Monoaminoxidasen (MAO) sind ebenfalls am Abbau von körpereigenem Histamin beteiligt, allerdings erst im allerletzten Schritt. N-Methyl-Histamin, methyliertes Histamin, wird durch das Enzym MAO-B in N-Methyl-Imidazol-Essigsäure abgebaut und dieses dann über den Urin ausgeschieden. Die MAO haben aber eigentlich noch viele weitere Aufgaben, wie zum Beispiel auch den Abbau von Tyramin, das vor allem nach dem Verzehr von Schokolade und Käse anfällt.
WENN DAS FASS üBERLäUFT: HISTAMINOSEN
Der Mensch ist ein lebendiges System, das sich ständig an seine Umwelt anpassen muss. Dadurch kommt es kurzfristig zu Veränderungen, wie beispielsweise einem Anstieg der Körpertemperatur oder des Blutdrucks. Wenn es zu einer Abweichung kommt, beispielsweise Fieber, verfügt der Körper über Regulationsmethoden (zum Beispiel Schwitzen, Schüttelfrost), um bestimmte Werte wieder zurück zum Sollwert zu bringen. Die Natur hat dafür ausgeklügelte Systeme, die sich in Millionen von Jahren der Evolution entwickelt und bewährt haben.
Ist der Mensch gesund, regelt der Körper dieses im Allgemeinen selbstständig ohne Eingriff von außen. Einen akuten Anstieg des Histaminspiegels, zum Beispiel weil uns ein Insekt gestochen hat, kann der Körper normalerweise gut selbstständig in den Griff bekommen. Nach wenigen Tagen ist die Schwellung vorüber, der Juckreiz und die Schmerzen lassen nach.
Ein chronisch hoher Histaminspiegel bedeutet für den Körper hingegen ein Zustand wie ein Heer unter Dauerbeschuss. Zur Verteidigung erhalten alle Zellen Befehle – und der Generalbefehl lautet: »Achtung, seid bereit, ihr seid bedroht!«
• Nervenzellen: Seid wachsam und konzentriert!
• Muskelzellen: Seid angespannt!
• Herzmuskelzellen: Schlagt kräftig und schnell!
• Schleimhautzellen: Werdet den Feind schnell wieder los durch Durchfall, Husten und vermehrte Magensäure.
Der Körper kann aus eigener Kraft nicht mehr einen gesunden Histaminspiegel wiederherstellen. Er hat die Fähigkeit zur Regulation verloren. Dieser Daueralarmzustand kann einzelne oder mehrere Organsysteme betreffen und zeigt sich durch entsprechende Symptome. Diesen Zustand nennen wir Histaminose.
Histaminose = Histaminzufluss > Histaminabfluss
Nur der Vollständigkeit halber möchten wir kurz erwähnen, dass es auch das Gegenteil gibt: zu wenig Histamin im Körper. Dieser Zustand heißt »Histapenie«. Er kommt deutlich seltener vor als die Histaminosen, daher gehen wir hier nicht weiter darauf ein.
Je nachdem, wo genau der Fehler im System liegt – eher auf der Zufluss- oder auf der Abflussseite, lassen sich die Histaminosen klassifizieren (siehe Abbildung).
Ein Problem bei der Verstoffwechselung oder der Freisetzung von Histamin ist keine Histaminintoleranz, sondern eine Histaminose. Wir möchten daher im Folgenden nur diesen Begriff verwenden.
Was lässt das Histamin-Fass überlaufen?
Wenn die »Abflussrohre«, unsere DAO und HNMT, verstopft oder nicht richtig aufgedreht sind, und das Fass dabei ständig Nachschub erhält, läuft es irgendwann über. Genauso verhält es sich auch mit unserem Körper.
Schauen wir uns also genauer an, welche Ursachen auf der Abflussseite die häufigsten sind, die das Histamin-Gleichgewicht chronisch aus der Bahn werfen, sodass der Körper von alleine nicht wieder in die Balance zurückfindet. Es gibt sechs verschiedene Ursachen für Defekte bei/Mangel an den histaminabbauenden Enzymen, die teilweise einfach, teilweise kompliziert, zu beheben sind.
Abflussstörung 1: Mikronährstoffmängel
Enzyme benötigen zum einen Baustoffe, aber auch große Mengen an Betriebsstoffen (Coenzyme), um zu funktionieren.
