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Bei Regelungen ebenfalls gleichen Ranges haben, sofern sowohl allgemeine als auch spezielle Regelungen für denselben Sachverhalt gelten, die speziellen Regelungen Vorrang – lex specialis dominiert lex generalis (Spezialitätsprinzip).
Für Konkurrenzen auf derselben Rangstufe gilt demnach das Spezialitäts- und das Ordnungsprinzip. Danach geht die speziellere der allgemeineren bzw. die neuere der älteren Regelung vor. Für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ist kein Raum.
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Die Rangfolge der den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmenden rechtlichen Gestaltungsfaktoren ergibt folgende Hierarchie:
a)Recht der Europäischen Union
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Das Recht der Europäischen Union gewinnt im Arbeitsrecht zunehmend an praktischer Bedeutung. Dieses besteht aus dem Primärrecht, dem EU-Vertrag (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV), sowie dem Sekundärrecht der von den Unionsorganen erlassenen Normen. Von unmittelbarer Bedeutung für das Arbeitsrecht sind insbesondere die in Art. 45 ff. AEUV geregelten Grundfreiheiten (Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Art. 45 ff. AEUV; Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV und Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV). Von zunehmender Relevanz sind auch die auf europäischer Ebene erlassenen Verordnungen und Richtlinien. Nach Art. 288 Abs. 2 AEUV finden die Verordnungen unmittelbar Anwendung und bedürfen keines weiteren Umsetzungsaktes in nationales Recht, wohingegen die Richtlinien gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV in das innerstaatliche Recht zunächst noch transformiert werden müssen. Kommt ein Mitgliedstaat binnen der gesetzten Frist der Transformation nicht nach, kann sich der Einzelne dennoch gegenüber dem Staat auf die Richtlinie berufen, sofern diese ihm Rechte einräumt. Umsetzung europäischer Richtlinien finden sich etwa in § 613a BGB sowie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder im Teilzeit- und Befristungsrecht (TzBfG).
Eine wichtige Rolle spielt auch der Europäische Gerichtshof (EuGH), speziell im Zusammenhang mit Vorlagebeschlüssen der nationalen Gerichte (Art. 267 AEUV).
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Auch die Grundrechte der Verfassung können im Arbeitsrecht Bedeutung erlangen. Dies rührt daher, dass die wirtschaftliche Überlegenheit des Arbeitgebers die soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers erhöht. An die Normen des Grundgesetzes ist aber nur die staatliche Gewalt gebunden (vgl. Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 24 Abs. 1 GG).
Die Normen des Grundgesetzes finden im Arbeitsverhältnis damit keine unmittelbare Anwendung. Die Grundrechte wirken in privatrechtlichen Verhältnis daher nur mittelbar, vor allem über unbestimmte Rechtsbegriffe (z.B. § 138 BGB) oder Generalklauseln (z.B. § 242 BGB) ein. Sie sind in ihrer Rolle als objektive Wertentscheidungen auch bei der sonstigen Auslegung zu beachten.
Besondere Bedeutung haben insbesondere das Grundrecht der Menschenwürde (Art. 1 GG), das Grundrecht der Gleichbehandlung (Art. 3 GG), sowie das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Aber auch andere Grundrechte wie z.B. die in Art. 14 GG geregelte Eigentumsgarantie (für den Arbeitgeber) und die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG haben im Arbeitsrecht erhebliche Bedeutung. Wichtigstes und mit direkter Wirkung versehenes Grundrecht ist Art. 9 Abs. 3 GG, der die Koalitionsfreiheit als individuelles und kollektives Grundrecht gewährleistet.
