2.2 Zivilrechtliche Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot
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Gem. § 1 Abs. 3 KartG sind verbotene Vereinbarungen und Beschlüsse nichtig. Mit dem Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012[3] wurde im KartG eine eigene Schadenersatzregelung für den Fall von Wettbewerbsverstößen eingefügt. Gem. § 37a Abs. 1 wird, wer schuldhaft eine Rechtsverletzung nach § 29 Z 1 KartG begeht, zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Dieser ist unter sinngemäßer Anwendung des § 1333 ABGB zu verzinsen. Nach § 37a Abs. 3 ist das Zivilgericht, bei dem eine Schadenersatzforderung wegen Wettbewerbsverstößen geltend gemacht wird, an eine in einer rechtskräftigen Entscheidung des Kartellgerichts, der Kommission der Europäischen Union oder einer Wettbewerbsbehörde i.S.d. VO (EG) Nr. 1/2003 getroffene Feststellung, dass ein Unternehmen die in der Entscheidung angeführte Rechtsverletzung rechtswidrig und schuldhaft begangen hat, gebunden. Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Abs. 1 wird für die Dauer eines auf eine Entscheidung i.S.d. Abs. 3 gerichteten Verfahrens gehemmt. Eine Schadenersatzforderung aufgrund von Wettbewerbsverstößen wurde dadurch im Ergebnis massiv vereinfacht.
3. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
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Nach § 5 Abs. 1 KartG ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. In § 4 KartG ist festgelegt, in welchen Fällen ein Unternehmer marktbeherrschend ist. Ob ein Unternehmer marktbeherrschend ist, ist jeweils in Bezug auf einen bestimmten relevanten Markt festzustellen. Dieser bedarf sowohl in sachlicher als auch in örtlicher Hinsicht der Abgrenzung. Marktbeherrschend ist ein Unternehmen dann, wenn das Unternehmen als einziger Anbieter keinem oder nur einem unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmen beschränken. Der Missbrauchsbegriff des § 5 KartG entspricht im Großen und Ganzen dem Missbrauchsbegriff in Art. 102 AEUV. Das Kriterium der Zwischenstaatlichkeit hat grundsätzlich dieselbe Bedeutung wie im Bereich des Kartellverbots; die nationale Missbrauchsaufsicht kann jedoch strenger sein als die der EU.[4]
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Da durch Unternehmenszusammenschlüsse eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann, werden Zusammenschlüsse ab einer bestimmten Größe der beteiligten Unternehmen einer besonderen Zusammenschlusskontrolle unterworfen (Marktstrukturkontrolle).
169
Liegt ein Zusammenschluss[5] i.S.d. § 7 KartG vor, so ist er gem. §§ 9 f KartG bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) anzumelden, wenn die beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss bestimmte Umsatzschwellen überschritten haben und auch keine der Ausnahmebestimmungen greift. Die beiden Amtsparteien, die BWB und der Bundeskartellanwalt (BKA), können in der Folge innerhalb von vier Wochen einen Prüfungsantrag an das Kartellgericht stellen, das in diesem Fall binnen weiterer fünf Monate über den Zusammenschluss zu entscheiden hat.
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Anmeldepflichtige Zusammenschlüsse unterliegen einem Durchführungsverbot. Die rechtswidrige Durchführung eines Zusammenschlusses ist mit Geldbußen bedroht. Verträge sind, soweit sie gegen das Durchführungsverbot verstoßen, unwirksam (§ 17 Abs. 3 KartG).