• Die wichtigsten Bau- und Betriebsstoffe für die DAO sind Kupfer, Vitamin B6, Zink und Mangan.
• Die wichtigsten Betriebs- und Betriebsstoffe für die HNMT sind die Substrate für die Bildung von SAMe: Methionin, Magnesium, Mangan, Eisen, Coenzym Q10, Vitamin B2, Vitamin B6 und Folat, Vitamin B3 sowie Vitamin B12.
Ausnahmslos alle unsere Patienten mit Histaminosen haben zu Beginn der Behandlung bei uns im Labor nachweisbare gravierende Defizite an mindestens zwei dieser essenziellen Nährstoffe. Es ist wirklich einfach zu verstehen: Ohne diese Stoffe, kann ein regelrechter Histaminabbau nicht stattfinden. Ein Mikronährstoffmangel bedeutet, dass die Abflüsse nicht voll aufgedreht bzw. verstopft sind. Folgende Faktoren führen zu einem erhöhten Mikronährstoffbedarf und somit in der Folge häufig zu einem Mangel, der durch die Ernährung allein nicht ausgeglichen werden kann:
• erhöhtes Körpergewicht
• chronischer Stress
• Nikotinmissbrauch
• bestimmte genetische Besonderheiten, zum Beispiel Pyrrolurien (KPU/HPU)
• chronische Erkrankungen
• Lebensstil, zum Beispiel häufig Sport und Sauna
• regelmäßiger Alkoholgenuss
• besondere Lebensumstände wie Schwangerschaft und Stillzeit
• besondere Ernährungsformen wie vegane, carnivore oder einseitige Ernährungsweise
• dauerhafte Medikamenteneinnahme
Eine Reihe gängiger Arzneimittel sind massive Vitamin- und Mineralienräuber. Das ist kein Problem, wenn diese nur einige Tage eingenommen werden müssen. Bei Dauereinnahme sehen wir oft medikamentenbedingte Mikronährstoffmängel, die sich direkt auf den Histaminstoffwechsel auswirken können. In der Tabelle sind einige Beispiele aufgelistet.
Durch Medikamente bedingte mögliche Mangelzustände an Mikronährstoffen
Grundsätzlich sollte jeder, der längere Zeit auf Medikamente angewiesen ist, regelmäßig einen Mikronährstoffstatus erstellen lassen, damit man rechtzeitig auf einen eventuellen Mangel aufmerksam wird.
Abflussstörung 2: Medikamente – der unterschätzte Faktor
Neben den Medikamenten, die über einen Raub an Mikronährstoffen den Histaminabbau behindern, gibt es auch Medikamente, die die DAO und die HNMT direkt blockieren können. Einige bekannte und oft gebrauchte Arzneimittel wirken als DAO-Blocker:
• N-Acetylcystein (ACC, Hustenlöser)
• Amitryptilin (Antidepressivum)
• ASS (Aspirin ®)
• Metamizol (Novalgin ®)
• Diazepam (Valium ®)
• Prilocain (Lokalanästhetikum)
Diese häufig verabreichten Arzneimittel blockieren die Bindungsstelle für Histamin am HNMT-Enzym:
• Chloroquin (Anti-Malaria-Mittel, das auch ein mögliches Therapeutikum bei Covid-19 Erkrankungen sein kann)
• Tacrine (Alzheimer-Medikament)
• Diphenhydramin (H1-Blocker, ironischerweise)
Es gibt darüber hinaus noch viele weitere Präparate, die die histaminabbauenden Enzyme blockieren. Wir verweisen hier auf die Medikamentenlisten der Schweizer Patienteninfoportale www.histaminintoleranz.chsowie www.mastzellaktivierung.info.
Abflussstörung 3: Säure-Basen-Ungleichgewicht
Insbesondere die Umgebung der DAO unterliegt starken Schwankungen des pH-Werts. Im oberen Dünndarm herrscht ein eher pH-neutrales Niveau vor, d. h. der pH-Wert des Magensafts von pH 1 bis 2 (sehr sauer) mischt sich mit dem Nahrungsbrei und mit den Verdauungssäften der Bauchspeicheldrüse und den Gallensäuren von pH 7 bis 8 (basisch). Dies ergibt in der Regel einen pH-Wert von 6,5 bis 7,0.
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