a)Person des Tierhalters und des Tierbetreuers
Adressaten des § 2 TierSchGsind der Tierhalter und der Tierbetreuer. Bei beiden kommt es auf die konkrete Einwirkungsmöglichkeit auf das Tier an und nicht auf das Eigentum am Tier. 18
Die Haltung eines Tieres definiert sich als umfassendes Obsorgeverhältnis tatsächlicher Art gegenüber einem Tier. Dieses ist gekennzeichnet durch weisungsunabhängiges und entscheidungsbefugtes Handeln des Halters und sein Eigeninteresse an der Pflege und Sorge für das Tier. 19Der in § 2 TierSchGaufgeführte Begriff entspricht dem Tierhalterbegriff gem. § 833 BGB (siehe Kap. II).
Auch juristische Personen und Minderjährige können Tierhalter sein. Die Tierhaltereigenschaft kann auch auf mehrere Personen zutreffen.
Familienangehörige und Personal des Tierhalters sind i. d. R. Tierbetreuer. Auf die rechtliche Zulässigkeit der Tierhaltung kommt es nicht an. Auch in Fällen, in denen ein Haltungsverbot besteht, ist der Tierhalter nicht von seiner Verpflichtung entbunden, dem Tier den durch dieses Gesetz geschaffenen Schutz zu gewährleisten. Haltungsverbote können auf Grund zivilrechtlicher Vorschriften ergehen, wenn zum Beispiel der Vermieter einer Wohnung die Haltung eines Hundes untersagt. Weiterhin kommen Haltungsverbote nach § 16a Nr. 3 TierSchG in Betracht.
Entscheidend ist eine tatsächliche Beziehung zu dem Tier und das Bestehen einer tatsächlichen Verfügungsgewalt.
Beispiele für Tierhalter sind: der Eigentümer, der eine tatsächliche Beziehung zum Tier hat; der Leiter eines Versuchsvorhabens; Tierzüchter oder Personen, die ein wildes Tier zum Zwecke der Überwinterung aufnehmen.
Tierbetreuer ist, wer die Tiere auf Grund von Obhutspflichten betreut. Die Übernahme dieser Obhutspflichten setzt nicht voraus, dass der zukünftige Tierbetreuer bei der Übernahme des Betreuungsverhältnisses zur Einhaltung der Maßgaben des TierSchG, insbesondere der §§ 2, 2a TierSchG, gewillt ist. Ein konkreter Wille, das Tier vor Schmerzen, Leiden und Schäden zu bewahren, ist nicht erforderlich. Die Vorgaben des Tierschutzgesetzes stehen über dem Willen und den Vorstellungen des Tierbetreuers. Mit dem Begriff des Tierbetreuers sollen all diejenigen Personen zur Einhaltung des Tierschutzgesetzes verpflichtet werden, die zwar nicht Tierhalter sind, aber trotzdem eine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf das zu schützende Tier haben. Der Begriff fungiert als Auffangtatbestand, um einen effektiven Tierschutz zu gewährleisten.
Tierbetreuer sind beispielsweise der Führer eines Blindenhundes oder Angestellte und Familienangehörige von Tierhaltern, die bei der Pflege des Tieres behilflich sind.
Tierhaltung und Tierbetreuung unterscheiden sich nicht in den Pflichten im Rahmen der Pflege, Ernährung und Unterbringung, sondern nur durch den Umfang der Verantwortlichkeit hierfür.
Eine Mindestdauer der tatsächlichen Beziehung der Tierhalters/-betreuers ist nicht erforderlich. Die Kurzzeitigkeit einer Haltung oder Betreuung steht natürlich der Anwendung des § 2 TierSchGnicht entgegen. So sind auch bei nur vorübergehend, z. B. in einem Schlachthof untergebrachten Tieren, die Bestimmungen dieser Norm zu beachten.
b)Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere
Unter Ernährung wird die Aufnahme von Nahrung verstanden. Nahrung kann in Form von Futter und Trank verabreicht werden.
Die Zusammensetzung und Art und Weise der Nahrung ist wiederum artspezifisch. Weiterhin muss bei der Ernährung eines Tieres seine Individualität hinreichend beachtet werden.
Neben natürlichen Inhaltsstoffen kommt auch die Fütterung von Zusatzstoffen in Betracht. Unter Nahrungsstoffen versteht man alle chemischen Elemente und Verbindungen, die vom Organismus für den Aufbau von körpereigenen Stoffen verwendet werden können; die Bedeutung der Nahrungsstoffe wird durch den Gehalt an essentiellen Bestandteilen bestimmt, dazu gehören Wasser, Proteine, essentielle Fettsäuren, Vitamine sowie Mineralstoffe und Spurenelemente.
