gewinnen«. Zur Hinwendung zu den Menschen gehört der diakon. Aspekt in der Bereitschaft zum Dienen. Die Wege hin zu den Menschen können dabei vielfältig und kreativ sein. Weit verbreitet sind »missionar.« → Gottesdienste und → Glaubenskurse. In Verbindung mit diesen Angeboten und darüber hinaus wird es immer um gelebte Beziehungen und um offene und gastfreundliche Gemeinden gehen. Über »Komm-Strukturen« hinaus bleibt der Auftrag des »Hingehens« (Mt 28,19).
Lit.: P. Böhlemann / M. Herbst: Geistlich leiten, 2011; C. Grethlein: Kirchentheorie. Kommunikation des Evangeliums im Kontext, 2018; E. Hauschildt / U. Pohl-Patalong: Kirche, Lehrbuch Praktische Theologie Bd. 4, 2013, H. Hempelmann u.a. (Hg.): Auf dem Weg zu einer milieusensiblen Kirche, 2015; M. Herbst (Hg.): Mission bringt Gemeinde in Form, 32008 (dt. Ausgabe von »mission-shaped church«); ders.: Missionarischer Gemeindeaufbau in der Volkskirche, 4. erw. Aufl. 2010; T. Keller: Center Church deutsch: Kirche in der Stadt, 2016; R. Kunz / Th. Schlag (Hg.): Handbuch für Kirchen- und Gemeindeentwicklung, 2014; H. Lindner: Kirche am Ort. Eine Gemeindetheorie, 1994; ders.: Kirche am Ort. Ein Entwicklungsprogramm für Ortsgemeinden, 2000; M. Moynagh: Fresh Expressions of Church. Eine Einführung in Theorie und Praxis, 2016; H.-H. Pompe u.a. (Hg.): Fresh X – Frisch. Neu. Innovativ. Und es ist Kirche, 2016; F. Schwarz / Chr.A. Schwarz: Theologie des Gemeindeaufbaus. Ein Versuch, 1984; G. Wegner: Religiöse Kommunikation und Kirchenbindung. Ende des liberalen Paradigmas?, 22015; J. Zimmermann: Gemeinde zwischen Sozialität und Individualität. Herausforderungen für den Gemeindeaufbau im gesellschaftlichen Wandel, 22009, P.M. Zulehner: Pastoraltheologie Bd. 2: Gemeindepastoral, 31995.
J. Zimmermann
Unter G. wird ein freiwilliger finanzieller Beitrag (Spende) für die Arbeit einer christl. Gemeinde verstanden. Im Unterschied zu staatl. erhobenen Beiträgen wie der → Kirchensteuer setzen Freikirchen und landeskirchliche Gemeinschaften bei ihrer Finanzierung auf Freiwilligkeit. Hier ersetzt der G. die Kirchensteuer. Die Gemeindeglieder werden dort trad. gebeten, sich in ihren Beiträgen am → Zehnten zu orientieren.
In ev. Landeskirchen wird zunehmend darüber nachgedacht, wie die Grundfinanzierung über die Kirchensteuer durch einen freiwilligen G. ergänzt werden kann, der der Gemeinde direkt zugute kommt. In einigen Landeskirchen werden freiwillige Gemeindebeiträge bereits regelmäßig (meist jährlich) erbeten.
Theol. Grundlage des G.s ist die Einsicht, dass der Mensch letztlich alles Gott verdankt, auch seinen Besitz (1Kor 4,7). Die Gaben, die er Gott gibt oder als Opfer darbringt, sind nicht mehr als zeichenhafte Rückerstattungen; letztlich geht es darum, aus Dankbarkeit das ganze Leben in den Dienst für Gott zu stellen. Finanzielle Gaben und »Opfer« sind in diesem größeren Kontext zu sehen.
Im NT kommen weitere Aspekte dazu: Besser gestellte Gemeinden sollen bedürftigen Gemeinden helfen. Das Ziel: »so diene euer Überfluss ihrem Mangel« (2Kor 8,14). Weiter geht es um die Beteiligung des Einzelnen am Auftrag der Gemeinde insgesamt, zu dem der Dienst an Bedürftigen ebenso zählt wie die Finanzierung der sich nach und nach ausbildenden Gemeindeorganisation. Dass nach 1Petr 4,10 jeder mit seinen Gaben dem andern dienen soll, kann auch auf den finanziellen Bereich angewandt und als Grundsatz für den G. betrachtet werden. Zum Umgang mit Gütern gehört auch die Perspektive des Anbruchs der Gottesherrschaft (Mt 6,33) und damit die Relativierung aller irdischen Güter. Schließlich zeigt die Geschichte vom »Scherflein der Witwe« (Mk 12,41-44), dass vor Gott die Einstellung wichtiger ist als die Höhe der Gabe.
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