»Was, das ist er, nicht wahr! Freilich ist er ein blendender Kerl, nicht! Das ist mal 'n Bulle!«
»Ja, freilich ist er 'n Bulle – für so einen Religionsnarren!«
»Na, Höllenhund, fang jetzt nicht an, ihn zu beschimpfen! Du kannst nicht ableugnen, daß er aussieht wie 'n Fußballstier.«
»Ja, das glaub' ich schon. Ich hätt' gern mal mit ihm gespielt.«
»Möchtest du ihn nicht kennenlernen?«
»Na –«
In diesem Augenblick der Gefahr erhob Jim seinen benommenen Kopf, um zu protestieren: »Er ist ein heiliger Streikbrecher! Einer von diesen Stiernacken, die als Athleten auf die Welt gekommen sind und einem einreden wollen, daß sie sich selber durch Beten und Fasten dazu gemacht haben. Mir würde davor grausen, dem alten Jud auch nur einen einzigen armseligen kleinen Tropfen Bourbon vor die Augen zu bringen! Ha! Der Prahlhans! ›Warum könnt ihr Hundertpfundknirpse keine großen männlichen Christen sein wie ich!‹
Gemeinsam protestierten sie gegen dieser Verunglimpfung ihres Helden, und Eddie gestand ein, daß er sich erlaubt hätte, Elmer vor dem alten Jud zu loben; daß der alte Jud entzückt gewesen zu sein scheine; daß der alte Jud höchstwahrscheinlich – ein so freundlicher Großer Mann war er – Elmer heute nachmittag aufsuchen würde.
Bevor Elmer sich klar darüber werden konnte, ob er erfreut oder entrüstet sein solle, bevor der geschwächte Jim die Kraft aufbringen konnte, für ihn Klarheit zu schaffen, wurde die Tür von einem gewaltigen heldischen Schlag erschüttert, und herein schritt Judson Roberts, groß wie ein Grizzlybär, munter wie ein junges Wachtelhündchen, strahlend wie zehn Sonnen.
Sofort stürzte er sich auf Elmer. Er hatte noch sechs andere zweifelnde Thomasse und des Rauchens Verdächtige vor sechs Uhr zu erledigen.
Er war ein blonder junger Riese mit Locken, mit einem Grinsen und mit einer Stimme wie die Zuchtstiere von Baschan, so oft seine Politik Mannhaftigkeit erforderte. Bei irrenden Schwestern aber – vorausgesetzt, daß sie nicht zu irrend waren – konnte er säuseln wie ein Waldveilchen, das von einem duftenden Lüftchen bewegt wird.
»Hallo, Höllenhund!« rief er dröhnend. »Lassen Sie sich die Hand drücken!«
Elmer pflegte den Leuten die Hände spielerisch zu drücken, bis sie knackten. Das erstemal in seinem Leben wurde seine eigene Tatze schlaff und heiß. Er rieb sie und sah einfältig drein.
»Hab' schon eine Menge von Ihnen gehört, Höllenhund, und von Ihnen auch, Jim. Auf der Nase, Jim? Soll ich mal raus und den Doktor holen?« Der alte Jud saß ohne Umstände auf Jims Bettkante, und im Schein dieses Lächelns konnte nicht einmal Jim Lefferts allzu mürrisch sein, als er versuchte zu schnauzen: »Nein, danke.«
Roberts wandte sich wieder Elmer zu und freute sich:
»Ja, mein Lieber, ich hab' wirklich schon eine ganze Menge von Ihnen gehört. Herrje, muß das ein großartiges Spiel gewesen sein, das Ihr gegen das Thorvilsen-College gespielt habt! Man hat mir erzählt, wie Sie dort in die Linie gekommen sind, hat sie nachgegeben wie ein Schwamm, und als Sie den starken langen Schweden packten, ging er zu Boden, als hätt' ihn der Blitz getroffen.«
»Ja, das war – das war ein gutes Spiel.«
»Natürlich hab' ich damals davon gelesen –«
»Wirklich, das haben Sie?«
»– und natürlich wollt' ich mehr davon hören und Sie kennenlernen, Höllenhund, und da hab' ich die Jungens über Sie ausgefragt, und, wissen Sie, die halten wirklich allerhand von Ihnen! Ich wollte, ich hätte Sie in meiner Universitätsmannschaft in Chicago gehabt – wir hätten 'nen Stürmer wie Sie brauchen können.«
Elmer sonnte sich.
