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Hat man in Österreich noch vor einigen Jahren bei dem Begriff Compliance primär an die Emittenten-Compliance oder die Compliance im Wertpapierbereich gedacht, so hat in den letzten Jahren ein umfassendes Compliance-Verständnis Einzug in die Wirtschaftswelt gehalten. Insb. die immer strengeren Bestimmungen des Korruptionsstrafrechts – zuletzt geändert mit dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2012 – der letzten Jahre zeigen, dass das Risiko einer Gesetzesverletzung und der damit verbundenen weitreichenden Folgen nur mit entsprechenden organisatorischen Maßnahmen reduziert werden kann. Das gleiche gilt für die wettbewerbsrechtliche Compliance, die helfen soll, folgenschwere Verstöße zu vermeiden und bei deren internen oder externen Entdeckung, richtig zu reagieren.
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Dennoch gibt es in Österreich für Compliance nach wie vor weder eine gesetzliche Begriffsbestimmung, noch eine allgemeine einheitliche Definition.[1] In der Literatur wird Compliance zumeist als umfassende Aufgabe definiert, die nicht nur das rechtmäßige Verhalten im Unternehmen, seiner Organe und Mitarbeiter umfasst, sondern darüber hinaus die Gesamtheit aller Maßnahmen in Unternehmen, um rechtmäßiges Verhalten der Organmitglieder, ihnen nahestehender Personen sowie der Mitarbeiter im Hinblick auf alle gesetzlichen Ge- und Verbote zu gewährleisten.[2]
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Die Einführung einer Compliance in Unternehmen erfolgt üblicherweise in verschiedenen Phasen, beginnend mit einer Analysephase, die von der Umsetzungs- und Konsolidierungsphase gefolgt wird. Durch eine den Bedürfnissen des Unternehmens angepasste Compliance-Organisation werden Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten („Compliance-Officer“) festgelegt. Die erforderlichen unternehmensinternen Regelungen, welche die gesetzlichen Bestimmungen ergänzen bzw. wiederholen, werden dann in Verhaltens- bzw. Compliance-Richtlinien und Kodices definiert.
[1]
Napokoj Risikominimierung durch Corporate Compliance, 2010, Rn. 1 ff.
[2]
Schneider ZIP 2003, 645 ff.
2. Kapitel Grundlagen für Compliance› B. Österreich› II. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Compliance
II. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Compliance
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Jene Arbeitsgruppe, welche mit der Neufassung des „Standard Compliance Code“ der österreichischen Kreditwirtschaft (SCC)[1] beauftragt wurde, hat anlässlich der Neufassung des SCC 2008 die Grundsätze ordnungsgemäßer Compliance (GoC) erarbeitet. Diese sollen der Kreditwirtschaft bei dem Thema Compliance eine Hilfestellung geben, wie eine ordnungsgemäße Compliance aussehen und funktionieren sollte. Da diese Grundsätze sehr weit gefasst sind, können sie auch anderen Branchen als Vorbild dienen.[2] In der Folge werden jene GoC, welche branchenübergreifend von Bedeutung sein könnten, dargestellt:
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Compliance i.S.d. GoC bedeutet das Handeln in Übereinstimmung mit geltenden Gesetzen, regulatorischen Vorschriften und über- und innerbetrieblichen Regelwerken.
1. Zwecksetzungen von Compliance
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Die Aufklärung der Mitarbeiter über entsprechende Regelungen sowie entsprechende Überwachungsmaßnahmen dienen der Vorbeugung gegen bewusste und unbewusste Verstöße gegen diese Regelungen. Dies schützt sowohl das Unternehmen als auch Mitarbeiter vor Schaden. Zur Schutzfunktion zählt auch die Erkennung und Bewältigung von Interessenkonflikten.
1.2 Beratungs- und Informationszweck
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Die Compliance-Funktion ist nicht nur schulend und aufklärend tätig, sie ist auch Anlaufstelle für die operativen Abteilungen, wenn es gilt, Zweifelsfragen zu klären. Das Bewusstsein der Mitarbeiter für mögliche Risiken muss geschärft werden, und sie müssen wissen, wann die Compliance-Funktion einzuschalten ist.
