Wie du siehst, hat Ad Revenue Sharing das YouTube-Ökosystem komplett verändert. In jungen Jahren war YouTube ein gefährliches Terrain der Instabilität. Sie lernten auf die harte Tour, dass ihr Ökosystem ein heikler Balanceakt war – zwischen Urheberrechtsinhabern, Zuschauern, Partnern und Werbetreibenden. Es gab eine »Adpocalyse«, unzählige Probleme mit dem Algorithmus 2.0, Streitfragen im Zusammenhang mit FTC COPPA, der Vereinbarung mit der Federal Trade Commission (FTC) über den Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet (COPPA), der Adpocalypse 2.0 etc. YouTube hat gelernt, mit diesen Problemen umzugehen, und versucht, Veränderungen vorzunehmen, um die Masse zufriedenzustellen, aber es sind unaufhörliche Bemühungen vonnöten.
Wenn wir eine Kehrtwende zum Viewer machen, der ersten Komponente im Ökosystem, müssen wir berücksichtigen, wie sehr sich der Zuschauer verändert hat. YouTube wünscht sich zufriedene Viewer. Im Laufe der Zeit haben sie versucht, ihre Vorschlagsfunktion zu verändern, um herauszufinden, was der einzelne Zuschauer sehen wollen könnte. Sie wissen, dass glückliche Kunden länger dabeibleiben, und Zuschauer, die länger verweilen, erzeugen glückliche Content-Creators und glückliche Werbetreibende. Und je mehr die Viewer schauen, desto mehr Geld verdienen alle. Die tausende von Veränderungen des Algorithmus im Laufe der Jahre haben sich wortwörtlich ausgezahlt. Je besser der Algorithmus ist, desto glücklicher ist jeder Einzelne. Mach dich bereit, in den nächsten Kapiteln tief in den Algorithmus einzutauchen.
Dennoch muss YouTube ein paar Dinge verstanden haben, denn sie konnten innerhalb eines Jahres ein Wachstum von 31 % verzeichnen! Im Jahr 2020 veröffentlichte YouTube zum allerersten Mal seinen Umsatz. Im Jahr 2019 verdienten sie 15,15 Milliarden US-Dollar, was fast doppelt so viel war wie im Jahr zuvor! Das ist atemberaubend, sowohl der Betrag als auch das prozentuale Wachstum.
Menschen schauen über fünf Milliarden YouTube-Videos täglich. Milliarden ! Um richtig erfassen zu können, wie viel größer eine Milliarde als eine Million ist, sieh es mal so: Eine Million Sekunden sind ungefähr 11 Tage, während eine Milliarde Sekunden 31 ½ Jahre sind. Denk jetzt noch mal an die Zahl 15,15 Milliarden US-Dollar für YouTubes Umsatz im Jahr 2019 und schnapp nach Luft. Und das ist erst der Anfang!
YouTube begann 2005 in Kalifornien als Dating-Website für eine Handvoll College-Studenten. Heute erreichen sie jeden Winkel des Globus auf jedem Gerät. Grob ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung schaut regelmäßig YouTube. Und wieder sprechen wir über Milliarden. Während es früher eine bestimmte demografische Gruppe war, so ist heute jeder YouTube-Viewer.
Creators und Unternehmen können sich proaktiv in Stellung bringen, um auf YouTube zu gewinnen, indem sie etwas über ihre eigene Rolle im YouTube-Ökosystem und die Funktionsweise eines guten Kanals lernen. Das ist nicht verhandelbar, wenn du auf der Plattform erfolgreich sein willst. Versuch nicht, das System auszutricksen; versuch, dich an YouTubes Zielen auszurichten, damit weniger Probleme entstehen und du deinen Fokus auf gute Content-Erstellung richten kannst. YouTube hat sich seit seiner Gründung exponentiell verändert, und das Ökosystem hat sich ebenfalls verändert. Wenn du Teil dieses Ökosystems sein willst, musst du verstehen, wie es funktioniert und wie du dich anpassen kannst, weil es sich auch weiterhin verändern wird. Du kannst dich intelligent anpassen, indem du dir die Daten anschaust, die dir YouTube zur Verfügung stellt. Ich werde dir zeigen, wie der Algorithmus funktioniert und wie man auf der Basis dieser Daten kreativ wird und sich anpasst.
