1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Von 2005 bis 2007 luden YouTuber Content im Großen und Ganzen unreguliert und unkontrolliert hoch. Darunter sicherlich auch viel Original-Content, aber eben auch geschützten Content, der von einer anderen Person oder Firma erstellt worden war. Offensichtlich war das eine unmittelbare Verletzung des Urheberrechtsinhabers am Content.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass YouTuber dies nicht heimlich oder böswillig taten. Sie wollten einfach Dinge teilen, die sie liebten, und das war ja so leicht. Erinnerst du dich an Napster aus der Jahrhundertwende? Für die unter euch, die in den 2000er Jahren geboren sind, lasst mich euch eine Geschichte erzählen.
Stellt euch eine Welt vor, in der ihr euch eure Lieblingsmusik nicht »on demand« anhören konntet. Die einzige Möglichkeit, euer Lieblingslied zu hören, war den ganzen Tag wartend vor dem Radio zu sitzen. Wenn ihr ein Lied »on demand« hören wolltet, musstet ihr das komplette Album kaufen, auf dem der eine Song war, den ihr hören wolltet. Dann kam Napster daher. Napster war die ursprüngliche, weit verbreitete Tauschbörse. Also praktisch der Pionier aller digitalen Medientauschplattformen im Internet. Audiodateien, zumeist Songs, wurden als MP3-Dateien getauscht und jedermann konnte jede Datei kostenlos herunterladen.
KOSTENLOS! Das war gigantisch für Musikfans auf der ganzen Welt – die Menschen liebten Napster. Wer wollte nicht unbegrenzten Zugang zu seinen Lieblingsbands für exakt null Dollar? Nun, ich nehme an, nicht jeder war Napster-Fan …, und zwar all jene, die mit Musikverkäufen hätten Geld verdienen sollen.
Wenn du den Ausgang der Geschichte nicht kennst, so wette ich, dass du dir denken kannst, was als Nächstes geschah. Klagewelle. Einstellung des Betriebs. Keine Überraschungen hier. Tatsächlich hatte Bill Clinton, damals Präsident der USA, kurz vor der Gründung von Napster dem Urheberrechtsgesetz Digital Millennium Copyright Act (DMCA) im Jahr 1998 per Unterschrift Gesetzeskraft verliehen. Das DMCA hat seither digitale Copyrightprobleme geregelt und die Strafen für Täter verschärft. (Allerdings gelten für Websites, die außerhalb der USA gehostet werden, die Regeln der Organisation für Geistiges Eigentum der Vereinten Nationen (United Nations World Intellectual Property Organisation (WIPO).) Was mit Napster geschah, bereitete von da an den Weg für die Regulierung von Medientausch.
YouTube hätte sich Unternehmen wie Napster als Beispiel für das nehmen können, was man nicht tun darf, und sein Content-ID-System ab dem Zeitpunkt der Eröffnung im Jahr 2005 implementieren können, tat es aber nicht. Im März 2007 verklagte ein kleines Unternehmen namens Viacom, nebst mehreren anderen, Google und YouTube auf 1 Milliarde US-Dollar wegen Urheberrechtsverletzungen. Reuters meldete, dass YouTube urheberrechtlich geschützten Content nur von der Seite nähme, nachdem ein Urheberrechtsinhaber dies verlangt hatte, aber dass vorab nichts unternommen werde, damit dieser Content gar nicht erst hochgeladen würde. Ein weiterer Tatvorwurf in dieser Klage war, dass YouTube dies wissentlich geschehen lasse, weil mit all diesem Content Geld verdient würde.
Das Content-ID-System sollte nicht vor 2007 eingeführt werden, die Betaversion im Juni und das vollständige Rollout im Dezember. Das ID-System heftete jedem neuen hochgeladenen Content einen einmaligen »digitalen Fingerabdruck« an. Nun konnte Content aufgespürt und mit bereits existentem urheberrechtlich geschütztem Content abgeglichen werden, so dass YouTube Verletzungen feststellen konnte.
Jetzt, wo das Gesetz existierte, musste YouTube einiges für Urheberrechtsinhaber regeln. Zunächst mussten sie den happigen Rechtsstreit beilegen (die Vergleichsbedingungen blieben geheim), aber sie mussten auch regeln, wie sie von nun an vorgehen wollten, und das Content-ID-System war die Antwort. Ich kann nicht genug betonen, wie gewaltig dies für den Erfolg von YouTube war. YouTube hätte wahrscheinlich dasselbe Schicksal wie Napster ereilt und der Betrieb wäre eingestellt worden, wenn das Content-ID-System nicht eingeführt worden wäre, und viele Creators und Unternehmen wie du und ich würden heute etwas anderes machen. Es veränderte das Spiel komplett.