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Die Einhaltung aller compliance-relevanten Pflichten, die sich aus Gesetzen, regulatorischen Vorschriften oder über- und innerbetrieblichen Regelwerken ergeben, muss überwacht werden. Daher hat Compliance entsprechende Monitoringsysteme zu implementieren und deren Effizienz zu überprüfen.
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Eine effiziente Compliance-Funktion vermeidet Regelverstöße und daraus resultierende operationelle Risiken, insbesondere Reputationsrisiken. Damit dient Compliance auch der Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in das Unternehmen.
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Compliance ist ein Organisationskonzept, dessen Ziel es ist, ein von Fairness, Solidarität und Vertrauen getragenes Verhältnis der Informationssymmetrie zwischen den Kunden, dem Unternehmen und den Mitarbeitern zu erreichen, Interessenkonflikte zu bewältigen und die Einhaltung geltender Gesetze und sonstiger (z.B. interner) Regelungen sicherzustellen. Aufgabe einer Compliance-Organisation ist es einerseits, das ordnungsgemäße Verhalten der Mitarbeiter zu überwachen, allfällige Regelverstöße festzustellen und Abhilfe zu schaffen. Sie hat auch dafür Sorge zu tragen, dass interne Richtlinien, Verfahren und Organisationsvorschriften entwickelt werden, die dazu beitragen, dass Unternehmen sowie deren Organe und Mitarbeiter sich regelgerecht verhalten. Andererseits dient die Compliance-Organisation auch der Schulung der Mitarbeiter sowie der Beratung in Zweifelsfällen.
3. Managementverantwortung
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Es ist die Pflicht des Gesamtvorstandes/der Geschäftsleitung, für die Einrichtung einer derartigen unabhängigen Compliance-Organisation zu sorgen. Er hat darauf zu achten, dass die Compliance-Organisation unabhängig und weisungsfrei agieren kann, und die Befolgung von compliancerelevanten Anordnungen zu unterstützen. Der Compliance Officer ist ausschließlich dem Gesamtvorstand unterstellt.
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Der Compliance Officer und das Compliance-Office sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung unabhängig und weisungsfrei. Der Compliance Officer leitet die Compliance-Organisation und führt seine Tätigkeit im besten Interesse und zur Wahrung der Integrität des Kreditunternehmens und des Marktes durch.
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Zur Absicherung seiner Person und zur Wahrung seiner Unabhängigkeit sowie zur Aufrechterhaltung der nötigen Kontinuität und Erfahrung, ist er für einen Mindestzeitraum von zwei Jahren schriftlich vom Gesamtvorstand zu bestellen. Er gilt automatisch um eine weitere Funktionsperiode bestellt, wenn ihm nicht mindestens drei Monate vor Ablauf seiner Funktionsperiode schriftlich vom Gesamtvorstand Gegenteiliges mitgeteilt wird. Eine Versetzung oder Absetzung von dieser Position ist nur für den Fall einer strafrechtlichen Verurteilung oder infolge eines entsprechenden disziplinarrechtlichen Erkenntnisses möglich (in Instituten ohne Disziplinarkommission muss der Gesamtvorstand bzw. die Geschäftsleitung die Absetzung des Compliance Officer einstimmig beschließen). Nichtverlängerung, Versetzung oder Absetzung sind unverzüglich der Finanzmarktaufsicht zu melden.
5. Stellung im Unternehmen
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Der Compliance-Officer und die Compliance-Abteilung unterstehen unmittelbar dem Gesamtvorstand, eine disziplinarische Unterstellung unter den Vorstandsvorsitzenden wird empfohlen. Dazu kann auch ein Jour fixe mit dem Gesamtvorstand regelmäßig stattfinden. Der Jahresbericht und falls erforderlich Zwischenberichte sind jedenfalls an den Gesamtvorstand zu richten; ein Unternehmen kann zusätzlich vorsehen, dass die genannten Berichte neben dem Gesamtvorstand auch direkt an den Aufsichtsrat übermittelt werden. Er hat die Entscheidungsbefugnis in Fragen der Anwendbarkeit und Auslegung compliance-relevanter Normen und kann in diesem Zusammenhang auf das Fachwissen der Rechtsabteilung, anderer Fachabteilungen oder externer Experten zurückgreifen.
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