Verstöße gegen § 2 Nr. 1 TierSchGkönnen sich aus der falschen Menge, einer fehlerhaften Zusammensetzung oder einer schlechten Beschaffenheit des Futters ergeben, aber auch aus der Verabreichung eines nicht artgerechten Futters, z. B. eine rein vegetarische Nahrung für einen Fleischfresser (Hund, Katze) kann tierschutzrelevant sein. Im Hinblick auf den Umfang des verabreichten Futters ist besonders § 3 Nr. 9 und Nr. 10 TierSchG zu beachten.
Neben der Ernährung spielt die Pflege des Tieres bei der Tierhaltung eine große Rolle. Folgende Komplexe werden vom Begriff der Pflege erfasst:
Ernährung
Möglichkeit artgemäßer Bewegung
Saubere und artgerechte Unterbringung
Betreuung
Körperpflege
Heilbehandlungen, auch Prophylaxe
Möglichkeit des Wahrnehmens von Gemeinschaftsbedürfnissen wie Geselligkeit bei Herdentieren oder der Schaffung von Mutter-Kind-Beziehungen
Überwachung
Die Ausgestaltung der Pflege richtet sich wiederum nach der Tierart und der Individualität des Tieres.
Die verhaltensgerechte Unterbringung soll sicherstellen, dass das Tier in einem optimalen Lebensraum gehalten wird. Soweit es möglich ist, soll eine Annäherung an natürliche Lebensverhältnisse und Lebensräume der jeweiligen Tierart erfolgen. Diese Forderung stellt die Praxis häufig vor große Probleme.
Die Ansprüche für eine verhaltensgerechte Unterbringung sind für jedes Tier, unabhängig von seiner Bedeutung oder seinem Wert, qualitativ gleich zu bewerten. Besonders wichtig ist die Art und Weise der Unterbringung. In Betracht kommen Freilandhaltungen und Stallhaltungen. Die Ställe können wiederum mit Boxen oder Ständen, aber auch Käfigen ausgestattet sein.
Generell müssen die Einrichtungen die richtige Größe und Beschaffenheit haben. Dem Tier muss die Möglichkeit artgerechter Bewegung gewährleistet werden. So muss eine bestimmte Mindestgröße gegeben sein. Die Größe hängt von der Tierart und dem Alter des Tieres ab. Insbesondere für Schweine, Kälber und Hennen wurde dies ausdrücklich in Haltungsverordnungen geregelt. Weiterhin müssen eine Mindestliegefläche, Einrichtungen zum Abführen von Kot und Urin und ausreichend Fress- und Ruhefläche zur Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus muss die gesamte Einrichtung sauber gehalten werden. Auch die Lichtverhältnisse sind zu beachten. Wenn eine ausreichende natürliche Beleuchtung nicht vorhanden ist, muss auf künstliche Lichtquellen zurückgegriffen werden. Bei der Verwendung von Beleuchtungssystemen ist auf die Einhaltung von Hell- und Dunkelzeiten, die sich am natürlichen Tagesrhythmus orientieren, zu achten.
Das Raumklima ist auf die jeweils untergebrachte Tierart abzustimmen. Es muss für ausreichend Frischluft gesorgt werden, notfalls auch im Wege einer Klimatisierung. Auch Luftbewegung und Luftfeuchtigkeit müssen reguliert werden, wenn sie nicht den natürlichen Verhältnissen des Tieres entsprechen.
Jede Tierart erfordert spezielle Ansprüche. Die konkrete Ausgestaltung aller vorgenannten Merkmale der verhaltensgerechten Unterbringung richtet sich nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
In der Praxis orientiert sich die Ausgestaltung der Faktoren Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung oftmals allein an ihrer leistungssteigernden Wirkung und weniger an den natürlichen Bedürfnisse des jeweiligen Tieres. Leistung ist aber nur ein Merkmal neben vielen anderen (Gesundheit, Freisein von Schäden, Normalverhalten), die zur Beurteilung von Wohlbefinden herangezogen werden sollten. Auch ist die Leistung kein sehr sensibles Merkmal für Wohlbefinden, da fast alle landwirtschaftlichen Nutztiere inzwischen genetisch auf Leistung selektiert wurden.
c)Möglichkeit der artgemäßen Bewegung
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