Nach den aktuellen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung des Statistischen Bundesamtes werden im Jahr 2040 insgesamt 82,1 Millionen Menschen in Deutschland leben, 21,4 Millionen werden dann älter als 67 Jahre und damit im gesetzlich definierten Rentenalter sein. Ihre Zahl stieg zwischen 1990 und 2018 bereits um 54 % von 10,4 Millionen auf 15,9 Millionen an. In den nächsten 20 Jahren wird diese Zahl um weitere 5 bis 6 Millionen auf mindestens 20,9 Millionen wachsen. Die künftige Entwicklung ist für diese Altersgruppe im Wesentlichen durch den aktuellen Altersaufbau vorherbestimmt. Der Einfluss von Geburten und Migration spielt hierfür nur eine geringe Rolle. Und in 30 Jahren wird dann voraussichtlich etwa jede zehnte Person mindestens 80 Jahre alt sein. (Destatis, 2020b, S. 11)
Der vorübergehende Trend einer gewissen Verjüngung der Bevölkerung durch die in den vergangenen Jahren vermehrte Zuwanderung vor allem jüngerer Menschen, die aus ihren Heimatländern nach Deutschland geflüchtet sind, ist in diesen Prognosen schon berücksichtigt.
Mit Blick in die Zukunft wird dies zu einem tiefgreifenden und nahezu alle Lebensbereiche betreffenden strukturellen Wandel führen, der sich teilweise schon heute deutlich abzeichnet (vgl. Aner, 2020) und familiäre Systeme und Netzwerke ganz besonders betrifft. Die Frage, wie Unterstützung, Versorgung und Pflege alter Menschen auch weiter in guter Art und Weise gewährleistet werden können, trifft das in ganz besonderem Maße, denn parallel dazu ändern sich auch die Familien- und Verwandtschaftsstrukturen.
Während heute etwa 10 % der 60-jährigen Frauen kinderlos sind, wird dies in 20 Jahren auf ein Viertel und in 30 Jahren auf ein Drittel von ihnen zutreffen. Steigende Zahlen bei Ehescheidungen sowie die wachsende Mobilität – oft als Tribut an die sich verändernde Arbeitswelt – zeigen ebenfalls deutliche Auswirkungen und führen in der Konsequenz zu brüchiger werdenden innerfamiliären Ressourcen und Möglichkeiten der sozialen Unterstützung im Alltag (vgl. Kricheldorff, 2019, 2015).
Auch in familiären Konstellationen, in denen die Bereitschaft zur Übernahme von Versorgungsleistungen durchaus vorhanden, die Lebensrealität jedoch von räumlicher Distanz geprägt ist, stehen Angehörige immer häufiger vor der schwierigen Herausforderung, Pflege und Sorge auf Distanz leisten zu müssen (Engler, 2020, S. 81 ff.).
Zusammenfassend gilt, dass sich durch die Veränderungen in den Familienbeziehungen auch die sozialen Bindekräfte verändern, die deshalb modifiziert oder substituiert werden müssen. Dort, wo traditionelle Beziehungen nicht oder nicht mehr vorhanden sind, werden neue Modelle und strukturelle Voraussetzungen gebraucht, die eine Einbindung ins soziale Umfeld ermöglichen oder Distanzen überwinden können. Es stellen sich also neue Fragen in Bezug auf aktuelle Formen gelingenden Alterns. Der Einfluss und die Bedeutung digitaler Medien und Technologien ist dabei unübersehbar.
In Verbindung mit neuen Ansätzen im Bereich der gemeindeorientierten Pflege (Community Care) werden soziale Beziehungen im Alter verstärkt in Verbindung mit digitalen Medien und technischen Assistenzsystemen diskutiert. Informations- und Kommunikationstechnologien, die das Leben im digitalen Zeitalter generell bestimmen, werden zunehmend zu relevanten Einflussgrößen im Alltag älterer Menschen. Denn auch wenn die Rolle von Technologien nicht überbewertet werden darf, ergeben sich durch die fortschreitende Digitalisierung doch klare Erwartungen und neue Möglichkeiten der positiven Gestaltung und Entfaltung des höheren Lebensalters sowie der Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung, auch bei einem objektiv feststellbaren Verlust an Selbständigkeit und entsprechender Alltagskompetenzen (vgl. BMG, 2013).
Dabei muss immer berücksichtigt werden, dass Altern in einer digitalisierten Welt auch unmittelbare menschliche Begegnungen und Bezüge braucht, denn das subjektive Erleben von Lebensqualität und -zufriedenheit ist immer auch verbunden mit sozialer Interaktion und direkter Kommunikation (Kricheldorff & Tonello, 2020; Scholl, 2010). Diese zentralen Prozesse vollziehen sich in der Logik sorgender Gemeinschaften (Caring Communities) vor allem in lebendigen Nachbarschaften, in Sozialraum und Wohnquartier (vgl. Deutscher Bundestag, 2016).
Damit dies gelingen kann, muss zur Sicherung der häuslichen Pflegesettings zusätzlich eine Vernetzung mit dem sozialen Nahraum erfolgen, um die unmittelbare und tägliche Unterstützung und Pflege pflegebedürftiger Menschen vor Ort verlässlich abzusichern. Alle bisher bekannten Modelle von Distance Care (Pflege auf Distanz) setzen, neben dem Einsatz von Technik und digitalen Assistenzmodellen (Franke, Kramer & Jann, 2019), vor allem auf die Unterstützung häuslicher Pflegesettings durch ambulante Dienste und soziale Netzwerke. Pflege auf Distanz braucht also digitale Plattformen und Medien in Verbindung mit personengetragenen Netzwerken vor Ort.
Für eine angemessene Beantwortung der diversen Bedürfnisse des alten Menschen wird also immer stärker der Einsatz technischer Assistenzsysteme oder einzelner Technologien im Wohnumfeld als mögliche Option ins Spiel gebracht. Dabei bildet einerseits das Streben nach Selbstbestimmung und Autonomie, andererseits nach Bindung und Schutz einen an Werthaltungen orientierenden Rahmen (Wahl, Kricheldorff & Hedtke-Becker, 2018, S. 1). Die Zielperspektive bei der Entwicklung und beim Einsatz technischer Produkte und Systeme ist also geprägt vom Selbstverständnis der Autonomieförderung, bei wachsendem Bedarf an Hilfe- und Unterstützung im Alter, um einen langen Verbleib im gewohnten Umfeld auch dort zu ermöglichen, wo familiäre Unterstützung nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht (vgl. Kricheldorff, 2019).
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