Der Staat und seine Träger der öffentlichen Gewalt sind Grundrechtsadressaten. Damit ist die öffentliche Verwaltung in ihrem Handeln unmittelbar grundrechtsgebunden. Bedient sich die staatliche Gewalt zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zivilrechtlicher Handlungsformen, so bleibt die Grundrechtbindung gemäß Artikel 1 Abs. 3 GG davon unberührt. Dies gilt auch für den Einsatz zivilrechtlicher Handlungsformen, wie der Beschäftigung von Arbeitnehmern in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen. Diese Bindung besteht unabhängig davon, ob es für den Staat vorteilhaft ist. Eine Flucht in das Privatrecht, um der Grundrechtsbindung zu entgehen und Handlungen als Privatsubjekt durchführen zu können, ist allen staatlichen Organen untersagt.[9]
Wichtig für öffentliche Arbeitnehmer ist Art. 33 Abs. 2 GG, wonach gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern besteht, abhängig von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Diese Vorschrift gilt gleichermaßen für Beamte und Arbeitnehmer bzw. entsprechende Bewerber und ist die Grundlage für das sog. Prinzip der Bestenauslese; sie gilt nicht nur bei der Einstellung, sondern ist in der Praxis noch mehr relevant bei Beförderungen im weitesten Sinn, also auch bei neuen oder neu zu besetzenden höherwertigen Stellen, die bei Tarifbeschäftigten mit einer Höhergruppierung verbunden sind.[10]
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Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist das Arbeitsrecht der konkurrierenden Gesetzgebung zuzuordnen. Der Bund hat weitestgehend von seinem Gesetzgebungsrecht im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht, so dass i.V.m. Art. 31 GG das Arbeitsrecht im Wesentlichen bundeseinheitlich geregelt ist.
Auf gesetzlicher Ebene gibt es eine Vielzahl von Normen, welche speziell auf Arbeitsverträge Anwendung finden. Hierzu zählen vor allem die Vorschriften im Kündigungsschutzgesetz (KSchG), Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie im Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Für das Arbeitsrecht relevante Regelungen enthalten zudem das Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 611–630 BGB), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die Gewerbeordnung (GewO). Beim Gesetzesrecht ist zwischen zwingenden und dispositiven Normen zu unterscheiden.
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Arbeitsrechtliche Gesetzesvorschriften sind überwiegend zum Schutz der Arbeitnehmer einseitig zwingend. Das sind Normen, die der Erfüllung der rechtspolitischen Aufgabe des Arbeitsrechts als Schutzrecht der Arbeitnehmer dienen. Sie können daher nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abbedungen werden.[11] Günstigere Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer dürfen jedoch durch Kollektiv- oder Einzelverträge vereinbart werden, vgl. z.B. § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG.[12]
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Auch im Arbeitsrecht gibt es dispositive Gesetze, die also vertraglich abbedungen werden können (z.B. §§ 612, 613, 614 BGB). Eine Besonderheit des Arbeitsrechts stellt die Tarifdispositivität dar. Tarifdispositives Gesetzesrecht liegt vor, wenn Abweichungen zu Ungunsten der Arbeitnehmer in Tarifverträgen, nicht dagegen in Betriebsvereinbarungen bzw. Arbeitsverträgen zulässig sind (vgl. § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG).
Die Höhe des Urlaubsentgelts richtet sich grundsätzlich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn, § 11 BUrlG. Abweichungen zu Ungunsten des Arbeitnehmers sind in einem Tarifvertrag, nicht aber im Arbeitsvertrag zulässig, § 13 Abs. 1 BUrlG. Tarifdispositive Normen finden sich ferner in § 622 Abs. 4 S. 2 BGB, § 4 Abs. 4 EFZG, § 12 Abs. 3 S. 1 TzBfG.
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Neben diesen arbeitsrechtlichen (Schutz-)Gesetzen sind auf den Arbeitsvertrag auch die (allgemeinen) Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über den Dienstvertrag (§§ 611–630 BGB) anwendbar, sofern keine Spezialregelungen eingreifen (so wird etwa § 630 BGB beim Arbeitsvertrag durch § 109 GewO verdrängt). Auf den Arbeitsvertrag finden zudem die Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB (§§ 1–240 BGB) sowie die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Rechts der Schuldverhältnisse (§§ 241–432 BGB) einschließlich der Vorschriften über gegenseitige, d.h. im Austauschverhältnis stehende Verträge (§§ 320–326 BGB) Anwendung.
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