»Jawohl, mein Lieber, die Jungens haben mir alle erzählt, was für ein blendend feiner Kerl Sie sind, und was für ein fabelhafter Athlet, und was für ein 1A Gentleman. Sie alle sagen, daß nur eines bei Ihnen nicht stimmt, mein lieber Elmer.«
»Was?«
»Sie sagen, daß Sie ein Feigling sind.«
»Was? Wer sagt, daß ich ein Feigling bin?«
Judson Roberts marschierte vom Bett zu Elmer hinüber und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Alle sagen das, Höllenhund! Ja, man muß ein ganz waschechter tüchtiger Kerl sein, wenn man groß genug sein will, Jesus zum Schuß auf sich kommen zu lassen und zuzugeben, daß man Keile bezieht, wenn man probiert mit Gott zu kämpfen! Man muß ein Mann sein, der's in sich hat, wenn man niederknien und seine Unwürdigkeit eingestehen soll, obwohl die ganze Welt einen verhöhnt! Und die Art Mut haben Sie nicht, Elmer. Ach, Sie glauben, Sie sind so ein Prachtbursche –«
Old Jud drehte ihn herum; die Hand des alten Jud zerquetschte seine Schulter. »Sie glauben, Sie sind zu stark und zu gut, um sich mit den armseligen kleinen, erbärmlichen Evangeliums-Hausierern einzulassen, was! Also, ich bin auch einer. Wollen Sie mich knock out schlagen?«
Mit einem schnellen Ruck hatte Roberts seinen Rock unten und stand in einem gestreiften Seidenhemd da, das seinen riesigen Oberleib zeigte.
»Sie können sich drauf verlassen, Höllenhund! Ich bin bereit, mit Ihnen zur Ehre Gottes zu kämpfen! Gott braucht Sie! Können Sie sich was Schöneres für einen großmächtigen Kerl wie Sie denken, als sein Leben damit zu verbringen, daß man den Armen, Schwachen, Kranken, Furchtsamen die Seligkeit bringt? Können Sie nicht sehen, wie die armen kleinen mageren Leutchen und alle Kinderchen Ihnen folgen, Sie lobpreisen und bewundern würden, Sie alter Gauner? Bin ich ein kleiner heuchlerischer Christ? Können Sie mich versohlen? Wollen Sie rangehen?«
»Nein, wissen Sie, Mr. Roberts –«
»Judson, Sie riesiges Trumm Käs', alter Jud!«
»Nein, wissen Sie, Judson, ich glaube, Sie legen mich um! Ich vertrag' ja eine recht hübsche Portion, aber mit Ihnen will ich lieber nichts riskieren!«
»Schön, mein Alter. Glauben Sie noch immer, daß alle frommen Leute Jammerlappen sind?«
»Nein.«
»Und Lügner?«
»O nein.«
»Schön, alter Knabe. Wollen Sie mich als Freund annehmen, wenn ich mich nicht in Ihre Angelegenheiten misch'?«
»Oh, freilich, selbstverständlich.«
»Dann möcht' ich Sie nur um einen Gefallen bitten. Wollen Sie morgen abend zu unserem großen Meeting kommen? Sie brauchen gar nichts zu tun. Wenn Sie glauben, daß hinter unserem Reden nichts steckt gut; das ist Ihr Recht. Sie werden nur kommen und nicht schon die Meinung mitbringen, daß wir alle schlecht sind, sondern wirklich Ihren großen schönen scharfen Verstand gebrauchen und über uns nachdenken, wie wir sind? Werden Sie kommen?«
»Oh ja, sicher, ganz bestimmt.«
»Schön, Alter. Ich bin kolossal stolz drauf, daß Sie mich so ohne alle Formalitäten hier haben hereinplatzen lassen. Denken Sie dran: wenn Sie wirklich das Gefühl haben, daß ich die Jungens ungehörig beeinflusse, dann kommen Sie ganz einfach zu mir und sagen mir's, und ich werde kolossal stolz drauf sein, daß Sie mir das Vertrauen schenken, mir die Leviten zu lesen. Bis dahin, alter Elm! Bis dahin, Jim. Gott befohlen!«
»Bis dahin, Jud.«
Er war gegangen, ein Wirbelwind, der das unansehnliche Pflänzchen Eddie Fislinger hinter sich hinaussog.
Und dann sprach Jim Lefferts.
Eine Zeitlang nach Judson Roberts' Abgang stand Elmer glühend da und ließ sich die ihm zuteil gewordene Anerkennung schmecken. Er fühlte Jims Blicke auf seinem Rücken und drehte sich trotzig zum Bett um.
Voll Kampfeswut starrten sie einander an. Elmer eröffnete mit einem grimmigen:
»Also, na, warum hast du nichts gesagt, solang er da war?«
»Zu ihm? Mit einem Wolf reden, wenn er Fleisch wittert? Übrigens, er ist intelligent, der Bursche.«
»Na weißt du, es freut mich ja, daß du das sagst, weil – na ja, sieh mal – ich werd' dir erklären, wie mir zumut ist.«
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