Im Jahr 2007, als sich die Lage betreffend das große Urheberrechtsproblem allmählich beruhigt hatte, fügte YouTube zwei Features hinzu, die ähnlich große Auswirkungen auf seine Zukunft haben sollten. Diese Features waren zwar in mancherlei Hinsicht problematisch, aber sie veränderten Werbung und wie Creators ihren Lebensunterhalt mit YouTube verdienen konnten auch signifikant. Welche Features waren dermaßen folgenreich? 1. In Videos eingebettete Werbung und 2. das Partner-Programm.
Werbung auf YouTube hat sich mit der Zeit stark weiterentwickelt. Zunächst wurde Bannerwerbung genutzt oder die Werbung erschien unter dem Content, doch durch diese Änderungen poppten Anzeigen mitten im Content auf, den sich der Viewer anschaute. Und jetzt konnte der Creator dieses Inhalts im Wege des Ad Revenue Sharing (zu Deutsch: Beteiligung an den Werbeeinnahmen) dafür bezahlt werden. So begann das YouTube-Partner-Programm. Creators waren höchst motiviert, guten Content zu gestalten, den sich mehr Viewer anschauen würden, weil nun mehr Views mehr Geld bedeuteten. Creators und Unternehmen wollten jetzt unbedingt YouTube-Partner sein!
Bedauerlicherweise bedeutete das aber auch, dass Creators erkannten, dass sie Menschen durch Taktieren dazu bringen konnten, ihre Videos aufzurufen. Zu ihren aggressiven Lockvogel-Strategien zählten irreführende Titel, sensationelle Thumbnails und oberflächlicher Content, die vom ursprünglichen Zweck des Videos abschweiften. Sie wollten, dass Menschen ihre Videos um jeden Preis anklickten, um so Einnahmen aus der Werbung, die in ihren Content integriert wurde, zu erzielen.
Lasst uns hier nicht das erste Mitglied im YouTube-Ökosystem vergessen: den Viewer. Das neue Ad-Sharing-Programm führte zu einem großen Problem bei der Zuschauerzufriedenheit. Die Leute verbrachten wegen der aggressiven Werbung und Clickbaits, die einen Hinweis auf das gaben, was sie suchten, aber tatsächlich diesen Zweck im Content selbst letztendlich überhaupt nicht erfüllten, weniger Zeit auf YouTube. Kurz gesagt fühlten sich die Zuschauer betrogen und waren unzufrieden.
Zudem waren zahlreiche Zuschauer sauer auf diese »verräterischen« Creators, die Werbung zusammen mit ihrem Content laufen ließen. Sie gingen sogar so weit, sich Bewegungen zum Boykott von Kanälen anzuschließen. Heutzutage ist die Anzeige von Werbung Teil des Interneterlebnisses, aber damals war es eine so große Sache, dass es das Ökosystem störte.
Wie du siehst, machte die Einbindung des Partner-Programms YouTubes empfindliches Ökosystem noch komplizierter. Offensichtlich hatte es höchste Priorität, die Werbetreibenden glücklich zu machen, weil das Geld aus dieser Richtung kam, doch YouTube musste auch die Creators und Viewer glücklich machen, um dieses Ziel zu erreichen. Und diese Aufgabe erwies sich als extrem schwierig. Creators verlangten ihren fairen Anteil an den Werbeeinnahmen, ohne als Verräter beschimpft zu werden, und Viewer wollten Content schauen, ohne sich betrogen zu fühlen oder bei jedem Video Werbung über sich ergehen lassen zu müssen.
Lass uns hier eine kurze Pause machen. Bevor wir mit all den Problemen, die das Partner-Programm mit sich brachte, weitermachen, möchte ich hervorheben, wie gewaltig dessen Existenz war. Google hatte dem Advertisement Revenue Sharing mit seinem AdSense-Programm den Weg bereitet und dann das Programm bei YouTube eingerichtet. Sie hoben es auf eine andere Ebene, von Display-Werbung zu Video-Werbung, weil Video-Werbung wirkungsvoller war. Sie konnten den Werbetreibenden für Video-Werbung mehr Geld in Rechnung stellen, weshalb YouTube auf diese Weise mehr Geld verdiente. Weil YouTube keinen eigenen Website-Content erstellte, mussten sie Creators einen Anreiz bieten, damit diese guten Content erstellten, für den die Menschen auf die Plattform kamen.
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