5. Behörden und Verfahren
5.1 Kartellgericht und Kartellobergericht
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Das Oberlandesgericht Wien ist gem. § 58 Abs. 1 KartG als Kartellgericht für das gesamte Bundesgebiet zuständig. Gegen Beschlüsse des Kartellgerichts geht der Rechtszug in die zweite und letzte Instanz an den Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht. Das Kartellgericht entscheidet grundsätzlich nur auf Antrag. Antragsberechtigt sind
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die BWB und der BKA, |
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durch bundesgesetzliche Vorschriften zur Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige eingerichtete Behörden, |
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die Wirtschaftskammer Österreich, die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte und die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer Österreichs, |
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jeder Unternehmer und jede Unternehmensvereinigung, der oder die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat. |
Lediglich Anträge auf Prüfung von Zusammenschlüssen sowie auf Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern können nur von der BWB oder dem BKA gestellt werden.
5.2 Bundeswettbewerbsbehörde (BWB)
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Die beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtete weisungsfreie und unabhängige BWB wurde ebenso wie der BKA mit der Novelle 2002 zum Kartellgesetz geschaffen. Ziel der BWB als eine der beiden Amtsparteien ist es, funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen entgegenzutreten. Die BWB ist als Aufgriffs- und Ermittlungsbehörde ohne Entscheidungsbefugnis ausgestaltet. Sie hat (u.a.) folgende Befugnisse:
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Wahrnehmung der Parteistellung im Verfahren vor dem Kartellgericht; |
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Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich; |
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allgemeine Untersuchung eines Wirtschaftszweiges, sofern die Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb in den betreffenden Wirtschaftszweigen eingeschränkt oder verfälscht ist (Branchenuntersuchungen); |
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Leistung von Amtshilfe in Wettbewerbsangelegenheiten gegenüber dem Kartellgericht, Kartellobergericht etc.; |
Die BWB kann ferner beim Kartellgericht die Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehls beantragen.
5.3 Bundeskartellanwalt (BKA)
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Bei der zweiten Amtspartei neben der BWB, dem BKA, handelt es sich um eine dem Bundesminister für Justiz unmittelbar unterstellte, weisungsgebundene Behörde. Das Kartellgesetz überträgt dem BKA die Aufgabe der Vertretung des öffentlichen Interesses in Angelegenheiten des Wettbewerbs beim Kartellgericht. Wie die BWB hat auch der BKA die Möglichkeit, alle nach dem Kartellgesetz vorgesehenen Anträge einzubringen und jederzeit auch in Verfahren, in denen er nicht Antragsteller war, als Partei aufzutreten und Rechtsmittel gegen kartellgerichtliche Entscheidungen zu erheben. Die primäre Verfahrensinitiative und Betreibung soll jedoch der BWB überlassen werden.
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Liegt eine Verletzung des KartG vor, so bestehen folgende Risiken für Unternehmen:
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Nach § 26 KartG hat das Kartellgericht Zuwiderhandlungen gegen die Verbote wirksam abzustellen und dem beteiligten Unternehmen die hierzu erforderlichen Aufträge zu erteilen. Statt der Abstellung kann das Kartellgericht aber auch Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmer und Unternehmervereinigungen verbindend erklären, wenn zu erwarten ist, dass diese Zusagen zukünftige Zuwiderhandlungen ausschließen. |
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Gem. § 28 KartG kann das Kartellgericht eine Zuwiderhandlung gegen ein im ersten Hauptstück des Kartellgesetzes enthaltenes Verbot feststellen, auch wenn die Zuwiderhandlung gegen das Verbot bereits beendet ist. Voraussetzung ist, dass ein berechtigtes Interesse daran besteht. |
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Wenn ein Unternehmer oder einer Unternehmervereinigung vorsätzlich oder fahrlässig gegen ein Verbot verstößt, kann das Kartellgericht gem. § 29 KartG auf Antrag der BWB oder des BKA Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Umsatzes verhängen. |
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§ 168b StGB enthält einen gerichtlichen Straftatbestand für Bieterabsprachen (Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren). Über die Bestrafung der natürlichen Person kann es auch zu einer Bestrafung des Unternehmens kommen (siehe dazu die Ausführungen zum VbVG unter Rn. 118 ff.). |
7. Wettbewerbsrechtliche Compliance-Programme
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