3 Die YouTube-KI: eine Deep-Learning-Maschine
Ein YouTube-Creator, der die Notwendigkeit erkennt, sich auf die Daten einzustellen, aber keine Ahnung hat, was zu tun ist, ist wie ein Gärtner, der selbst angebautes Obst und Gemüse ernten möchte, aber nie Samenpflanzen gesetzt hat. Man wird nicht über Nacht zum erfolgreichen Gärtner, und auch nicht zum YouTube-Profi. Man muss sich eine Schaufel greifen und umgraben. Am Anfang wirst du Blasen an deinen metaphorischen Händen haben, aber in dem Maße, in dem du deine Daten-grabe-Muskeln aufbaust, beginnst du ein Netz aus unterirdischen Verbindungen freizulegen und entdeckst eine vollständig neue Welt des Wie und Warum von YouTube und was man braucht, um erfolgreichen Content zu produzieren.
YouTubes künstliche Intelligenz (KI) ist eine sich entwickelnde Struktur im digitalen Ökosystem, und man muss daran arbeiten, sie zu verstehen und zu verwenden, weil sie formbar ist. Auch du musst formbar sein, das heißt, du musst deine Strategien an das anpassen, was aktuell funktioniert. Wie gut deine Chancen stehen, dies erfolgreich zu tun, hängt davon ab, wie viel du über das Spielsystem weißt.
Als zeitgenössische YouTube-Nutzer haben wir uns daran gewöhnt, dass die Seite uns ungefragt auftischt, was wir mögen, aber so war es nicht immer. Anfangs war YouTube in erster Linie ein Ort, wo man Antworten auf Fragen fand, beispielsweise wie man einen Reifen wechselt, und wo man unterhalten wurde, beispielsweise mit Videos von Katzen, die Keyboard spielen, oder lustigen Kindervideos wie »Charlie bit my finger«. Es baute auf einem einfacheren System auf, das nicht gut darin war, Vorschläge zu machen. Heute hat YouTube aber ein komplexes maschinelles Lernsystem, das recht gut darin geworden ist, zu erraten, was Menschen wollen. Lass uns mal einen genaueren Blick darauf werfen, wie sich die KI im Laufe der Zeit verändert hat und warum das für dich wichtig ist.
Um 2011 begann YouTube mit Systemveränderungen und hatte dabei ein Ziel vor Augen: Menschen länger auf der Plattform zu halten. Ein YouTube-Forscher, der sich mit dieser Frage beschäftigte, fand in dem System einige klaffende Löcher. Beispielsweise war ein großer Teil der YouTube-Viewer inzwischen mobil unterwegs und YouTube verfügte über kein akkurates System, um das Nutzerverhalten auf mobilen Endgeräten zu tracken. Facepalm. Da war noch was zu tun.
Seit Juli 2010 hatte YouTube ein Programm namens Leanback genutzt, das nachfolgende Videos in die Warteschlange stellte, die geladen werden konnten, sobald das angeschaute Video zu Ende war. Anfänglich stiegen die Aufrufe, doch bald pendelten sie sich ein. Mit dem nachfolgenden KI-Programm namens Sibyl erzielten sie dieselben Ergebnisse.
YouTube tat sich mit Google Brain, Googles Maschinen-Lernsystem, zusammen, dessen KI-Entwicklung und -Werkzeuge anderen meilenweit voraus waren. Ihr Ziel bestand darin, gemeinsam mit der Google Brain-Stiftung ein System aufzubauen. Das Hauptziel war nach wie vor Zuschauerdauer (Viewer longevity). Am 15. März 2012 wechselte YouTube vom »View«-Algorithmus, bei dem der gezählte Videoaufruf belohnt wurde, zum »Watch Time«-Algorithmus, bei dem die Verweildauer des Zuschauers belohnt wurde. Diese KI folgte dem Publikum überallhin, damit sie das richtige Video finden und dem Publikum vorsetzen konnte.
Sie hatte die Fähigkeit, ihnen eher daneben liegende als geklonte Videos vorzuschlagen (»daneben liegend« im Sinne von ähnlich, aber doch unterschiedlich genug, um das Interesse aufrechtzuerhalten). »Geklonte« Videos schubsten die Viewer unvermeidlich von der Plattform, weil sie im Grunde dasselbe in Dauerschleife sahen. Und, was noch wichtiger war, Videos wurden aufgrund der Verweildauer der Zuschauer bei den Videos in die Warteschlange gestellt, anstatt aufgrund der Klicks und Views, die sie bekommen hatten.
YouTubes Ziel war, dass die Nutzer »mehr schauen und weniger klicken« sollten, was bedeutet, dass sie nicht wollten, dass die Zuschauer viele Videos anklicken mussten, bevor sie das fanden, was sie suchten. Die KI konnte sie besser mit Content verbinden, der ihnen gefiel, so dass sie mehr Zeit auf das reine Schauen verwenden konnten.
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